Leistungsschutzrecht: VG Media klagt gegen Google
Nun wird das Leistungsschutzrecht also doch noch ein Fall für die Gerichte. Die VG Media, die als Verwertungsgesellschaft die Rechte einiger Presseverlage vertritt, hat eine Klage gegen Google angekündigt. Der Suchmaschinenbetreiber soll Lizenzgebühren für Textausschnitte zahlen, die bei Google News angezeigt werden.
VG Media bezeichnet die Klage als „notwendigen Schritte zur Durchsetzung des Rechts“, da Vertreter von Google auch öffentlich erklärt hätten, für das Leistungsschutzrecht keine Lizenzgebühren zahlen zu wollen. Angebote der VG Media zur Verhandlung habe Google ebenfalls nicht angenommen.
Die Sichtweise der VG Media lautet dabei: „Der Gesetzgeber hatte mit Wirkung zum 1. August 2013 den Presseverlegern ein Leistungsschutzrecht gewährt und ausdrücklich festgestellt, dass dieses Leistungsschutzrecht von Suchmaschinen sowie anderen Diensten gewerblich verwertet wird und daher angemessen zu vergüten sei.“ So sollen Presseverlage künftig eine Vergütung von Internetkonzernen verlangen können, die sich eine „verlegerische Leistung für ihre eigenen Geschäftsmodelle nachhaltig zunutze machen“, sagte Michael Tenbusch, Geschäftsführer der Burda Broadcast Media GmbH und stellvertretender Beiratsvorsitzender der VG Media.
Für Tenbusch ist der Fall eindeutig: Zahlen müssen „gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten.“ Das Gesetz betreffe in erster Linie die „derzeit aktiven Anbieter, wie z. B. Google, Microsoft und Yahoo“.
Der Haken an der Sache: Ganz so eindeutig wie von der VG Media ausgelegt ist das Leistungsschutzrecht nicht. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Ob Google überhaupt Lizenzgebühren zahlen muss, hängt in erster Linie von zwei strittigen Punkten ab, für die schlicht noch keine klare Antwort existiert.
Ist Google vom Leistungsschutzrecht überhaupt betroffen?
Das Leistungsschutzrecht schützt zwar die auf den Online-Plattformen der Presseverlage veröffentlichten Artikel, allerdings besteht eine Ausnahme für „einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte“. Solange ein kommerzieller Suchmaschinenanbieter wie Google also nur „kleinste Textausschnitte“ nutzt, spielt das Leistungsschutzrecht keine Rolle. Die Frage lautet nun: Handelt es sich bei den Anreißertexten („Snippets“), die Google News aus den Online-Artikeln der Presseverlage übernimmt, um „kleinste Textausschnitte“ oder nicht.
Der laut VG Media so eindeutig formulierende Gesetzgeber hat sich an dieser Stelle allerdings nicht festgelegt. Denn das Urheberrecht kennt den Begriff „kleinste“ bislang nicht und eine konkrete Zeichenzahl wurde auch nicht genannt. Stattdessen verweist das Gesetz auf das Bildersuche-Urteil des Bundesgerichtshofs. Demnach sind „kleinste Textausschnitte“ das Äquivalent von Thumbnails zu Bildern.
Was plausibel wirkt, ist im Streit zwischen Google und den Presseverlagen jedoch keine Lösung. Letztlich müssen also Gerichte klären, ob die in Google News genutzten Textausschnitte unter das Leistungsschutzrecht fallen. Und damit auch, ob Google überhaupt lizenzpflichtig ist.
Googles Marktmacht und die Verlage: Eine Frage des Kartellrechts
Selbst wenn der Streit um die „kleinsten Textausschnitte“ zugunsten der Verlage entschieden wird, sind diese aber immer noch nicht am Ziel, weil Google inzwischen reagiert hat. Jede Nachrichten-Webseite, die Artikel in Google News platzieren will, muss zunächst in einer Einverständniserklärung zustimmen, dass die Inhalte unentgeltlich aufgenommen werden. Für diejenigen unter den Presseverlegern, die sich vom Leistungsschutzrecht einst eine Art Google-Steuer erhofft hatten, gleicht das einer Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder verzichtet man auf potentielle Ansprüche für Lizenzgebühren oder auf die Leser, die Google den Web-Angeboten der Verlage verschafft. Und das sind schlicht zu viele, denn bei klassischen Nachrichten-Webseiten greifen in der Regel zwischen 25 und 45 Prozent der Besucher über Suchmaschinen auf die Webseite zu. Das zeigen etwa aktuelle Zahlen von „Netzökonom“-Blogger Holger Schmidt.
In der Statistik ist zwar allgemein von „Suche“ die Rede, allerdings dominiert Google hierzulande das Suchmaschinengeschäft mit einem Marktanteil von über 90 Prozent. Im Alltag bedeutet das: Wer nicht bei Google auftaucht, wird im Netz nicht gefunden. Dementsprechend konzentrieren sich die Beschwerden der Verlage auch auf Google und nicht auf Anbieter wie Yahoo oder Microsoft. Allerdings ist es auch diese marktbeherrschende Stellung, die Google im Streit mit den Presseverlagen zum Verhängnis werden kann. Laut Wettbewerbsrecht dürfen marktbeherrschende Anbieter (§ 19 Abs. 4 GWB) andere Unternehmen nicht „ohne sachlich gerechtfertigten Grund“ beeinträchtigen. Daher kann Google auch nicht beliebig die Suchergebnisse filtern, ohne die Wettbewerbshüter auf den Plan zu rufen – wie etwa die laufenden EU-Verfahren verdeutlichen.
Im Fall des Leistungsschutzrechts ist nun entscheidend, ob Google die dominante Position missbraucht, um die Lizenzansprüche der Presseverlage auszuhebeln. Aufgrund der zahlreichen Widersprüche im Gesetz existiert allerdings keine einfache Antwort – unabhängig davon, ob Gerichte die Frage mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten. „In beiden Fällen lauern gewichtige kartellrechtliche Fallstricke“, hat der Jurist Fritz Pieper bereits im Januar 2013 auf der Juristenplattform Telemedicus beschrieben. Demnach geht es im Kern um die Frage:
Ist die gesetzliche Notwendigkeit, Lizenzgeld zu zahlen, ein „sachlich gerechtfertigter Grund“, um Verlagsseiten zu filtern?
Fritz Pieper
Widerspruchsfrei lässt sich die Frage weder bejahen noch verneinen. Ein „Nein“ wäre denkbar, wenn Gerichte es als Verstoß gegen das Kartellrecht bewerten, wenn Google einzelne oder alle Presseverlage aus dem Google-Index entfernt. Rechtlich wäre das aber reichlich skurril. So erklärt Pieper: „Wenn Google urheberrechtlich faktisch zunächst untersagt wird, bestimmte Ergebnisse anzuzeigen, kann das Kartellrecht dann das Filtern sanktionieren?“ Damit würde Google praktisch verpflichtet werden, Lizenzgebühren an die Presseverlage zu zahlen. Immerhin: Begründet werden könnte diese Auslegung mit den öffentlichen Äußerungen der Bundesregierung. Diese verfolgte mit dem Leistungsschutzrecht offiziell das Ziel, die Presseverlage an den Umsätzen von Google zu beteiligen.
Der Haken an der Sache ist allerdings, dass die öffentlichen Aussagen nicht zum Inhalt des Gesetzes passen. Telemedicus-Mitbegründer Adrian Schneider hat letztes Jahr im Interview mit ComputerBase erklärt: „Das Leistungsschutzrecht sieht ja gerade ein Verbotsrecht und keinen Teilhabeanspruch vor. Google soll also gerade nicht zahlen, sondern die Nutzung unterlassen.“ Daraus ergibt sich: „Würde man Google also nun zu Lizenzzahlungen zwingen, würde man Google in die Illegalität treiben. Denn Google würde kartellrechtlich gezwungen, Verlagswerke zu nutzen, obwohl es urheberrechtlich untersagt ist.“
Nichtsdestotrotz wären „einige Argumente“ von Fritz Pieper „nicht von der Hand zu weisen“, so Schneider. Sein Fazit: „Hier besteht also enormes Streitpotenzial.“ Und wie die Gerichte letztlich entscheiden, lässt sich praktisch nicht prognostizieren.
Google sieht Verfahren entspannt entgegen
Zuständig für die Klage ist zunächst die Schiedsstelle für Urheberrechtsangelegenheiten beim Deutschen Patent- und Markenamt. Google gibt sich derweil entspannt. Jeder Verlag könne seit jeher selbst entscheiden, ob Inhalte über Dienste von Google angezeigt werden sollen. „Wir sind überzeugt, dass unsere Angebote mit dem Leistungsschutzrecht in Einklang stehen“, sagt Google-Sprecher Kay Oberbeck laut einem Bericht von heise online.
Zu denen Presseverlagen, die an der VG Media beteiligt sind, zählen unter anderem der Springer Verlag, Burda, Funke und M. DuMont Schauberg. Einige Verlage und Online-Portale haben aber bereits erklärt, auf Ansprüche für das Leistungsschutzrecht verzichten zu wollen. Neben Spiegel-Online zählen dazu etwa die Web-Angebote der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dem Handelsblatt, dem Stern sowie Heise Online. Focus Online und Huffington Post lassen sich ebenfalls nicht durch die VG Media vertreten, obwohl beide Online-Angebote zum Verlag Burda zählen.