„Wir waren all in“: Details zur Krise bei Crytek
Nachdem Crytek die finanzielle Krise der letzten Monate, zu der immer mehr Details durchgesickert waren, überwinden konnte, äußert sich CEO Cevat Yerli nun ausführlich zu den zahlreichen Berichten und dem Verkauf von Homefront: The Revolution.
Sowohl die Probleme der letzten Zeit als auch der Verkauf von Homefront sind Teil des langfristigen Wandels eines Anbieters von Retail-Spielen hin zu einem Unternehmen, das Spiele als Dienstleistung anbietet, sagte Yerli Eurogamer. Dieser Wandel könne nicht in einem Schritt vollzogen werden, die dafür nötigen finanziellen Ressourcen habe man schlicht unterschätzt, sie stünden nun jedoch zur Verfügung.
Auf die Frage, ob das schnelle Wachstum von Crytek ein Fehler gewesen sei, verwies Yerli darauf, dass sich derartige Zuschreibungen retrospektiv immer einfach tätigen ließen. Er würde dieselben Entscheidungen „auf leicht andere Art und Weise“ jedoch wieder machen. Sich jetzt zu „fokussieren“ erlaube es jedoch, „sicherzustellen, dass wir eine starke Grundlage haben, anstatt uns in Abhängigkeit von zukünftigem Erfolg zu begeben“.
Treffe ich die besten Entscheidungen? Es gibt mit Sicherheit Raum für Verbesserungen. Können wir mehr lernen? Sicherlich. Jeden Tag versuchen wir uns zu verbessern.
Cevat Yerli
Den Verkauf von Homefront an Deep Silver nannte Yerli eine „win/win-Situation für alle“. Er erlaube es, die Aufmerksamkeit vollständig auf das Free-to-Play-Portfolio zu richten und den Wandel des Unternehmens zu beschleunigen. Weitere Spiele, etwa Crysis 4, sind möglich, derzeit sei Crytek aber mit den bereits angekündigten Spielen Warface, Arena of Fate und Hunt vollständig ausgelastet. Dies gelte auch für die Timesplitteres-Serie, deren Rechte Crytek weiterhin besitzt. Man habe ein paar Ideen, für die „die Zeit noch nicht gekommen ist“. Für das Schrumpfen des in Austin beheimateten Studios nennt Yerli zwar auch die dortige Konstenstruktur als Grund, allerdings stünden durch die Verlagerung der Entwicklung von Hunt „dichter ans Mutterschiff“ mehr Ressourcen zur Verfügung, die finanzielle Seite sei nur ein Aspekt der Entscheidung gewesen.
Yerli betonte, dass der Verkauf von Homefront an Koch Media respektive Deep Silver nicht nötig gewesen sei: „Wir mussten unser Unternehmen nicht verkleinern. Vielleicht kam das nicht 'rüber“. Die Verkleinerung des Unternehmens von rund 950 auf 700 Mitarbeiter erlaube es durch Optimierungen, effektiver und zielorientierter am Wandel des Unternehmens zu arbeiten. „Es war ein strategisches Geschäft, um uns zu fokussieren“, erklärte Yerli den Verkauf des als klassischen Retail-Spiels konzipierten Shooters. „Ich kann verstehen, dass es diese Ansicht [dass der Verkauf finanziell notwendig war, Anm. d. Red.] gibt, aber das ist garantiert nicht der Fall“. Ausreichende Summen seien durch eine Umsatzbeteiligung in das Unternehmen geflossen.
Für die Umstrukturierung von Crytek respektive die Rettung aus der Krise sei schlicht Zeit benötigt worden. „Wir haben gesagt, dass das Unternehmen keinem großen Risiko ausgesetzt ist, keiner Gefahr“ – Nahe an der Insolvenz sei Crytek für Yerli nie gewesen. Anders als bei anderen Studios besitze das Unternehmen „eine Menge Substanz“ und sei nun „absolut“ sicher. Zahlungen verzögert zu leisten nannte Yerli die bessere von zwei schlechten Optionen für Crytek; die Alternative sei gewesen, Einnahmen direkt an Studios weiterzuleiten und Insolvenz anzumelden. Die Verzögerungen habe man den Mitarbeitern allerdings angekündigt und erklärt, man könne entweder Mitarbeiter entlassen und den Rest bezahlen oder aktuell nicht zahlen zu können und zusammenzustehen.
Die Entscheidung sei zugunsten des Teams gefallen und das habe bei einer Mehrheit Anklang gefunden. Entlassungen sind keine Möglichkeit gewesen, „weil wir alle als Team zusammenhalten wollten“, betont Yerli. Er bestätigte erneut, dass alle ausstehenden Summen inklusive eines Bonus für die Unannehmlichkeiten „wie versprochen“ beglichen wurden. Mitarbeiter würden fair behandelt, auch zu Zeiten von „Crunch“. „Nein, wir machen keine unbezahlten Sachen. Niemals. Wir bieten immer Boni oder zusätzliche Urlaubstage an“. Zudem habe man selbst kein Gehalt erhalten eigenes Geld in das Unternehmen gesteckt „so viel wie wir konnten“, so der CEO, „wir waren all in“.
Wenn ich in der Vergangenheit etwas gesagt habe, das arrogant gewirkt hat, liegt das vielleicht daran dass ich die Sprache nicht nativ spreche. Aber ich will keine Menschen verletzen. Ich beabsichtige nur das Beste für Menschen.
Cevat Yerli
Verärgert gewesen sei nur eine kleine Anzahl der Angestellten. Das Gerücht, Mitarbeitern erklärt zu haben, sie könnten „glücklich sein bezahlt zu werden“, weist Yerli dabei zurück. „Wenn man so arrogant wäre, dann wäre man nicht für 15 Jahre in dieser Branche. Und Menschen wären nicht loyal zu uns“. Manche Erwartungen der Angestellten seien schlicht nicht realistisch, Crytek könne etwa keine Details oder Hintergründe zu Zahlungsströmen und Geschäften offenlegen. Auf derartige Interna habe selbst der Investor keinen Zugriff. Auch könne es für Mitarbeiter schwer nachvollziehbar sein, was in anderen Studios vor sich gehe, denn „interne Kommunikation ist eine Herausforderung“, die meisten Angestellten würden sich aber auf ihr eigenes Projekt konzentrieren anstatt herausfinden zu wollen, „was die anderen machen“.
Insgesamt gebe es noch „eine Menge Raum für Verbesserungen, aber wir lernen gerade eine Menge“, so Yerli, denn Crytek „sei bei weitem nicht perfekt“. Künftig gehe es jedoch wieder bergauf, da die „Schmerzen des Wachstums“ nicht mehr wiederkehren würden und man zahlreiche Lektionen gelernt habe.
Außerdem äußerte sich Yerli zu Warface im speziellen sowie der konkreten Free-to-Play-Strategie. Für das Unternehmen ist Warface demnach bereits erfolgreich. Die Version in Russland habe die Probleme, mit denen etwa die an europäische Bedürfnisse angepasste Variante des Shooters zu kämpfen habe, bereits vor anderthalb Jahren hinter sich gelassen – und sei danach zu einem Hit geworden. Sobald dies auch hier der Fall sei und man anbieten könne, was Spieler respektive die Zielgruppen wollen, werde Warface in Europa ebenfalls ein großes Spiel, Crytek befinde sich weiter im Lernprozess. Dies werde nur eine Frage der Zeit sein, denn „wir werden machen was immer nötig ist“, um diesen Status zu erreichen. Dieser ist den Vorstellungen von Crytek von einem Free-to-Play-Spiel verknüpft, den Yerli mit einem Hobby vergleicht.
Man kann gehen, rennen, joggen, und es ist alles gratis. Wenn man wirklich besser in seinem Hobby werden möchte, wenn man es in ein Hobby verwandelt, dann beginnt man mit seiner eigenen Geschwindigkeit Geld auszugeben. Man verwandelt sein Hobby in einen Lebensstil. Und man teilt ihn mit seinen Freunden.
Cevat Yerli
Schritt für Schritt arbeitet das Studio deshalb daran, Warface in ein Hobby zu verwandeln, für das Menschen mit individueller Geschwindigkeit Geld ausgeben und bei dem sie sich gut fühlen. Darin verbessere sich das Studio „signifikant“. Mit der Zeit soll aus dem grafisch noch etwas unspektakulären Warface außerdem eine „High-End-Erfahrung werden, die auf High-End-Spieler zielt, so wie bei allen Spielen, die wir machen.“ Es gehe stets darum, Free to Play und Qualität zu verbinden. Ein Spiel solle „nicht versuchen, ständig etwas zu verkaufen“, denn auch bei Crytek wolle niemand „ein Ladengeschäft spielen“.