Justizminister will Vorratsdatenspeicherung stoppen
Mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist nicht nur die EU-Richtlinie, sondern auch der im Koalitionsvertrag vereinbarte Kompromiss über Vorratsdatenspeicherung hinfällig, erklärt Justizminister Heiko Maas (SPD). Das bedeutet: „Es besteht jetzt kein Grund mehr, schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen.“
Ohne die EU-Vorgabe, eine Richtlinie umsetzen zu müssen, drohen auch keine Zwangsgelder mehr. Nun soll das Urteil zunächst sorgfältig analysiert werden. „Dann werden wir mit unserem Koalitionspartner neu über das Thema Vorratsdatenspeicherung reden müssen“, so Maas. Die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung steht also vor einem Neustart, vom Tisch ist die anlasslose Datenspeicherung aber noch nicht.
So erklärt Innenminister Thomas de Maizière, selbst „wenn die Richtlinie selbst nun aufgehoben wurde, hat die Entscheidung aber Gewissheit gebracht, dass das Instrument der Vorratsdatenspeicherung sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich zulässig ist“. Die Maßstäbe der EU-Richter sind nach Ansicht des Innenministers vergleichbar mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgericht.
Trotz des Urteils bezeichnet de Maizière die Vorratsdatenspeicherung als Instrument, dass „dringend zur Aufklärung schwerer Straftaten sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben“ benötigt werde. Nun will der Innenminister darauf drängen, dass sich die Regierung „rasch auf eine kluge, verfassungsgemäße und mehrheitsfähige Neuregelung“ verständigt.
Bürgerrechtler und Netzaktivisten zufrieden
Bei den Verbraucherschutzverbänden teilt man diese Ansicht nicht. „Die Vorratsdatenspeicherung ist unabhängig von der Dauer der Speicherung oder den Zugriffsbefugnissen der Strafverfolgungsbehörden unverhältnismäßig“, sagt Lina Ehrig vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Die Vorratsdatenspeicherung stelle „einen gewaltigen Eingriff in die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte“ dar und verletze das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Dennoch fehle – mit Ausnahme einiger Einzelfälle – nach wie vor der Nachweis, der den Nutzen der Datensammlung belegt. Nun fordern die Verbraucherschützer von der Bundesregierung, auf gesetzliche Regelung zu verzichten und sich auf EU-Ebene für „die völlige Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung einzusetzen“.
Bürgerrechtler und Netzaktivisten vom Verein Digitale Gesellschaft sind derweil zufrieden mit dem Urteil. „Mit seiner Entscheidung schiebt er [der Europäische Gerichtshof] der anlasslosen Massenspeicherung der Kommunikationsdaten von 500 Millionen Menschen in Europa einen Riegel vor“, erklärt Volker Tripp, politischer Referent bei Digitale Gesellschaft. Dass der Gerichtshof den EU-Gesetzgeber nicht zur Nachbesserung der Richtlinie verpflichtet hat, stimmt Tripp optimistisch. So stehe es „in der Sternen, ob es überhaupt zu einem neuen Entwurf kommen wird“.
Zur Geduld mahnt auch der IT-Branchenverband Bitkom. Dass die Bundesregierung nicht vorschnell ein Gesetz verabschiedet hat, habe sich nun bestätigt, sagt Bitkom-Präsident Dieter Kempf. Daher sollte die Regierung „jetzt auch zunächst eine neue, mehr Rechtssicherheit schaffende EU-Richtlinie abwarten“.