Samsung Galaxy S5: Drei Meinungen zum neuen Samsung-Flaggschiff
Vorwort
Das Samsung Galaxy S5 spaltet die Gemüter: Zu wenig Innovation sagen die einen, gelungenes Update die anderen. Unsere Redakteure auf dem Mobile World Congress 2014 haben das Smartphone ausprobiert und sich Meinungen zum neuen Flaggschiff gebildet. Großer Wurf oder reine Produktpflege? Das ist die entscheidende Frage.
Die Kommentare entstanden unabhängig voneinander. Jegliche inhaltliche Überschneidungen sind zufälliger Natur.
Mahir Kulalic
Das Galaxy S5 spaltet die Gemüter wie kaum einer der Vorgänger. Es bietet aktuelle Hardware aus dem High-End-Sektor und hat Samsungs erste Schritte mit Biometrie im Gepäck, und doch bleibt jeglicher „Wow“-Effekt aus. Das neue Flaggschiff schafft es nicht, die großen Sprünge und neuen Wege der Vorgänger zu wiederholen und mit Neuheiten zu beeindrucken, wie es das Galaxy S III tat. Waren die Sprünge zwischen Dual- und Quad-Core oder WVGA- und HD-Auflösung noch groß, fehlt mittlerweile der Reiz am Neuen. Viele der möglichen Features sind mittlerweile berechenbar, es geht oftmals nach dem „Höher, schneller, weiter“-Paradigma, neue Zugkräfte oder Ideen bleiben aus. Möglicherweise aus Behäbigkeit, möglicherweise allerdings auch aus Angst, den Nerv der Zeit nicht zu treffen und an Gesicht oder Ansehen zu verlieren.
Ähnlich wie Apple mit seinen „S“-Versionen der iPhones, ist Samsung spätestens jetzt mit seiner Galaxy-S-Reihe an dem Punkt angelangt, an welchem dem Konzern mangelnde Innovation und reine Produktpflege vorgeworfen werden kann. Die technischen Daten stellen mit die Speerspitze des aktuell möglichen dar, doch heutzutage reicht allein Hardware nicht mehr aus. Zwar versucht Samsung dem entgegenzuwirken, und versucht durch Fingerabdrucksensor oder Pulsmessgerät das Smartphone noch näher an die Individualität des Kunden zu bringen. Doch auch diese Flexibilität ist noch eingeschränkt und zeigt sich mehr als Gimmick, denn der praktische Nutzen hält sich selbst innerhalb der spezialisierten Szenarien in Grenzen. Auch während der Pressekonferenz zeigte sich, dass Samsung versucht mit noch besserer, noch schnellerer, noch größerer Hardware zu punkten. Zuhauf „noch mehr“, aber kein wirkliches „neu“.
Was Samsungs Unsicherheit dahingehend unter Umständen unterstreicht, zeigen Prozessoren mit 64-Bit. Ganze 48 Stunden nach der Vorstellung des iPhone 5S kündigten die Koreaner an, dass kommende Geräte auch mit jener Technologie wie das iPhone laufen werden – doch bis heute davon keine Spur. Der Hersteller versucht, sein Gerät mit einer Vielzahl an Hardware und Features vollzupumpen und den Umfang künstlich zu vergrößern, während jene Funktionen – wie Smart Stay oder S Voice – dabei nicht ausgereift sind.
Dass das Galaxy S5 mit Sicherheit ein Erfolg wird, dürfte sicher sein. Dass es ein gutes Smartphone ist, ist ebenso wenig der Knackpunkt. Vielmehr erweckt es den Anschein, dass Samsung Gefahr läuft, sich in den gleichen Mustern Generation für Generation zu wiederholen und so an Reiz zu verlieren. Der Smartphone-Markt ist stark gesättigt, für neue Impulse und Kaufanreize braucht es mehr als Flaggschiffe 1.5. Samsung könnte mit seiner Marktmacht schnell Neuheiten etablieren. Bisher tut es das nicht.
Nicolas La Rocco
Eine riesengroße Halle, über 4.000 Gäste, alle vor Ort, um einem Hersteller und einem Smartphone zu huldigen: Dem Samsung Galaxy S in der fünften Generation. Überraschend verhalten war der Applaus, als JK Shin und seine Entourage Feature um Feature aufzählte und dabei wenig wirklich Innovatives vorstellen konnte. Das Aussehen haute die Wenigsten vom Hocker, das Display kennen wir mit minimalen Abweichungen bereits vom Galaxy S4, der Prozessor ist nach dem ersten Ausprobieren nicht fühlbar schneller, und die Kamera ist mit unzähligen Optionen überfrachtet.
Das Problem des Galaxy S5 ist aber nicht, dass Komponente A oder B nicht ausreichen würde – ganz im Gegenteil, das Galaxy S5 ist absolut auf Höhe der Zeit – sondern vielmehr, dass die Präsentation so verdammt vorhersehbar war.
Das Samsung Galaxy S5 legt hier und da bei den Spezifikationen zu und bietet darüber hinaus mit dem Fingerabdruckscanner eine Funktion, die Apple bereits annähernd perfekt gelöst hat, und die nach HTC nun auch Samsung so integriert hat, wie es nicht gelöst werden sollte: per Wisch anstatt per Auflegen. Dem Galaxy S5 fehlt deswegen einfach gesagt das „Wow!“, sodass man kaum von einem bahnbrechenden Gerät sprechen kann.
Keine Frage, das Galaxy S5 ist ein gutes Smartphones und es wird sich so wie seine Vorgänger millionenfach verkaufen, aber die Luft ist raus: Es fehlt etwas wirklich Neues. Wo ist das Smartphone, das ich rollen kann? Wo ist das Smartphone mit transparenten Bauteilen? Oder wo ist das Smartphone, das drei Millimeter dünn ist und dessen Front zu 99 Prozent aus Display besteht? Besser noch: wo ist der Knaller, der das iPhone 2007 war? Es fehlt ein „Gamechanger“, der eine neue Ära bei den Smartphones einläutet oder eventuell sogar die Nachfolgekategorie des Smartphones begründet.
Samsung kann sich jedenfalls nicht länger auf der Spitzenposition ausruhen und einfach Jahr für Jahr ein immer etwas besseres Smartphone vorstellen. Vielleicht ist es sogar an der Zeit, die Marke Galaxy S aufzugeben, alle Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker des Unternehmens zu versammeln, diese über zwei bis drei Jahre forschen zu lassen, um dann mit einem wirklich komplett neuen und noch nie dagewesenen Gerät die Welt zu überraschen, eventuell sogar positiv zu schocken.
Sasan Abdi
Im Smartphone-Bereich gibt es grundsätzlich zweierlei Hersteller: Die einen schwimmen im großen Strom mit und kopieren gängige Paradigmen immer und immer wieder, bis irgendwann das „next big thing“ zum Mainstream wird und übernommen werden kann. Und es gibt die Unternehmen, die sich mutig – manchmal auch gezwungenermaßen – an Neuerungen versuchen, um mit potentiellen „Gamechangern" den Markt grundlegendend umzukrempeln.
Vor diesem Hintergrund ist das Galaxy S5 eine ziemliche Enttäuschung. Natürlich hat Samsung ein Smartphone präsentiert, das kurz- und mittelfristig zur Speerspitze des Angebots zu zählen ist. Natürlich wird Samsung mit dem S5 gute Absätze erzielen. Trotzdem: Die Neuerungen, die die Südkoreaner ihrem neuen Flaggschiff spendieren, fallen doch sehr übersichtlich aus.
Das ist tragisch, da es sich eigentlich gerade ein Marktführer wie Samsung leisten kann, mutig voranzuschreiten. Warum nicht mal neue Konzeptionen ausprobieren? Warum nicht mal etwas richtig überraschendes implementieren? Ist der Smartphone-Bereich wirklich so ausgereizt, dass solche Überraschungen nicht mehr möglich sind? Wohl kaum. Zumindest zeigen Projekte wie das YotaPhone 2 oder das Blackphone, dass es möglich ist, andere Wege zu gehen.
Letztendlich hat Samsung es derzeit zugegebenermaßen nicht nötig, solche besonderen Wege zu gehen: Nicht zuletzt über die schiere Masse und die unübersichtliche Vielfalt der Produktpalette wird – noch? – genügend Absatz erzeugt. Die Geschichte zeigt aber, dass die führenden Hersteller gerade auf ihrem Zenit eben nicht 0815 liefern sollten, sondern ihre führende und damit komfortable Position vielmehr dazu nutzen sollten, für die Zukunft vorzusorgen. Das tut aber Samsung mit dem, selbst bei der puren Standard-Hardware nur mäßig interessanten Galaxy S5, gerade nicht – schade.
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