Kolonie-Simulation „Maia“ – Opfer des eigenen Erfolgs
Der Gedanke innerhalb der ersten Tage von Spielern überrannt zu werden gehört sicher zu den angenehmsten Problemen, die sich ein Indie-Entwickler wünschen kann. Dies ist der Göttersimulation „Maia“ widerfahren: Innerhalb von nur vier Tagen konnte das Budget zur Fertigstellung des Titels bei Steam Early-Access gesichert werden.
Anlässlich dieses unerwarteten Erfolgs meldet sich Simon Roth, Entwickler der Göttersimulation, in einem Kickstarter-Update zu Wort: „Die Veröffentlichung hat all unsere Erwartungen übertroffen, in Wirklichkeit hat es uns umgehauen“. Maia verweilte mehrere Tage im Rampenlicht auf der Hauptseite des Steam Stores und konnte dementsprechend viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „Wir haben mehrere Tage mehr Spiele verkauft als Assassin's Creed und Call of Duty“, so Roth. Insgesamt konnte man bisher seit der Veröffentlichung der frühen Alpha-Version am 3. Dezember über eine halbe Million US-Dollar bei Steam einnehmen.
Hinter dem Titel Maia verbirgt sich eine „Göttersimulation“, die sich selbst während der erfolgreichen Kickstarter-Finanzierung im November 2012 als „Dungeon Keeper trifft auf Dwarf Fortress in einer primitiven Alien-Welt“ bezeichnet hat. Im Grunde genommen geht es bei Maia um das Errichten und Managen einer Kolonie in lebensfeindlicher Umgebung. Das beginnt bei der Strom- und Sauerstoffversorgung der Kolonie und den Überlebens-Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wasser und Schlaf hin zur geistigen Gesundheit der einzelnen Kolonie-Bewohner. Insofern lauern unter der sichtbaren Oberfläche eine Fülle von Systemen, die im Optimalfall miteinander interagieren und das Leben der einzelnen Bewohner simulieren – die Betonung hierbei liegt jedoch auf „im Optimalfall“ und ist mit dem Zustand einer Alpha-Version nur selten vereinbar.
Dabei lief der Verkaufsstart der Early-Access-Version von Roths Weltraum-Kolonie-Simulation alles andere als glatt. Ein Blick in die Diskussions-Foren bei Steam verrät, wie viele der Käufer sich vorher nicht ausreichend mit dem klar formulierten Early-Access-Hinweis auf der Shop-Seite zum Spiel auseinandergesetzt haben. Ein 105 Beiträge umfassender Thread mit dem Titel „Too Early?“ („zu früh?“) macht die Situation einiger frustrierter Kunden klar, die versuchen wollten zu verstehen, wieso sich Roth dafür entschied eine derartig frühe Alpha-Version bei Early-Access einzustellen statt noch etwas zu warten und eine stabilere Version mit mehr Funktionen zu präsentieren.
Roth daraufhin im Forum: „Hauptsächlich geht es mir dabei um einen offenen, zugänglichen Entwicklungsprozess. Ich glaube viele Entwickler stellen ihre Spiele bei Early-Access nur des Geldes wegen ein, aber für uns war das größtenteils irrelevant. Mein Spiel hat nur dann einen Wert, wenn Leute es auch spielen.“ Roth gehe offen mit dem Zustand des Spiels um und werde dementsprechend keine negativen „Testberichte“ oder Forenbeiträge löschen, wie es manch andere Entwickler bei Early-Access tun würden. „Wenn Leute denken, dass das Spiel zu unfertig für sie ist, dann möchte ich sie nicht zum Kauf überlisten“, so Roth. Der Großteil des Feedbacks sei bisher „überwältigend positiv“ gewesen, auch wenn es „einige Leute in diesen Foren gibt, die die minimalen Systemvoraussetzungen nicht gelesen oder nicht verstanden haben, was der Begriff „Alpha“ wirklich bedeutet, wenn Entwickler ihn korrekt benutzen“.
In diesem Sinne hat Roth im Forum zum Spiel eine Roadmap veröffentlicht, die einige der geplanten Features bis Version 0.5 von Maia umfasst. „Milestone“-Releases sollen dabei jeweils im Abstand von zwei Wochen erscheinen. In einem Interview mit Edge Online aus dem September dieses Jahres, zum Zeitpunkt als Maia nur für Kickstarter-Unterstützer zugänglich war und noch kaum Elemente einer grafischen Benutzeroberfläche hatte, erklärte Roth den Grundgedanken zu dieser Art von Spiele-Entwicklung. So sei es auch für Roth eine „komische Sache, Spiele auf diese Weise wachsen zu sehen“, aber sofern das Grundgerüst beziehungsweise der „Kern“ steht, „mit dem die Leute spielen können, kann man neue Elemente ringsherum hinzufügen“.
Es ist kein Zufall, dass Roth, wie viele andere Indie-Entwickler der aktuellen Spiele-Landschaft mit dieser Art des Schaffensprozesses in direktem Widerspruch zu üblichen Konventionen steht, die ihm besonders bei größeren Spiele-Schmieden negativ aufgefallen sind und seiner Meinung nach den Verlust von Ideenreichtum zur Folge haben. „Einer mystischen Massen-Zielgruppe hinterher zu rennen hat geradezu das Wunder vernichtet, das viele überhaupt erst zu diesem Medium [Computerspiele] gebracht hat“. Das Konzept der „Crunch-Time“, Computerspiele unter Zeitdruck einer fixen Deadline und massivem Gebrauch von Überstunden fertigzustellen, „steht im Widerspruch zu hunderten Jahren an Forschung zu Arbeitsproduktivität, dem gesunden Menschenverstand und, offen gesagt, etlichen Gesetzen“, so Roth. Zuletzt hatte sich Crytek mit einem Tweet zur Crunch-Time während der Entwicklung von Ryse: Son of Rome in die Nesseln gesetzt und dafür ein harsches Echo aus Entwickler- und Spielerkreisen eingeheimst.
In einem lesenswerten Artikel mit dem Titel „The wonderful problems of Maia“ („Die wundervollen Probleme von Maia“) unterhielt sich Roth mit Eurogamer über den nicht zu verachtenden Unterhaltungsfaktor von Programmierfehlern. So schildert er unter anderem lustige Eigenheiten der aktuell noch nicht ausgereiften künstlichen Intelligenz von Maia: „Wir haben eine Animation im Spiel, bei dem der Charakter das Bäuchlein eines Hundes reibt. Alles [gemeint ist die Kolonie] kann dabei in Flammen stehen, der Alarm klingelt und der Kerl spielt einfach mit dem Hund.“ Roth erläutert, dass im Hintergrund der Gemütszustand der Bewohner simuliert wird, jedoch dadurch, dass es mit der Kolonie bergab geht, verschlechtere sich die Laune der Bewohner zunehmend und sie erledigen immer weniger ihrer Tagesaufgaben. Dies sei sogar schon so weit gewesen, dass die Bewohner seiner Kolonie allesamt nur noch ihrer eigenen Bedürfnisse nachgingen und außer zum Trinken das Bett nicht mehr verließen. Roth dazu „Ich dachte, das ist doch wirklich etwas zu realistisch – Ich habe Teenager erschaffen“.
Wer sich trotz des offensichtlichen Alpha-Zustands (aktuell: Version 0.38) nicht abschrecken lässt, findet Maia bei Steam Early-Access zum Preis von 22,99 Euro. Maia soll voraussichtlich im Laufe des Jahres 2014 für Windows-, Mac- und Linux-Systeme fertiggestellt werden. Zumindest finanziell steht dank Crowdfunding und Early-Access der Fertigstellung des ambitionierten Projekts nichts mehr im Weg.