Thief in der Neuauflage im Test: Garretts gelungene Rückkehr

 3/4
Sasan Abdi
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Thief auf einen Blick (Fortsetzung)

So linear wie die Story ist grundsätzlich auch das Leveldesign. Dieses profitiert zunächst vom Setting: „Die Stadt“ wird – nicht gerade in Abgrenzung zu „Dishonored: Die Maske des Zorns“ – in Steampunk-Manier und mit viktorianischem Touch als feuchter, düsterer und lebensfeindlicher Moloch gezeichnet, der wunderbar zum Ansatz der Handlung passt.

Die Linearität im Leveldesign kommt dadurch zustande, dass der Spieler parallel zum Fortgang der Story Stück für Stück durch die unterschiedlichen Gebiete der Stadt geschleust wird. Wahlfreiheit bezüglich des Vorgehens oder auch nur das optionale Zurückkehren zu bereits begangenen Schauplätzen ist dabei nicht möglich.

Immerhin gilt, dass innerhalb der einzelnen Abschnitte meistens mehrere Wege zum Ziel führen. So kann Garrett sich beispielsweise direkt durch die Gassen schleichen, einen Weg über die Dächer suchen oder aber in die Kanalisation abtauchen, um ein Gebiet zu durchqueren.

Viele Wege führen also nach Rom, wobei es einem der „Fokus“ etwas zu leicht macht: Per gedrückter Taste lassen sich nicht nur Fallen, sondern auch allerlei Besonderheiten wie Schalter, Seile oder Vorsprünge erkennen, was in Kombination mit markierten Zielpunkten dazu führt, dass man die Abschnitte zu schnell und einfach durchqueren kann.

Aus diesem Grund sollte der Fokus am besten deaktiviert, zumindest aber möglichst wenig genutzt werden. Denn auch ohne ist es, viele Optionen zur Durchquerung hin oder her, nicht gerade schwer, die Unwägbarkeiten der einzelnen Wege mit bloßem Auge zu erkennen. Wer beispielsweise einmal erkannt hat, dass ein Abflussgitter dank Krallenwerkzeug zum Erklimmen von hohen Vorsprüngen genutzt werden kann und dass sich Fallen über herausstehende Steine deaktivieren lassen, wird selbst in den dezent eingestreuten Rätselabschnitten meist auch ohne weiteres Hilfsmittel gut zurecht kommen.

Gute KI, atmosphärische Störungen

Dabei sollten die horizontalen und vertikalen Wege auch tatsächlich genutzt werden, denn der einfache Gang durch die Gassen ist dank einer kompetenten KI nicht selten der schwierigere. So reagieren die Wachen sofort auf Geräusche wie knirschende Glasscherben, trampelnde Schuhsohlen und selbst auf werkelnde Dietriche. Da der mit einem Knüppel bewaffnete Garrett im Nahkampf schnell den Kürzeren zieht, fühlt man sich passend zum Genre und Ansatz von „Thief“ immer wieder dazu genötigt, umsichtig und langsam vorzugehen – gut so!

Thief im Test
Thief im Test

Schade ist aber, dass die Abschnitte insgesamt sehr kleinteilig ausfallen. Das passt zwar zur beklemmenden Stimmung des Settings. Etwas weitläufiger hätten die Gebiete aber ruhig ausfallen können. Hinzu kommt, dass größere Abschnitte fast immer durch Ladebarrieren getrennt sind, sodass man manchmal selbst innerhalb eines Abschnitts von Sub-Bereich zu Sub-Bereich gelotst wird.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft eine Einschränkung der ansonsten stimmigen Atmosphäre: Die Gassen der Stadt werden fast nur von Wachen und vereinzelten Bettlern bevölkert. Logisch lösen die Entwickler diesen Zustand damit, dass eine Ausgangssperre verhängt wurde. Für unseren Geschmack wirkt die Szenerie deswegen aber manchmal etwas steril, auch wenn hervorgehoben werden kann, dass dieser Effekt immer wieder durch einzelne Geschehnisse wie eine mit den Wachen vom Balkon aus schimpfende Frau aufgebrochen werden.

Unlogisches Sammelei, knappe Güter und Vereinfachungen

Trotzdem, ein wenig mehr Leben hätte der Stadt gut getan, zumal ein weiterer damit zusammenhängender Kniff irritiert. So hört Garrett bei seinen Streifzügen über die Dächer immer wieder Dialoge der Bewohner mit, was offenbar der Sterilität entgegenwirken soll. Dieses Instrument wirkt zumindest auf uns eher seltsam, zumal man die Dialoge oft automatisch zu Ende hört, obwohl man sich längst weit entfernt hat.

Unlogisch ist auch, dass die Stadt unter Hunger und Armut leidet, Garrett aber allerorten funkelndes Material unterschiedlichster Ausprägung einsammeln kann. So kann es schon mal passieren, dass man in einer Nische auf zwei ausgemergelte Bettler trifft und nur zwei, drei Meter weiter einen goldenen Becher einsammelt. Die Sammelei ist auch deswegen seltsam, weil sie so vehement an Spiele wie „Assassin's Creed“ erinnert und irgendwie nicht so recht zu einem auf Unikate schielenden Meisterdieb passen will.

Allerdings hat die wilde Sammelei ihren tieferen Sinn, denn irgendwoher muss ja das Geld kommen, das Garrett beim zwielichtigen Händler seiner Wahl in Equipment wie Seil-, Wasser- und Betäubungspfeile sowie allerlei anderes Handwerkszeug für Diebe investieren will. In dieser Hinsicht lässt sich immerhin sagen, dass das Geld häufig knapp ist und man auch selten Pfeile und Equipment findet – eine solche Verknappung tut gut und lässt den Spieler mehrfach überlegen, ob beispielsweise die Verwendung eines Pfeiles wirklich notwendig ist.

Erwähnenswert ist an dieser Stelle außerdem, dass man bei der Inventarisierung sowohl den Konsoleneinfluss als auch eine Vereinfachung bemerkt (wobei fiese Zeitgenossen diese Aspekte gerne und nicht ohne Argumente gleichsetzen). Zum einen unterscheiden die Entwickler nicht, was Garrett einsammelt: Ob goldene Haarbürste, Spiegel oder Kelch – alles wird in Münzen umgerechnet. Außerdem werden die einzelnen Pfeilgattungen und Dinge wie Nahrung zur Aufladung der Gesundheit mehr oder minder automatisch auf eine Taste gelegt; großes Herumspielen im Inventar und mit den Schnellzugriffen ist also nicht möglich.

Gute, aber nicht bahnbrechende Technik

Sieht man von kleineren Clippingfehlern wie einer im Boden steckenden Armbrust ab, macht „Thief“ technisch insgesamt eine gute Figur. Als zweites Mantle-Spiel ist es dabei auch abseits von den spielerischen Aspekten zumindest für AMD-Nutzer interessant. Ein Punkt, dem wir uns separat widmen werden, sobald der notwendige Patch vorliegt. Denn anders als angekündigt hat es Mantle nicht in die Verkaufsversion geschafft.

Thief im Test
Thief im Test
Thief im Test
Thief im Test
Thief im Test
Thief im Test

Eine wegweisende Grafik sollte man trotz aller Ambitionen aber nicht erwarten. „Gut, aber nicht bahnbrechend“, so lässt sich unser visueller Eindruck zusammenfassen. Dafür ist „Thief“ aber auch kein hardwareverspeisendes Monstrum: Auf unserem Testsystem läuft das Spiel bei sehr hohen Details in einer Auflösung von 1920 x 1080 stabil bei 50 bis 60 Bildern pro Sekunde.

In Sachen Sound- und Sprachumsetzung gibt es ebenfalls kaum etwas zu meckern. Die musikalische Untermalung passt sich dynamisch den Geschehnissen an und die Hauptakteure der deutschen Synchronisation überzeugen. Bei den Nebenrollen hätte allerdings deutlich mehr Variation gut getan: Die Stimmen der Wachleute wiederholen sich viel zu oft. Obendrein jammern die Schergen ständig vor sich hin: Ob Zahnschmerzen, Müdigkeit oder Albträume – die Arbeit für den Baron scheint einen hohen Tribut zu fordern.

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