Zweifel an Streaming-Abmahnungen
Bei den Streaming-Abmahnungen gegen Nutzer des Porno-Portals RedTube handelt es sich offenbar um eine Abmahnwelle, die mehr als 10.000 Personen betreffen könnte. Allerdings bestehen mittlerweile erhebliche Zweifel, ob die Abmahnungen überhaupt rechtmäßig sind.
Dass Provider die Namen von betroffenen Anschlussinhabern herausgeben mussten, hängt offenbar mit einem Fehler des Landgerichts Köln zusammen. Die Richter begründen die Auskunftsbeschlüsse durch „das öffentliche Zugänglichmachen des geschützten Werkes (…) eine sog. Tauschbörse“ – also Filesharing. Doch davon war in den Anträgen der abmahnenden Kanzleien allerdings nicht die Rede. Die Kanzlei „Werdermann | von Rüden“ wirft dem für die Anschlussauskünfte verantwortlichen Anwalt Daniel Sebastian vor, das Landgericht Köln mit allgemeinen Formulierungen „bewusst in die Irre geführt“ zu haben. Deswegen hat „Werdermann | von Rüden“ eine Strafanzeige gegen den Anwalt Sebastian und einen Mitarbeiter von itGuards Inc. erstattet. Letztere haben im Auftrag von Sebastian die IP-Adressen ermittelt.
Das geht aus den Verfahrensakten hervor, in die die Kanzlei „Werdermann | von Rüden“ am Montagmorgen einsehen konnte. Allein aus einem Auskunftsbeschluss geht hervor, dass der Anwalt Sebastian am 12.08.2013 die Auskunftsansprüche für 1.000 IP-Adressen gegen die Deutsche Telekom geltend gemacht hat. Die gesammelten IP-Adressen sollen zwischen dem 8. und dem 11. August den Film „Amanda’s Secret“ auf RedTube abgerufen haben. Für die Ermittlung der IP-Adressen nutzte das von Sebastian beauftragte Unternehmen itGuards Inc. die Software „GLADII 1.1.3.“.
Diese dient aber eigentlich dazu, IP-Adressen von Filesharing-Nutzern zu sammeln. Das ist möglich, indem etwa die Software in einem Filesharing-Netzwerk vorgibt, eine bestimmte Datei (z.B. ein Film oder Spiel) herunterzuladen und dann die IP-Adressen der am Datenaustausch beteiligten Nutzer aufzeichnet. Bei Streaming-Portalen ist das aber nicht möglich, weil die Nutzer nur auf den Webserver zugreifen. Normalerweise müsste also der Portal-Betreiber die IP-Adressen herausgeben. Wie eine Software allerdings von außen den Zugriff auf bestimmte Filme protokollieren soll, ist schleierhaft. Spekulationen gehen bereits in die Richtung, dass Schadsoftware eingesetzt wurde, um die IP-Adressen der RedTube-Nutzer einzusammeln.
„Ich nehme nicht an, dass die Filesharing-Ermittlungssoftware „GLADII 1.1.3.“ überhaupt dazu geeignet und bestimmt ist, den Internetverkehr zwischen einem Internetnutzer und einem seriösen Streaming-Portal zu überwachen und beweissicher zu dokumentieren“, sagte Rechtsanwaltsalt Johannes von Rüden von der Kanzlei „Werdermann | von Rüden“. Nun versucht von Rüden, Einblicke in das Gutachten zu erhalten, das die Zuverlässigkeit von „GLADII 1.1.3.“ bescheinigt. „Aus diesem wird sich wohl auch ergeben, dass die eingesetzte Software sich nicht dazu eignet, den Internetverkehr zu überwachen“, so von Rüden.
Ebenfalls unklar ist bislang, in welchem Verhältnis die einzelnen Abmahnkanzleien und Rechteinhaber stehen. Zunächst war nur bekannt, dass Streaming-Abmahnungen von der Regensburger Kanzlei U+C im Auftrag des Schweizer Unternehmens „The Archive AG“ verschickt wurden. Mit der Einleitung des Ermittlungsverfahrens hofft von Rüden, weitere Einblicke in das Netzwerk der Abmahnkanzleien zu erhalten.
Tipp für Betroffene: Ruhe bewahren!
Neben den augenscheinlich irrtümlich erteilten Auskunftsbeschlüssen vom Landgericht Köln sowie der unklaren Herkunft der IP-Adressen steht immer noch die entscheidende Frage im Raum: Ob das Streamen von womöglich urheberrechtlich geschützten Werken überhaupt illegal ist. Deswegen hat unter anderem der Anwalt Jens Ferner bedenken, ob Streaming-Abmahnungen gegen RedTube-Nutzer überhaupt wirksam sind. Anders als etwa bei kino.to handele es sich bei RedTube nicht um ein Online-Portal, dessen Inhalte augenscheinlich illegal sind. Nutzer müssen also zunächst einen Stream starten, um überhaupt feststellen zu können, ob der Inhalt möglicherweise urheberrechtlich geschützt ist.
Ähnlich sieht es der Anwalt von Rüden: „Für Nutzer seriöser Erotikportale ist es nicht möglich, auf den ersten Blick zu erkennen, woher die hochgeladenen Dateien stammen und ob diese von rechtswidrig hergestellten Vorlagen stammen.“ Betroffene sollten zunächst Ruhe bewahren und nicht etwa vorschnell eine Unterlassungserklärung abgeben. Weil die Streaming-Abmahnungen neben der vagen Rechtslage offenbar noch formale Fehler enthalten, empfiehlt es sich, das Vorgehen mit einem auf Abmahnungen spezialisierten Anwalt abzuklären. Laut von Rügen habe das Team von Abmahnhelfer.de bereits „hunderte gleichlautende Abmahnungen“ der Kanzlei U+C zurückgewiesen.
Darüber hinaus warnt Infodocc.info vor E-Mails, die sich als Abmahnung von der Kanzlei U+C ausgeben. Dabei handelt es sich aber um Spam, zudem befindet sich im Anhang ein Virus. Entsprechende E-Mails mit Begriffen wie „Tauschbörsen“ und „RedTube“ in der Betreffzeile sollten also nicht geöffnet, sondern direkt gelöscht werden.