Multiplayer-Survival-Shooter „Nether“ im Test: DayZ im Visier
2/3Nether auf einen Blick
Zu einem Survival-Shooter gehört zwingend, dass es einen triftigen Grund dafür gibt, warum das im Alltag völlig normale und damit nebensächliche Überleben plötzlich so sehr im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Eine Katastrophe oder zumindest eine Bedrohung muss also her, wobei traditionell eine Verbindung von beidem die ideale Grundlage darstellt.
Insofern wäre es übertrieben, „Nether“ den Vorwurf zu machen, dass es sich beim Setting großzügig bei der Konkurrenz bedient. Natürlich muss die Welt auch hier von einem schlimmen Zwischenfall heimgesucht worden sein, und natürlich müssen sich die Überlebenden auch in diesem Fall mit den grundlegenden Zutaten eines solchen Zwischenfalls konfrontiert sehen. Als da wären: Gefahr, Notstand und Unterversorgung.
Und so entlässt „Nether“ den Spieler in eine demolierte Stadt, die von verwaisten Straßenzügen, heruntergekommenen Gassen, Autowracks, Leichen und Müllbeuteln gekennzeichnet ist. Ganz klar: Hier ist etwas Schlimmes passiert.
Bekanntes Gameplay
Schleicht der Spieler durch die Gassen, lässt sich auch schnell erkennen, was passiert ist: Alle paar Blocks sind seltsame, dämonenhafte, übernatürliche Wesen anzutreffen, die einem je nach Gattung mit allerlei fiesen Tricks und Kniffen zusetzen, bis der Charakter des Spielers den natürlichen Endpunkt eines Survival-Shooters erreicht hat: den Tod.
Auch hier kann man großzügig darüber hinwegsehen, dass „Nether“ bei den Schulkameraden abschreibt. Aus „Zombie“ mache „eine Sorte Alien“ – und fertig ist die Brut, die die Menschheit ausrotten will.
Problematisch ist allerdings, dass sich der Titel auch aus der wichtigsten Perspektive, bei den Spielmechaniken, kaum merklich vom Genrestandard entfernt. Natürlich muss es auch bei „Nether“ ganz einfach darum gehen, zu überleben. Auf der anderen Seite ist damit aber nur die Metaebene des Spiels bezeichnet, unterhalb derer die Entwickler sich theoretisch im Kleinen durchaus austoben dürfen. Das aber unterbleibt, sodass sich „Nether“ im Vergleich zu seinen großen Brüdern erst mal nicht besonders frisch anfühlt.
Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass der Titel langweilig wäre. Auch hier zieht uns der Thrill des Überlebens sofort in seinen Bann: Leise schleichen wir durchs hohe Gras eines ehemals breiten und nun zugewucherten Highways, erklimmen auf der Jagd nach Gegenständen höchste Gebäude und wagen uns entgegen aller Intuition selbst in die kurzen U-Bahn-Abschnitte der Stadt, um nach Verwertbarem zu suchen. Dabei geht es nicht nur darum, die Bestandteile von Waffen oder Nützliches wie Taschenlampen und Munition zu finden. Auch Chips, Riegel und Wasserflaschen sind essentiell, da der Charakter mit der Zeit hungrig wird – und stirbt, falls keine Flüssigkeit und Kalorien zugeführt werden.
Kämpfe, Aufträge und Save Zones
Nebenbei gilt es nicht nur, die fiesen Kreaturen der Spielwelt zu umgehen, sondern sich auch auf die menschlichen Mitspieler einzustellen. Bis zu 64 können sich auf einem Server zusammenfinden, was in den allermeisten Gebieten bedeutet: Es laufen 63 Charaktere herum, die mit allergrößter Wahrscheinlichkeit alles daran setzen werden, um an den Inhalt deines Rucksacks zu kommen.
„Nether“ bietet neben PvE- also selbstverständlich auch PvP-Elemente, wobei in beiden Fällen noch eine deutlichere Strukturierung durch das Gameplay fehlt: Bisher wirkt in der Beta alles reichlich lose.
So gibt es zwar Allianzen, denen man gegen ein wenig Bares auch ohne Weiteres beitreten kann; ein effektiver Einfluss dieses Elements lässt sich bisher aber noch nicht erkennen, auch wenn die Idee klar ist: Im Idealfall werden sich eines Tages Spielergemeinschaften rund um die Fraktionen bilden, die dann im Team um die Hoheit über die einzelnen Bereiche der Karte Kriege führen werden. Bisher führt der Beitritt zu einer Fraktion aber nur dazu, dass ein Spieler derselben Fraktion einen eventuell nicht (sofort) erschießen wird.
Ähnlich ins Leere laufen die Events und optionalen Aufträge, die immer mal wieder an die Spieler eines Servers herangetragen werden. So passiert es, dass sich einige garstige Kreaturen an einem bestimmten Ort zusammenrotten, was ein eingespieltes Team zur Jagd nach Erfahrungspunkten und Gegenständen einlädt. Außerdem poppen immer mal wieder Eskortmissionen auf der Karte auf, bei denen man einen Kasten von A nach B transportieren kann und bei Erfolg fürstlich belohnt wird. (Von solchen Aufträgen sollte man ohne Beistand aber absehen, da der Kasten die Kreaturen der Spielwelt magisch anzieht und während des Transports keine Waffen genutzt werden können, sodass man schnell zum Freiwild für alle Schurken der Stadt wird).
Zielführender, weil fast alle Spieler eines Server betreffend, sind da schon die Überfälle, die „Nether“-Kreaturen regelmäßig auf die sogenannten „Save Zones“ starten. „Save Zones“? Ja, „Save Zones“! So richtig „hardcore“ ist „Nether“ nämlich nicht, da es Gebiete gibt, in denen der Spieler vor übernatürlichen und menschlichen Gegnern überwiegend sicher ist. In diesen Zonen finden sich unabhängige Händler und solche der Fraktionen, sodass hier – sofern nicht gerade einer der besagten Angriffe läuft, für die sich die „Bewohner“ der Zonen kurzzeitig verbünden müssen – in Ruhe gehandelt, gecraftet und ausgeruht werden kann.
Freunde des Genres werden die Zonen verdammen. Sie nehmender Spielatmosphäre viel von ihrer Bedrohlichkeit, da es immer einen sicheren Hafen gibt, den der Spieler im Fall des Falles ansteuern kann.
Einfache, aber gute Charakterentwicklung
Diese Vereinfachung irritiert, weil „Nether“ ansonsten hart bleibt. So gilt nach der absolut rudimentären Charaktererstellung wie in anderen Spiele des Genres: Stirbt man, sind alle Errungenschaften futsch – und man beginnt bei Null.
Dies bezieht sich nicht nur auf das Inventar, sondern auch auf die Fähigkeiten des Charakters. In dieser Hinsicht präsentieren die Entwickler ein einfaches, aber gutes System, bei dem vor allem über Abschüsse erlangte Erfahrungspunkte in Eigenschaftenbäume investiert werden können, die den Charakter beispielsweise geräuschlos laufen lassen, einen Nahkampfblock ermöglichen oder den Umgang mit Waffen verfeinern.
Verlässt man den Server lebend, sollte der Charakter eigentlich abgespeichert werden. Dies geschah allerdings öfter nicht, womit die technische Seite von „Nether“ angesprochen wäre.
Buglastige Technik
In dieser Hinsicht lässt sich zunächst sagen, dass die Entwickler im Ansatz eine stimmige Spielwelt präsentieren, in der viele Gebäude horizontal und vertikal zugänglich sind. Bisher ist nur rund ein Sechstel der Spielwelt freigeschaltet, wobei mehr als die Hälfte von einem weniger spannenden Sumpfgebiet eingenommen wird. Sollte eines Tages tatsächlich die komplette, auf der Karte bereits eingetragene Spielwelt freigeschaltet werden, wäre „Nether“ riesig, was die Frage aufwirft, ob ein Maximum von 64 Spielern pro Server ausreicht.
Basierend auf der Unreal Engine 3, wirkt der Titel in manchen Momenten atmosphärisch, häufig aber auch etwas leblos und eintönig. Hinzu kommt, dass man immer wieder über kleine Problemzonen wie Clipping-Fehler, verfranste Schatten und aufpoppende Elemente stolpert.
Die Fehlerliste ist auch in anderer Hinsicht noch recht umfangreich. Wenn möglich, sollte zum Beispiel unbedingt vermieden werden, eine der vielen Feuerleitern zu benutzen. Ständig passierte es uns, dass wir dort hängenblieben und irgendwann ohne erkennbaren Grund in den Tod stürzten. Außerdem stürzte „Nether“ im Test wiederholt ab, wenn wir uns aus einem Spiel ausklinken wollten.
Darüber hinaus hat „Nether“ wie viele Open-World-Spiele mit der Performance zu kämpfen. Auf unserem Testsystem lief der Titel unter maximalen Details und in einer Auflösung von 1920 × 1080 immerhin mindestens mit 30 Bildern pro Sekunde. Drastische FPS-Einbrüche sorgten aber immer wieder dafür, dass wir uns hart an der Grenze zur Unspielbarkeit bewegten und letztlich auf eine niedrigere Auflösung wechselten.
Erwähnenswert ist zudem, das bisher kein Anti-Cheat-System integriert wurde, was erklärt, weswegen viele Spieler über Cheater klagen. Uns ist bisher kein offensichtlicher Schummler begegnet, doch sind angeblich schon Speed- und Wallhacks sowie kleinere „Gimmicks“ wie ein Feindradar im Umlauf.
Bei den Sounds gibt sich „Nether“ spärlich, was aber kein Problem ist. Gesprochene Sprache gibt es nicht, dafür passen die Geräusche der Umgebung und die ab und an aufflackernde, düstere Vertonung wunderbar.