FIFA 15 (PC) im Test: Endlich bolzen wie auf Konsolen-Niveau

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Sasan Abdi
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Auf einen Blick

Im letzten Jahr war es mal wieder so weit: Die böse Stiefmutter EA Sports vernachlässigte nach einem kurzen Anflug von Gleichberechtigung wieder einmal das ohnehin latent abseits stehende Kind, die Plattform „PC“. Denn während „FIFA 12“ endlich auch auf dem PC die gleichen Funktionen bot, wie auf den Konsolen, setzte es mit der 14er Ausgabe und in kleinerem Maßstab auch bei „FIFA 13“ mal wieder gehörige Unterschiede.

Zu diesen gehörte allen voran die Implementierung der „Ignite“ genannten neuen Grafikengine. Diese kam bei „FIFA 14“ nur für die neuen Konsolen PlayStation 4 und Xbox One – ein Umstand, den EA gerne mit dem Verweis auf technische Schwierigkeiten erklärte. Faktisch aber ging es den Verantwortlichen wohl auch darum, die Absatzzahlen auf den neuen Konsolen zu steigern. Kein Wunder: Der PC gilt gerade für Sportspiele als zunehmend irrelevante Plattform.

Trotzdem waren PC-Spieler zurecht sauer, schließlich gehört es bei „FIFA“ seit jeher zur Markenstrategie, die jeweils aktuelle Konsolengeneration zu bevorzugen. Umso schöner, dass „FIFA 15“ eine entscheidende Ähnlichkeit mit „FIFA 12“ hat: Endlich ist mal wieder ein Jahr gekommen, in dem sich die PC-Ausgabe vor den Konsolen-Pendants nicht verstecken muss.

Alles Gute bringt Ignite

Dabei sind es viele kleine Neuerungen, die dafür sorgen, dass Ignite eine so positive Wirkung auf das Spielerlebnis hat. Diese führen dazu, dass „FIFA“ jetzt auch auf dem PC endlich dynamischer wirkt. Schick sind zum Beispiel die vielen neuen Spielerreaktionen, bei denen die jeweiligen Spielsituationen emotionalen Ausdruck finden: Torhüter schlagen sich nach einer Glanzparade euphorisch mit ihren Abwehrspielern ab, Stürmer sinken nach einer vertanen Chance fassungslos zu Boden und nach einem harten Tackling kann es schon mal zu einer kleinen Rauferei zwischen den Protagonisten kommen.

Kombiniert wird das Verhalten der Spieler mit vielen neuen Zwischensequenzen. Diese haben wir zwar ab der vierten Stunde zugunsten des Spielflusses konsequent weggedrückt, in wichtigen Spielen oder für Liebhaber von authentischer Atmosphäre sind sie aber trotzdem Gold wert. So gibt es jetzt nicht nur für Torszenen schicke neue Zeitlupen, sondern auch gelungene Video-Zusammenfassungen zur Halbzeit und nach dem Schlusspfiff. Darüber hinaus werden der Einmarsch der Spieler, aber auch Fouls und Standardsituationen wesentlich aufwändiger in Szene gesetzt. Schließlich können sich Enthusiasten an einigen neuen Jubelszenen versuchen – erste Tutorials kursieren bereits.

Gelungen sind aber auch die neuen Spielermodelle, die sich noch differenzierter bewegen – und die noch glaubwürdigere Fehler beim Dribbling und der Ballannahme machen können. Dadurch entstehen wiederum abwechslungsreichere Zweikämpfe, die endgültig mit den im Rückblick ziemlich statisch wirkenden Pendants aus den Vorgängern brechen.

Bei all dem machen sich auch die Vorzüge der einzelnen Spieler stärker bemerkbar: Mit einem Messi gleitet man nur so durch die gegnerischen Reihen, während ein Mats Hummels im Dribbling deutlich früher scheitern wird, dafür aber der perfekte Abräumer vor dem eigenen Strafraum ist. Besonderes Augenmerk wurde in diesem Zusammenhang auf die Torhüter gelegt, die sich nun merklich realistischer bewegen und über eine noch bessere KI verfügen. Allerdings sind auch sie nicht vor Schnitzern gefeit: Manchmal gelingt es selbst einem Manuel Neuer nicht, einen relativ laschen Ball sofort festzuhalten, und manchmal wird selbst ein Joe Hart einen kräftigen Schuss mitten in den Sechzehner abklatschen lassen. Gut so, denn insbesondere Hart ist ja für seine Patzer auch wirklich berüchtigt.

Und auch um den Platz herum hat sich einiges getan. Das Publikum und Randfiguren wie Auswechselspieler und Fotografen wirken jetzt endlich plastischer. Die Fans reagieren dynamischer auf's Spielgeschehen und stimmen teilweise sogar die zur Heimmannschaft passenden Gesänge an. Wenn sich die Bewegungen der Zuschauer jetzt noch weniger oft doppeln würden, wäre die Atmosphäre auf den Rängen nahezu perfekt. Wer britischen Fußball mag, darf sich in Sachen Drumherum sogar besonders freuen, denn hier konnte EA Sports auch die Stadion-Optik mit allen Details lizenzieren. Für die Bundesliga gilt dies nicht.

Und wer hätte es gedacht: Selbst die Kommentare von Manni Breuckmann und Frank Buschmann wurden neu eingesprochen, mit dem Effekt, dass wir sie dieses Jahr ganze fünf Stunden ausgehalten haben!

Vom „Schul-Fußball“-Bug, bei dem einfach alle Spieler gleichzeitig auf den Ball stürmen, wurden wir übrigens verschont und auch sonst fielen keine gravierenden Bugs auf. Erwähnenswert ist allerdings, dass die Bilderraten auf unserem Testsystem bei manchen Sequenzen, beispielsweise bei Torjubelszenen, leicht einbrachen. Hierbei sollte es sich um ein Optimierungsproblem handeln – „FIFA 15“ ist hardwarehungriger als die Vorgänger, aber kein Monster.

Zusammengefasst kann man sagen: Mit Ignite hat sich „FIFA“ sowohl was die Physik als auch was die Grafik angeht richtig verbessert. Zu letzterer Dimension gehören schließlich auch viele weitere kleine Details, die erst bei genauerem Hinsehen auffallen. So sieht der Spieler in Wiederholungen plötzlich Rasen und Wassertropfen fliegen, wenn auf feuchtem Untergrund gegrätscht wird – sehr schön.

Detailänderungen bei den Modi

Bei den Spielmodi hat sich dagegen erwartungsgemäß nicht allzu viel getan. Am bemerkenswertesten ist deshalb, dass man im beliebten FIFA Ultimate Team (FUT) nun auch auf Leihspieler setzen kann. Wie würde sich ein Cristiano Ronaldo in meinem Team machen? Dank dieser Neuerung lässt sich eine solche Frage im Rahmen von einigen Spielen unverbindlich klären.

Über den „Concept Squads“ genannten überarbeiteten Mannschaftsplaner lassen sich die Teams jetzt noch etwas komfortabler planen. Hier kann man beispielsweise einsehen, wie es um die Chemie zwischen den Spielern stünde, wenn man bestimmte Transfers und Kaderumstellungen vornehmen würde.

Neu ist auch „Match Day Live“, der neben relativ aktuellen Nachrichten auch andere Details aus der Fußballwelt wie beispielsweise Mannschafts- und Spielerstatistiken bereit hält. Online können jetzt auch „Friendly Seasons“ mit Freunden bestritten werden und im Karriere-Modus geht das Team-Management nun durch sogenannte Team Sheets noch etwas einfacher von der Hand. Ansonsten hat sich bei der ebenfalls recht beliebten Karriere allerdings nichts geändert.

Online-Spiele unverändert rasant

Erwähnenswert ist schließlich noch, dass die genannten Physik- und Gameplay-Änderungen auf die für viele Spieler zentralen Online-Matches nur bedingt Auswirkungen haben. Hier bleibt das traditionell rasante Tempo mit vielen Abschlüssen und Toren erhalten.

Kritiker werden also mit guten Argumenten monieren, dass sich auch „FIFA 15“ im Online-Modus nicht sonderlich realistisch anfühlt. Denn tatsächlich gibt es hier praktisch keine ruhigen, taktischen Momente. Stattdessen hat man es wie gehabt mit einer Aneinanderreihung von schnellem Umschaltspiel zu tun, sodass sich die Spieler abwechselnd in der radikalen Offensive und Defensive befinden.

Mit etwas Glück für Konami wird das am 13. November erscheinende „PES 2015“ gerade in dieser Hinsicht und bei der Ballphysik mehr Realismus bieten. Damit wäre die alte Aufteilung – „FIFA“ arcadiger, „PES“ realistischer“ – erneut hergestellt.