Urteilsbegründung gegen Steam-Account-Verkauf
Hinsichtlich des zum 21. Januar 2014 vorerst entschiedenen Rechtsstreits, in dem die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegenüber Valve die in den AGB verankerte Unzulässigkeit des Übertragens von Benutzerkonten anfocht, liegt nun eine ausführliche Begründung seitens des Landgerichts Berlin vor.
In diesem Umstand sah der Verbraucherzentrale Bundesverband eine Benachteiligung der Kunden, da Valve als Betreiber des Online-Dienstes Steam eine Weitergabe des Accounts in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen ausschließt und somit den Nutzern einen etwaigen Verkauf verweigert. Bestärkt sah sich der vzbv durch das „UsedSoft“-Urteil des Europäischen Gerichtshofes, das besagt, dass gebrauchte Software unter bestimmten Voraussetzungen verkauft werden darf. Eine wesentliche Streitfrage war daher, inwieweit dieses Urteil hier anwendbar ist. Das nun im Volltext vorliegende Urteil (PDF) verneint das.
Einerseits brachte der vzbv den Einwand vor, die Steam-AGB würden den urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz verletzen. Dies wurde verneint. Der Auffassung der Richter zufolge bewirkt der Erschöpfungsgrundsatz nicht, dass vom Werk losgelöste Verträge – beispielsweise Wartungsverträge oder eben Benutzerkonten – übertragbar ausgestaltet sein müssen. Hierbei stützt sich die Kammer sowohl auf die Randnummer 66 des Used-Soft-Urteiles als auch auf Folgendes: Steams Tätigkeit beschränke sich nicht auf das reine Inverkehrbringen – wie bei Used-Soft der Fall. Vielmehr treffe Steam gegenüber seinen Kunden eine „fortgesetzte Leistungspflicht“ in Form von Bereitstellung von Servern für Multiplayerspiele, Matchmaking und automatischen Updates. Zudem sei das vom vzbv erworbene Spiel – offenbar ein Multiplayerspiel – im Gegensatz zur Oracle-Software von Used-Soft lokal gar nicht alleine lauffähig. Dies schließe aber eine Anwendbarkeit des Erschöpfungsgrundsatzes aus. Darüber, inwieweit der vzbv erfolgreich gewesen wäre, wenn er wegen offline nutzbarer Spiele vorgegangen wäre, schweigt das Urteil.
Würde zudem nun eine Pflicht zur freien Übertragbarkeit eines Nutzerkontos bestehen, so müsste Steam besagte Leistungen plötzlich an Personen erbringen, die es sich als Vertragspartner nicht aussuchen konnte. Da weder das Urheberrecht noch sonstige Normen hier aber eine Durchbrechung der Privatautonomie vorsehen, besteht so eine Pflicht laut LG Berlin nicht. Das betrifft sowohl den Erwerb über einen physischen Datenträger als auch über Downloads.
Zudem wirft das Landgericht – wohl in Erwartung, dass sich höhere Instanzen mit der Rechtssache ohnehin befassen werden – eine interessante Frage bezüglich des Erschöpfungsgrundsatzes auf. Nach seiner Rechtsansicht genießen komplexe Computerspiele auch als „Filmwerk“ nach §2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG Urheberrechtsschutz. Insofern sei zu klären, ob für ein Greifen der Erschöpfung wie sonst auch bei Filmen „ein körperliches Werkstück“ in Verkehr gebracht werden muss oder ob der Artikel 4 Abs. 2 der Computerrichtlinie (PDF) gilt.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband scheitert somit bereits zum zweiten Mal mit einer Klage gegen Valve. Erst im Jahr 2010 trug der Verband einen ähnlich gelagerten Rechtsstreit vor den Bundesgerichtshof und unterlag. Auf besagtes Urteil nahm die Kammer des LG Berlin in der nun vollständig vorliegenden Entscheidung auch mehrmals Bezug. Damit verneinte sie gleichzeitig eine vom vzbv behauptete Rechtslagenänderung durch die EuGH-Entscheidung aus 2012. Diese behandle in den entscheidenden Punkten andere Aspekte.
Das Urteil selbst ist derzeit nicht rechtskräftig. Es wird erwartet, dass der vzbv das Rechtsmittel der Berufung einlegen wird. Sofern Steam zustimmt und eine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, könnte auch eine – zeitsparende – Sprungrevision an den BGH in Frage kommen.