Klassiker neu entdeckt: Thief 2: The Metal Age (2000) im Test
2/2Spielablauf und Technik
Abseits der Rettung der Welt ist Garrett ein Dieb, der bei seinen Leisten bleibt. Bereits das Handbuch nennt Thief einen „First-Person-Sneaker“; die Kameraperspektive wurde schon damals mit einem einzigen Genre assoziiert. Bereits auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad ist lautstarkes, schnelles Vorgehen mit hohem Risiko behaftet, darüber hinaus eine Todesfalle.
Schon ein einzelner menschlicher oder mechanischer Wächter ist, wäre er nicht durch seine kaum vorhandene Intelligenz behindert, dem Dieb überlegen, dessen behäbige und ungelenke Fechtfähigkeiten kaum der Rede wert sind. Im Kampf mit mehreren aufgebrachten Eigentumsschützern – bei ausgelöstem Alarm bevorzugt die KI Rudelbildung – hat Garrett schnell das Nachsehen. Eine geringe Anzahl von Lichtquellen dient daher als Überlebensstrategie, vorsichtiges Vorgehen ebenso: Fehler haben drastische Konsequenzen. Hinter einer Optik, die dank Minecraft schon fast wieder zeitgemäß aussieht, stecken zum Glück zahlreiche, unerwartet komplexe Mechaniken, die Schleichen lohnenswert und immer noch unterhaltsam machen: Von Untergründen abhängige Laufgeräusche, die Berechnung der Sichtbarkeit anhand verschiedener Faktoren, darunter gezogene Waffen, und die Wichtigkeit von Gehör und Beobachtung.
If you're planning on making bold frontal assaults on multiple foes at once, go get fitted for your coffin now.
Aus dem Handbuch von Thief 2
Im Prinzip funktioniert Thief wie alle zumeist weniger stark auf Stealth-Elemente fixierten, jüngeren Vertreter des Genres; in Teilen sogar besser: Looking Glass zwingt Spieler, sich in vollständig offenen Levels selbst zurechtzufinden und die vielen Hilfsmittel selbstständig einzusetzen. Zur Orientierung gibt es Karte, Kompass und, in Anbetracht der eintönigen Texturen und mittlerweile furchtbar sterilen Räume, etwas zu wenig Anhaltspunkte und Landmarken. In welcher Reihenfolge und über welchen der zumeist zahlreichen Wege die unterschiedlichen Ziele erreicht werden, spielt keine Rolle.
Nicht alle davon sind stets offensichtlich. Viel, ja oftmals zu viel wird in Schatten versteckt. Nicht sichtbare Leitern oder fast unsichtbare Schalter, deren Existenz sich nicht immer kontextuell erschließen lässt, rufen den einen oder anderen Frustmoment hervor. Ansonsten bietet das Inventar jede Menge Hilfsmittel. Wasserpfeile, um Fackeln zu löschen, Feuerpfeile, um sie anzuzünden (und Dinge in die Luft zu sprengen), Minen, Geräuschpfeile, (Schlaf-)Gaspfeile und ein Seilpfeil, der zusammen mit einer Klettermechanik die Vertikale erschließt, geben viele Möglichkeiten an die Hand.
Entsprechende Möglichkeiten zu erfassen, fördert den Spieltrieb, und – im Jahr 2014 gänzlich ungewohnt – die Lektüre des rund 30 Seiten starken Handbuches. Hier führt Looking Glass nicht nur in das Setting ein, sondern erläutert zahlreiche Mechaniken des Spiels und zumindest einen Teil der Gadgets. Neben einer Basisausstattung pro Mission ist zusätzliche Ausrüstung gegen Gold erhältlich. Die Größe der Geldbörse wird durch die im letzten Raubzug erbeuteten Gegenstände jeweils neu bestimmt, verfällt aber nach Beginn eines Auftrages. Klauen wird so vom Hintergrundrauschen zum elementaren Spielelement einer Ära vor „Achievements“ mit erfolgreich sinnbefreiten Sammelaufgaben befördert. Wenn die von ihren Besitzern wohl verborgene Beute denn mit wachem Auge gefunden wird.
Sand ins Getriebe wirft die alte Technik nicht nur bei den Kämpfen. Durch Türen zu spähen ist noch nicht möglich, die Levels suggerieren noch keine Größe, sondern wirken zumeist beengt. Dies ist faktisch in modernen Spielen nicht anders, allerdings wird dort eine zumeist überzeugende Illusion von Raum geschaffen. Offene Türen, erloschene Fakeln, Leichen, die zwar im Schatten, aber direkt auf Marschroute liegen – die KI hat mit vielen Dingen keine Schwierigkeiten, die eigentlich solche hervorrufen sollten. Bemühte Animationen, am Spieler klemmende Türen und das umständliche Abspringen von Leitern füllen zusammen mit der fummeligen Inventarverwaltung die Liste der Alterserscheinungen.
Seine besten Momente hat Thief daher, wenn die Levels entweder dicht bevölkert sind, oder die Missionsparameter noch nicht einmal bewusstlose Körper erlauben – im Zweifelsfall empfiehlt sich der höchste Schwierigkeitsgrad, der die KI zumindest numerisch gefährlich macht. Zombies und Roboter sind eine Ausnahme, weil sie sich nicht wie Sandsäcke verprügeln lassen. Wirklich gut tut der Verzicht auf Quick-Time-Events und Minispiele. Schlösser per Dietrich zu öffnen, kostet Zeit und macht Krach, geht aber nicht nach der dritten Tür auf die Nerven und fordert das richtige Timing. Im Zweifelsfall können Portale wie Fenster auch einfach eingeschlagen werden. Wie bei System Shock 2, das vom gleichen Studio entwickelt wurde, funktioniert die Immersion auch deshalb noch hervorragend, weil nicht jede Kleinigkeit durch Automatismen geregelt oder aufdringlich interaktiv implementiert wurde.
Ahhh ... a back door ...
Garret
Thief besitzt immer noch eine große Community. Nachdem der Quellcode für die im Spiel genutzte Dark-Engine versehentlich veröffentlicht wurde, ist wie für System Shock 2 ein umfangreicher Patch erschienen. Der Tafferpatcher kombiniert Fan-Updates, die weitere Fehler im Spiel beheben, mit höher aufgelösten Texturen und macht das Spiel zu aktueller Technik kompatibel.
Der Patch ersetzt unter anderem die originale, mittlerweile nicht mehr funktionsfähige Installationsroutine, integriert Widescreen-Auflösungen mit angepasstem Sichtfeld, Kantenglättung und behebt Probleme etwa mit Mehrkernprozessoren. Kurz: Während Thief 2 mit dem letzten offiziellen Patch nach dem Start einer Mission auf unserem Testrechner ohne Verzug abstürzt, funktioniert die Fan-Version klaglos. Mit dem Enhancement-Pack kann zudem ein weiteres Texturpaket im Alphastatus installiert werden.
Ein weiterer Vorteil des Tafferpatchers ist die Möglichkeit zur einfachen Einbindung von Fan-Missionen, die unter anderem über Darklurker.org, thiefmissions.com und Keeper of Metal and Gold bezogen werden können. Als weitere Anlaufstelle empfiehlt sich das „Through-the-Looking-Glass“-Forum, welches nicht nur immer noch von Nutzern bevölkert wird, sondern außerdem eine umfassende Übersicht zu weiteren Inhalten bereitstellt. Zu besonders bemerkenswerten Leistungen der Fangemeinde gehört die inoffizielle Erweiterung Thief 2X: Shadows of the Metal Age, die zusammenhängende Missionen inklusive neuer Lore und Sprachausgabe enthält, sowie das „Remake“ The Dark Mod mit jüngerer Engine.
Nach dem Rundum-Sorglos-Patch-Paket trat nur ein Problem mit dem nicht reagierenden Schiebregler für die Gamma-Einstellung auf, dessen Voreinstellung aus jedem Schatten ein schwarzes Loch macht. Abhilfe schaffen zusätzliche Einstellungen in der durch den Patch erstellten „cam_ext.cfg“. Das Entfernen eines Semikolons vor dem Eintrag „d3d_disp_sw_cc“ bringt die Funktionalität der Helligkeitsregelung zurück. In der Zeile „gamma_ui“ lässt sich neben zahlreichen weiteren Stellschrauben rund um das Spiel für das Interface ein getrennter Gammawert wählen, was es ermöglicht, nur Ingame-Grafik aufzuhellen.
Fazit
Thief 2 heute? Wenn ein kompromissloses Schleichspiel mit offenem Leveldesign und höherem Anspruch als bei der Neuauflage „Thief“ gesucht wird, lohnt der Griff zum Klassiker - selbst dann, wenn Konzept und Anlage mittlerweile durch die Technik ausgebremst werden. Doch Komplexität und zumeist die Atmosphäre sind eine weiterhin runde Sache bei Thief 2: Mit Garrett lassen sich dank des erstaunlich konsequenten und immer noch zeitgemäßen erwachsenen Gameplays intensive Momente erleben.
Da der Zahn der Zeit die Immersion durch die rudimentäre Technik oft genug durchbricht, fällt eine eindeutige Empfehlung auszusprechen an dieser Stelle nur gegenüber Fans des Genres leicht. So oder so aber bleibt Thief 2 der Meilenstein, dessen Ideen noch immer aktuell sind – gerade weil das Konzept in derartiger Konsequenz kaum noch umgesetzt wird. Heutige Diebe sind dafür zu gute Assassinen.
Schnellcheck | Thief 2: The Metal Age |
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Getestete Version | Taffer TMA 212 Beta |
Altersfreigabe | ab 16 Jahren |
Empfohlene Systemanforderungen | Intel Pentium II 400 MHz 64 MB RAM 3D-Grafikkarte mit 16 Megabyte VRAM 600 MB HDD |
Widescreen | via Tafferpatcher |
Mods | Fan-Missionen, Fan-Erweiterung, Fan-Remake |
Kompatibilität | bis Windows 8.1 (x64) |
Probleme | zahlreiche (ohne Fan-Patches) |
Empfehlung | bedingt |
Bisher erschienen
In der Serie „Klassiker neu entdeckt“ bereits erschienen:
- Max Payne (2001)
- MechWarrior 4: Mercenaries (2002)
- Medal of Honor: Allied Assault (2002)
- Tomb Raider 2 (1997)
- System Shock 2 (1999)
- Star Trek Voyager: Elite Force (2000)
- Re-Volt (1999)
- Command & Conquer: Generals (2003)
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