Entscheidungsgründe des BGH zu usedSoft-Urteil
Als der EuGH Mitte 2012 nach einem Vorabentscheidungsersuchens des BGH aus 2011 entschied, dass nach Unionsrecht gebrauchte Software prinzipiell weiterverkauft werden darf, gingen die Wogen hoch. Der BGH entschloss sich im Sommer 2013 dieser Sichtweise zu folgen. Nun wurden auch die Entscheidungsgründe hierzu veröffentlicht.
All dem zugrunde liegt ein Rechtsstreit zwischen dem Softwarehersteller Oracle und dem Unternehmen usedSoft. Letzteres hatte noch gültige Softwarelizenzen, die von ihren ursprünglichen Käufern nicht mehr benötigt wurden, an Dritte weiterveräußert – darunter auch Produkte von Oracle. Oracle klagte daraufhin, in weiterer Folge ging die Auseinandersetzung durch alle Instanzen. Da die Thematik unter den Geltungsbereich von Unionsrecht fiel, aber auch Unklarheiten diesbezüglich bestanden, wurde vom BGH ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt. Dieser bejahte in einer weit beachteten Entscheidung (C-128/11) die prinzipielle Rechtmäßigkeit einer Weiterveräußerung – ein Monate zuvor erschienener Schlussantrag des zuständigen Generalanwaltes hatte dies bereits indiziert.
Danach konnte der BGH im Verfahren am 17. Juli 2013 (I ZR 129/08) selbst eine Entscheidung treffen. Dabei entschied er zwar nicht den Rechtsstreit selber – das bisherige Urteil des OLG München wurde aufgehoben und an selbiges zur Neuverhandlung zurückverwiesen –, traf aber für die Thematik generell relevante Feststellungen. Dabei folgte er im Wesentlichen der Argumentation des EuGH und zerlegte dabei über weite Strecken die Argumentation Oracles im doppelten Wortsinn in deren Einzelteile.
Wesentliche rechtliche Feststellungen
Zum Einen greift nun der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz bei jeder erstmaligen Veräußerung eines unbefristeten Nutzungsrechtes an Software. Das bedeutet, dass dem Hersteller danach kein Recht mehr zukommt, über einen weiteren Vertrieb des veräußerten Produktes durch den Erstkäufer zu bestimmen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass letzterer das Produkt ohne Einschränkungen weiterveräußern darf. Etwaige Bestimmungen eines Lizenzvertrages, die gegenteiliges behaupten, sind unwirksam (Randnummern 31, 32 und 67 des Urteils). Für einen wirksamen Erwerb durch einen Dritten reicht es aus, dass die Programmkopie von der Website des Urheberrechtsinhabers herunterzuladen, es bedarf keiner Übergabe von physischen Datenträgern (Randnummer 44).
In der Randnummer 57 hält der BGH weiterhin detailliert fest, unter welchen Voraussetzungen Erwerber „gebrauchter“ Softwarelizenzen die notwendige Programmkopie „rechtmäßig erwerben“ können. Im Regelfall dürfte hier ein Download von der Herstellerseite selbst ausreichen.
Auch das Aufspaltungsverbot von Lizenzen wird näher definiert. Eine unzulässige Aufspaltung einer Lizenz bezieht sich lediglich auf einzelne Lizenzen im Wortsinn, nicht aber auf Volumenlizenzen. Diese stellen eine Ansammlung von Einzellizenzen dar. Eine teilweise Veräußerung von Volumenlizenzen ist somit laut BGH zulässig. Eine unzulässige Aufspaltung liegt vor, wenn ein Ersterwerber seine Lizenz weiterveräußert, die von ihm genutzte Kopie aber nicht zeitgleich unbrauchbar macht (Randnummer 63).
Anmerkungen:
- Im Urteil wird stellenweise von „Eigentum an“ und dem „Verkauf“ einer Softwarekopie gesprochen. Diese Wortwahl ist aber nicht im deutschen Kontext zu verstehen, sondern als eine begrifflich weiter gefasste unionsrechtliche Terminologie. Für Deutschland definiert der BGH in Randnummer 43 den Begriff des „Verkaufs einer Lizenz“ dermaßen:
Mit dem Begriff „Weiterverkauf der Lizenz“ ist vielmehr gemeint, dass die Nacherwerber mit dem Erwerb der „erschöpften“ Programmkopie unter den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG das gesetzliche Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Computerprogramms erlangen
- Ein Vorabentscheidungsverfahren ist immer dann notwendig, wenn ein nationales Gericht nicht weiß, wie genau eine Unionsnorm anzuwenden und eine Deutung dieser erforderlich ist. Das darf ausschließlich der EuGH vornehmen. Dieser teilt dann seine abstrakte Rechtsansicht mit, die im weiteren Verfahren zwingend zu beachten ist. In der Sache selbst entscheidet dann wieder das nationale Gericht.
Das Urteil (I ZR 129/08) ist eine Leitsatzentscheidung und unter diesem Link im Volltext (PDF) abrufbar.