RedTube-Abmahnungen: Gutachten verstärkt Zweifel
Nächster skurriler Akt im Fall der RedTube-Abmahnungen: Die Kanzlei MMR hat das vollständige Gutachten veröffentlicht, das die Qualität der Software „GLADII 1.1.3“ belegen sollte. Mit dieser hat die Firma itGuards Inc. angeblich die IP-Adressen ermittelt, für die das Landgericht Köln die Auskunftsbeschlüsse bewilligt hatte.
Mit welchen Mitteln die Zugriffe von RedTube-Nutzern auf die jeweiligen Filme protokolliert wurden, verrät das Gutachten allerdings auch nicht. Dabei wurde es von denen für die Abmahnungen verantwortlichen Kanzleien stets als Beweis angeführt, dass bei der Ermittlung der IP-Adressen – entgegen der Spekulationen – alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Doch nach wie vor ist nicht ersichtlich, auf welchem Weg „GLADII 1.1.3“ den Traffic zwischen einem Medien-Hoster und den Nutzern überwachen soll – und das ohne Verstöße gegen rechtliche Vorgaben. Technisch kommt das Gutachten nicht über den Hinweis hinaus, den das Landgericht Köln bereits im Dezember veröffentlicht hatte:
Die bei den Tests durchgeführten Aktionen beruhen technisch auf üblichen Internet-Technologien, welche beim Einsatz in den verwendeten Test-Szenario keine Bedenken hinsichtlich etwaigen Gesetzesverstößen erkennen ließen.
Stattdessen beschreibt der Sachverständige der Kanzlei Diehl & Partner, dass das „Gutachten zur Funktionstüchtigkeit der Software GLADII 1.1.3“ im Auftrag der itGuards Inc. angefertigt wurde. Diese hat der Kanzlei einen Zugang zu einem Web-Interface bereitgestellt, über das GLADII 1.1.3 bedient wurde. Außerdem wurden „drei Medien-Datein (…) vom Auftraggeber als zur Überprüfung der Software geeignete beispielhafte Dateien auf verschiedenen Medien-Hostern bestimmt“.
Dass die Medien-Dateien und Streaming-Plattformen nicht per Zufallsprinzip ausgewählt wurden, kritisiert Law-Blogger Udo Vetter. Wenn die für den Test bereitstehenden Videos vom Auftraggeber vorgegeben werden, lasse sich eben nicht ausschließen, dass „die benannten Dateien bzw. [der] Aufrufvorgang manipuliert“ wurde. „Somit ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich, dass die Software tatsächlich korrekt die Datenübertragung von einer Videoplattform zum Nutzer protokollieren kann“, so Vetter.
Um die Software auf ihre vermeintliche Tauglichkeit hin zu überprüfen, hat der Sachverständige von der Kanzlei – grob zusammengefasst – zu verschiedenen Zeitpunkten mit unterschiedlichen IP-Adressen auf die Streaming-Videos zugegriffen. Im Web-Interface von GLADII 1.1.3 wurden die einzelnen Zugriffe von der Kanzlei präzise protokolliert. Mit der Software könne die Identität einer Medien-Datei, die Uhrzeit beim Beginn des Downloads sowie die IP-Adresse des jeweiligen Computers korrekt ermittelt werden, so das Fazit von dem Sachverständigen der Kanzlei Diehl & Partner.
Für Vetter ist diese Erkenntnis irrelevant, denn: „Die entscheidende Frage, wie diese Werte technisch zustande gekommen sind, wird mit keinem Wort beantwortet.“ Er schätzt das Gutachten als „völlig untauglich“ ein.
Ähnlich fällt die Einschätzung von weiteren Anwälten aus. So schreibt etwa Thomas Stadler in einem Beitrag im Blog Internet-Law, es wäre auffällig, dass im Gutachten durchgehend von einem Download die Rede ist. Feststellungen zum Streaming treffe es hingegen nicht, ebenso fehle „selbst eine rudimentäre technische Erläuterung“ zur Erfassung der IP-Adressen.
Der Rechteinhaber „The Archive AG“ scheint inzwischen auf Abstand zur aktuellen Entwicklung zu gehen. Nicht nur der Chef wurde ausgewechselt und der Firmensitz geändert, auch sind die Website offline und die Telefonnummern gelöscht. In der Schweiz und in Deutschland laufen bereits Ermittlungen gegen die Firma.
Nounagnon Sedjro Crespin Djengue aus Benin löst den Deutschen Philipp Wiik an der Spitze des Unternehmens ab. Der Rückzug nach Deutschland ist für den Ex-Chef jedoch zwecklos, da er nicht vor der Strafverfolgung schützt. Die Schweiz gewährt den deutschen Behörden Rechtshilfe, um die strafrechtlichen Ermittlungen zu führen.
Nach einem Bericht der Welt am Sonntag vom Freitag ist „The Archive“ scheinbar noch nicht einmal der Rechteinhaber der Filme, welche auf RedTube zu sehen sind. So berichtete Welt am Sonntag, dass die Berliner Firma Hausner Productions die weltweiten Verwertungsrechte der spanischen Firma Serrato Consultores S.L. besitzt. Jedoch scheinen die Filme nur umetikettiert worden zu sein – die Originalfilme werden von der amerikanischen Firma Combat Zone gedreht und vermarktet.