Betrayer im Test: Reise ins Ungewisse mit Ex-Monolith-Veteranen
3/4Betrayer auf einen Blick (Fortsetzung)
Ohnehin spielt in Betrayer das Gehörte eine zentrale Rolle: Während der kontrastreiche Grafikstil zurückhaltend auf die Farbe Rot zur Hervorhebung von Details setzt, sorgt die Tonuntermalung für die nötige Sicherheit im Umgang mit der Spielwelt. So schleichen wir durch hohes Gras, nutzen das Sausen des Windes zur Tarnung unserer Bewegung und sind stets auf unser Gehör angewiesen. Das Klimpern von Rüstung verrät Gegner noch bevor wir sie im schwarz-weißen Dickicht erspähen können. Wichtige Gegenstände, Kisten und Hinweise werden durch audiovisuelle Markierungen kenntlich gemacht. Manchmal sehen wir diese schon aus der Ferne glitzern, doch oftmals müssen wir uns ganz auf unser Gehör verlassen, um sie anhand des entsprechenden Geräusches in der Landschaft ausfindig zu machen.
Gegner reagieren zudem auf Geräusche des Spielers. Selbst wenn dieser Wert auf das leise Meucheln seiner Feinde mittels geräuscharmer Bögen oder Armbrüste legt, kann ihm der Zufall in die Quere kommen. Projektile können von der Rüstung der Gegner lautstark abgefälscht werden, was wiederum weitere Unterstützer in der Umgebung auf den Plan ruft. Wer hingegen keinen Wert auf das Schleichen legt und lieber zur Muskete greift, muss sich auf Feuergefechte in Unterzahl einstellen, weil jeder Gegner in Hörweite zum Ort des Geschehens eilen wird.
Auf eine musikalische Untermalung des Spielgeschehens wurde zu Gunsten atmosphärischer Umgebungsgeräusche verzichtet. In Konjunktion mit dem Schwarz-Weiß-Filter wird dadurch eine unterschwellige Stimmung der Bedrohung und Isolation erzeugt, die von der Atmosphäre an F.E.A.R. erinnert, sich jedoch nicht billiger „jump scare“-Momente bedient. Für Freunde schockender Horror-Spiele dürfte dies womöglich zu wenig sein, alle anderen Spieler profitieren hingegen von einem unbehaglich mulmigen Gefühl während der Detektivarbeit zwischen Dies- und Jenseits. Kopfhörer und ein abgedunkeltes Zimmer sind zur Unterstützung des Effekts jedoch Pflicht.
Aus Sicht des Gameplays bleibt Betrayer jedoch ab dem Moment des ersten Waffenfunds einer bestimmten Gattung auf einer Ebene stehen. Die Entwickler entschieden sich für ein Gegenstands-basiertes Fortschrittssystem, sodass schon relativ früh zu Beginn des Spiels alle Möglichkeiten zur Konfliktlösung mit Gegnern zur Verfügung stehen, sofern sich die entsprechende Waffe im Besitz befindet. Wer einen Waffentypen in der Hand hatte, weiß auch sofort, wie sich seine späteren Nachfolger anfühlen und spielen. Besondere Waffenfunde zeichnen sich ausschließlich durch Detailverbesserungen wie eine geringere Nachladezeit, mehr Schaden oder geringere Ablenk-Chance aus.
Zwar finden sich im Laufe des Spiels diverse Talismane, mit denen sich die Ausrüstung an den eigenen Spielstil anpassen lässt, wirklich stark bemerkbar wirken sich diese jedoch nicht auf das Gameplay aus. So lässt sich beispielsweise mit einem Talisman der Nahkampfschaden erhöhen, was selbst viele der stärksten Gegnertypen mit einem Schlag in die Knie zwingt, andere Talismane wirken sich jedoch lediglich auf weniger wahrnehmbare Attribute wie die Nachladegeschwindigkeit oder die Chance beim Schleichen erkannt zu werden aus. Hier hätte das Spiel von deutlich mehr Vielfalt profitiert. So spaßig das Herumschleichen und Meucheln anfangs erscheint, so schnell stellt sich die Ernüchterung darüber ein, dass sich das Kampfsystem im Laufe des Spiels nicht wirklich weiterentwickelt.
Grob heruntergebrochen lässt sich das Gameplay als eine Schleife aus zwei Elementen beschreiben: Wenn der Spieler nicht die Geschichte der Kolonie und ihrer Einwohner Stück für Stück anhand von Papierfetzen oder anderen Indizien zusammensetzt, kämpft er wahrscheinlich gerade gegen Widersacher im Diesseits oder Jenseits. Überwiegt der ruhige Teil des Hinweise-Suchens in der ersten Hälfte des Spiels, kehrt sich dieses Verhältnis im späteren Verlauf des Spiels um.
Das größte Kompliment, das sich Betrayer machen lässt, kann zudem auch als schwerwiegendster Kritikpunkt ausgelegt werden: Orientierungslosigkeit. Nahmen wir die Orientierungslosigkeit in der ersten Hälfte des Spiels noch als etwas Selbstverständliches und Positives wahr, schließlich befinden wir uns in einer unbekannten Umgebung, so wandelt sich dieser Eindruck in der zweiten Hälfte des Spiels auf dem Weg zum Ende der Geschichte. Aus der Faszination für Details und Einzelheiten rund um die Dorfbewohner wird mit zunehmender Orientierungslosigkeit eine unnötig monotone Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Die begehbare Spielumgebung von Betrayer ist in sieben weitläufige Areale aufgeteilt, die jeweils beim Übertritt von einer Zone in die nächste durch einen kurzen Ladebildschirm unterbrochen werden. In jedem dieser Areale lassen sich bestimmte Hinweise mit Hilfe des übernatürlichen Ohrs aus der Ferne wahrnehmen, sobald die X-Taste gedrückt wird. In der „dunklen Welt“ sind dies schreiende Geräusche der Geister, die als Indikatoren dienen, in welche Richtung sich als nächstes bewegt werden sollte. Das Problem hierbei ist jedoch, dass diese Audio-Indikatoren nur einen Teil der zum Abschluss der Story benötigten Hinweise und relevanten Orte markieren.
Obwohl ein Druck auf die X-Taste unserer Tastatur uns in vermeintlich „erledigten“ Gebieten die Meldung bescherte, dass unser übernatürliches Hilfsmittel keine Geräusche in der Ferne wahrnimmt, waren dennoch einzelne, wichtige Hinweise noch nicht entdeckt worden. Nach knapp zweistündigem Herumirren und sturem „die Karte ablaufen“, fanden wir mit Hilfe des Notizbuches die letzten fehlenden Hinweise, die uns nach insgesamt knapp 10 Stunden Spielzeit den Weg zum Abspann des Spiels verwehrten. An dieser Stelle wären klarer formulierte Hinweise oder eine konsequente und damit intuitivere Verwendung der Audio-Indikatoren dem Spielfluss deutlich zuträglicher gewesen als das Notizbuch nach Gebiets-Einträgen abzuklappern, bei denen der Eintrag „Alle Hinweise gefunden“ oder „Alle Papierfetzen gefunden“ noch fehlt.