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Spieleklone: „Jeder leiht von jedem etwas in dieser Industrie“

Andreas Schnäpp
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Spieleklone: „Jeder leiht von jedem etwas in dieser Industrie“

Fredrik Wester, leitender Geschäftsführer bei Paradox Interactive, hielt im Rahmen der GDC Europe in Köln einen Vortrag zum Thema „Clash of Clones: The Importance of Standing Out“ und gewährte damit einen tiefen Einblick in die Firmenstrategie und -Philosophie des schwedischen Entwicklerstudios und Publishers.

Das Phänomen der Spielklone sei so alt wie die Videospielindustrie selbst, so Wester. Das erste Spiel, dem das Klauen vorgeworfen wurde, war Pong aus dem Jahr 1972 von Atari. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Sich etwas von anderen zu borgen, sei laut Wester schließlich eine „Abkürzung zu akzeptiertem Gameplay“ oder Spielkonzepten. Gleichermaßen gibt es Spiele, die sich selbst als „inspiriert von ...“ oder als geistiger Nachfolger einer Spielserie sehen. Dass dies keineswegs ein Problem darstellt, wird aus der Bezeichnung selbst ersichtlich: Geistige Nachfolger kümmern sich um eine „zurückgelassene Zielgruppe“ („abandoned audience“), indem sie die dadurch verursachte Lücke mit etwas Neuem füllen.

Das Phänomen bringt auf Seite der Hersteller weitere Vorteile mit sich. So wissen Entwickler zwar direkt, wie groß der angestrebte Absatzmarkt ist und könnten auf ein erprobtes Gamedesign und damit verbundene Messlatten für Qualität zurückgreifen, andererseits sehen sie sich Herausforderungen im PR-Kontext ausgesetzt. So stehe die Grundfrage im Raum, nach welchen Spielen sich die Presse überhaupt sehnt. Wester dazu: „Die Presse sagt, sie wollen neue Spiele, aber eigentlich sind sie ziemlich nostalgisch“. Gleichermaßen ist die Zielgruppe viel fordernder als bei komplett neuen Spielerlebnissen.

Negative Wahrnehmung sei weniger ein Thema bei „low engagement target audiences“, so Wester. Diese Kategorie von Nutzern wird im Videospielekontext üblicherweise für Wenig-Spieler verwendet, die sich nicht über Spiele informieren und diese überhaupt nur spielen, um Zeit totzuschlagen. Ebenfalls kein Problem mit negativer Wahrnehmung scheinen komplett unterversorgte Nischen zu bereiten. Wester dazu: „You all know what happened with SimCity“ – hätte sich der neueste SimCity-Ableger durchgesetzt, wäre die Nische der Stadtbausimulationen gesättigt gewesen, doch stattdessen ist sie nun wieder für alle zugänglich. Ein Wink mit dem Zaunpfahl gab Wester den anwesenden Entwicklern mit: „Wenn ihr ein Weltraumspiel machen wollt, solltet ihr es noch vor 2016 veröffentlichen“. Der schwarmfinanzierte Genre-Hoffnungsträger Star Citizen wird in diesem Zeitraum erwartet.

Enge Kundenbindung als Alleinstellungsmerkmal

Entwickler hätten verschiedene Möglichkeiten, um in unterschiedlichen Bereichen mit ihrem Spiel aus der Masse der Klone herauszustechen. Im Fall des Gamedesigns über besonders einprägsame Charaktere sowie Art- und Leveldesign. Beim Marketing hingegen wies Wester darauf hin, dass dies nicht unbedingt teuer sein muss. Im Fall von Leviathan Warships hat der „Jazzy Trailer with Jazz Boatman“ nur 500 US-Dollar in der Produktion gekostet und erreichte über eine Million Klicks. Der billigste Trailer war damit zugleich auch der meistgesehenste der Firmengeschichte.

Zwar könne man im Hinblick auf Technik versuchen, sich zu profilieren. Doch Westers Einschätzung zu diesem Bereich ist gerade für viele kleinere Entwickler keine Neuigkeit: „Die großen Studios werden das Rennen immer gewinnen“. Viel eher sollten sich Entwickler darauf konzentrieren, ihre Business-Strategie entsprechend auszurichten: Dies könne man im Umgang mit DLCs nach außen hin zeigen oder im Kontakt mit den Kunden und den Versprechen, die man ihnen gibt.

Als Negativbeispiel erwähnte Wester, dass einer der Entwickler bei Paradox Interactive im hauseigenen Forum auf Beiträge von Nutzern mit technischen Problemen antwortete. Bei dem Problem eines Users äußerte sich der Entwickler im Sinne von „Tut uns Leid, aber das Problem betrifft nur zwei Prozent der Spielerschaft“. Wester verglich diesen schweren Fauxpas mit einem Besuch beim Doktor, der einem Patienten Krebs diagnostiziert und ihn daraufhin sich selbst überlässt. Wester kam im späteren Verlauf des Vortrags darauf zurück: „Seid respektvoll! Vertrauen ist das wertvollste Anlagegut, das ihr als unabhängige Entwickler habt.“

SimCity als Negativbeispiel

Die Marktbedingungen haben sich besonders für kleine Entwicklerstudios in den letzten zehn Jahren zum Positiven verändert: Nur um einen Überblick über den Videospielemarkt zu erhalten, habe man damals noch 40.000 Dollar pro Jahr in die Daten der NPD Group zu Verkaufszahlen investieren müssen, so West. Heutzutage seien die wichtigsten Zahlen hingegen dank Steam-Analysen nur noch eine Google-Suchanfrage entfernt.

Im firmeninternen Kontext sollten Entwickler „brutal ernst mit sich selbst sein“ und sich auf ihre Alleinstellungsmerkmale sowie darauf konzentrieren, in was sie bereits gut sind, um die Besten in ihrem Bereich zu werden. Wester gab den anwesenden Entwicklern in Publikum den Ratschlag, in Puncto Design ihrer Leidenschaft zu folgen: „Denkst du die ganze Zeit an dieses Spiel? Falls dem nicht so ist, arbeitest du am falschen Spiel.“

Im Umgang mit Fans sollten Entwickler lernen, zwischen den Zeilen zu lesen. Im Fall von SimCity bedeute dies, dass sich Fans schlichtweg längere und fortschrittlichere Gameplay-Sessions gewünscht hätten. Weiterhin sei die Ermöglichung von Modifikationen und Nutzer-generierten Inhalten ein wichtiger Faktor: Das kollektive Wissen sei größer als das einer einzigen Gruppe, zudem hätten fünf der zehn meistgespielten Titel auf Steam ihre Wurzeln im Mod-Bereich. Dies werde in Entwicklerkreisen auch als der „Dota-Faktor“ bezeichnet.

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