Ether One & Fract Osc im Test: Zwei Indie-Adventures. Ein Kontrast.

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Andreas Schnäpp
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Fract Osc auf einen Blick

Schon der erste Aufruf von Fract Osc stimmt den Spieler auf ein komplett anderes Erlebnis ein: Statt statischen Titelbildschirms wirft uns eine Kamerafahrt direkt vorbei am hell leuchtenden Schriftzug des Spiels auf eine erste Plattform, die in zwei Ebenen unterteilt ist: Oben ein zu diesem Zeitpunkt noch nicht funktionierendes Musikstudio, unten ein dreifarbiger Schalter, der beim Anklicken eine Tür aus dem Boden fahren lässt und uns in eine graue Landschaft teleportiert.

Fract Osc im Test

In puncto Steuerung gibt es an dieser Stelle nicht viel Neues zu lernen: Wie schon in Ether One beschränkt sich auch Fract Osc auf die bei Spielen aus der Ego-Perspektive übliche Fortbewegung mittels Tastatur und Maus. Schon wenige Momente später rückt die Steuerung jedoch komplett in den Hintergrund unserer Wahrnehmung, denn die Umgebung reagiert sicht- und hörbar auf unsere Anwesenheit. Es surrt und brummt – mit jedem weiteren Schritt in Richtung der ersten Tutorialschalter macht uns das Spiel audiovisuell darauf aufmerksam, dass wir uns der richtigen Stelle nähern. Vor unseren Augen setzen sich Teile des Bodens plötzlich zu neuen Formen zusammen. Um uns herum ist ein Tunnel entstanden, der nach dem Betätigen des Schalters plötzlich neongrün wird und Melodien freigibt.

Auch Fract Osc setzt auf nur minimales Händchenhalten: Sobald dem Spieler die Steuerung klar geworden ist, wird er auf die große, offene Spielwelt und ihre darin verborgenen Geheimnisse losgelassen. Unterteilt ist die Welt in drei farblich markierte Zonen, die jeweils für bestimmte Bauteile eines Synthesizers stehen. Beim Wandern durch die anfangs karge Landschaft stößt der Spieler auf diverse Maschinen und Gerätschaften, die oft nur auf den zweiten Blick Sinn ergeben. Ein Klick mit der rechten Maustaste verrät dabei, ob der Spieler mit den vorgefundenen fremdartigen Objekten interagieren kann oder sich den Ort lieber für einen späteren Besuch vormerken sollte.

In erster Linie geht es bei Fract Osc um das audiovisuelle Erlebnis bei der Erkundung einer faszinierend fremden Umgebung. In Grundzügen lässt sich das Gameplay von Fract Osc dabei mit dem 2013 veröffentlichten Open-World-Adventure Proteus vergleichen, das die Sinneseindrücke auf eine ähnlich hohe Stufe hebt, wie das von uns getestete Debütwerk aus dem Hause Phosfiend Systems. Demnach lässt sich der Spieler ohne vorgegebene Narrative von seinen Sinneseindrücken treiben: Riesige Türme, die in der Ferne herausragen, können ebenso wie aufleuchtende Wegmarkierungen und schallende Kristalle bedeuten, dass sich ein Ausflug in die entsprechende Richtung lohnen könnte.

Fract Osc

Im Hinblick auf die Puzzles gibt sich Fract Osc nicht ansatzweise so anspruchsvoll wie die in Ether One vorgefundenen Rätsel. Während sie in Ether One dazu dienen, die Story um weitere Facetten zu erweitern, geben die Denkaufgaben in Fract Osc dem Spieler einen weiteren Grund, sich musikalisch mit der Umgebung und dem stimmungsvollen Soundtrack auseinanderzusetzen. So wird dem Spieler ausreichend Freiraum für eigene Lösungswege gelassen, um frustrationsfrei mit der Spielumgebung zu musizieren. Wie schon eingangs im Vorwort erwähnt, ist jedes gelöste Rätsel zugleich auch ein weiterer Schritt zur Vollendung des eigenen Musikstudios.

Fract Osc

Nach grob vier bis sechs Stunden Spielzeit dürfte ein Großteil der Spieler die Credits von Fract Osc zu Gesicht bekommen – knapp doppelt so lange saßen wir an der Lösung aller Rätsel in Ether One inklusive beider Enden. Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist jedoch unter diesem Gesichtspunkt die Langzeitmotivation: Musikalisch interessierte Spieler, die mit elektronischer Musik experimentieren wollen, bekommen mit Fract Osc einen spielerischen Zugang zum Musikinstrument Synthesizer und können so noch viele zusätzliche Stunden Spielzeit aus Fract Osc herauskitzeln.

Zudem können eigene Lieder auch exportiert und getauscht oder beispielsweise bei YouTube hochgeladen werden. Eine kleine Starthilfe bei der Komposition des ersten eigenen Lieds stellen die Entwickler selbst in Form des folgenden zwölfminütigen Videos zur Verfügung: