Nokia Lumia 830 im Test: Das erschwingliche letzte Nokia-Smartphone
2/3Performance & Betriebssystem
Die neuen Obere-Mittelklasse-Prozessoren Snapdragon 610 und 615 von Qualcomm stehen zum vierten Quartal des Jahres an, werden aktuell aber in noch keinem Endgerät angeboten. Derzeit bleibt für Qualcomm-Abnehmer nur die Wahl zwischen einem Flaggschiff aus der 800-Serie oder einem Mittelklasse-Modell der 400-Serie. Und weil der Snapdragon 800 den Flaggschiffen Lumia 930 und 1520 vorbehalten ist, hat Microsoft wie bei allen anderen Modellen mit Ausnahme des Lumia 530 wieder zu einem Snapdragon 400 gegriffen. Die verbaute Variante 8926 setzt sich aus vier Cortex-A7-CPU-Kernen von ARM und einer Adreno-305-GPU von Qualcomm zusammen. Der Prozessor taktet mit maximal 1,2 GHz und kann auf 1 GB Arbeitsspeicher zurückgreifen.
Während der Bedienung von Windows Phone fallen die Unterschiede zum Lumia 930 nicht auf Anhieb auf. Das Betriebssystem ist dafür bekannt, auch mit noch schwächerer Hardware wie etwa im Lumia 530 genügsam umzugehen und nicht für Ruckler zu sorgen. Wenn Google „Project Butter“ für weiche Animationen hat, dann hat Microsoft „Project Warm Butter“ für noch sanftere Übergänge. Dass im Lumia 830 ein vergleichsweise alter und wenig leistungsstarker Prozessor steckt, merkt man dem Smartphone bei der Navigation durch Menüs und verschiedene Ebenen des Betriebssystems nicht an.
Unterschiede sind bei den Ladezeiten von Apps und auch der Interaktion innerhalb von Apps feststellbar. Das Lumia 830 legt zwar keine eklatanten Denkpausen ein, Apps, Spiele und Webseiten hat der Anwender auf dem Lumia 930 aber schneller im Blick. Das Lumia 830 bietet zwar die versprochene „hochwertige Hard- und Software-Leistung“, doch „hochwertig“ steht in diesem Fall nicht für „allerschnellste“. Hochwertig beziehungsweise gut gelöst ist aber die Verzahnung von Hard- und Software, die bisher bei jedem Windows-Smartphone von Nokia und Microsoft zu Lob geführt hat.
Auf dem Lumia 830 kommt eine leicht aufgefrischte Variante von Windows Phone 8.1 zum Einsatz, die wiederum das erste Mal auf dem Lumia 930 und 630/635 aufgespielt war. Windows Phone 8.1 Update 1 bietet ebenso die mit der vorherigen Version eingebrachten großen Veränderungen wie das Action Center für Schnelleinstellungen und Benachrichtigungen, die neue Tastatur mit Wischgesten oder auch den neuen Kalender. Die größte Veränderung für deutsche Kunden sind die mit Update 1 eingeführten Live Folders, die sich auf dem Startbildschirm ablegen lassen. Ordner gab es unter Windows Phone bisher gar nicht, jetzt hat sie Microsoft mit gleich vier verschiedenen Ansichten in das System integriert.
Ein Ordner erstellt sich automatisch, sobald zwei Kacheln des Startbildschirms übereinander gelegt werden. Ähnlich, nur mit App-Symbolen, funktioniert das auch unter Android oder iOS. Anschließend fragt das System, wie der Ordner benannt werden soll, und bietet Optionen, um die zuletzt hinzugefügte Kachel in ihrer Größe zu verändern. Dies ist aber auch für andere Kacheln des Ordners möglich, sodass in einem Ordner eine Art Miniversion des eigentlichen Startbildschirms entsteht.
Kacheln lassen sich in einem Ordner verschieben und in puncto Größe anpassen, die Live-Funktionen der Kacheln bleiben auch innerhalb eines Ordners erhalten und sind sofort auf dem Homescreen sichtbar, ohne den Ordner öffnen zu müssen. Auch Ordner selbst lassen sich hinsichtlich ihrer Größe wie die in ihnen geparkten Kacheln anpassen. Es stehen eine kleine, mittlere und große sowie im geöffneten Zustand eine sehr große Ansicht zur Auswahl, die auch erhalten bleibt, wenn durch das System navigiert wird. Ordner schließen sich im Gegensatz zu Android oder iOS also nicht automatisch mit der nächsten Interaktion außerhalb des Ordners. Microsoft hat mit den Live Folders eine gute Ergänzung für Windows Phone 8.1 geschaffen, die mit mehreren Funktionen sinnvoll integriert wurde und so für einen aufgeräumten Homescreen sorgt.
Kamera
Die neue App „Lumia Camera“ ist noch nicht Teil von Update 1, dessen Neufunktionen für die Lumia-Serie dieses Mal unter dem Label „Denim“ versammelt werden. Sie soll noch im vierten Quartal die „Nokia Camera“ ablösen, die seit der Übernahme ohnehin nicht mehr den passenden Namen trägt. Microsoft verspricht vor allem eine Kamera, die schneller einsatzbereit ist. Von Bild zu Bild sollen nur wenige Millisekunden vergehen, das Aufnehmen von Videos ohne Zwischenschritte erfolgen. Auf dem Testgerät war stattdessen die bekannt gute App „Nokia Camera“ installiert.
Diese ist mit ihren Live-Einstellungen, die in Ring-Anordnung über den Inhalt gelegt werden, weiterhin der Maßstab für sofort erkennbare Veränderungen am Bild. Die Auslösegeschwindigkeit ist beim Lumia 830 aktuell weit entfernt von nur wenigen Millisekunden. Das Smartphone nimmt sich immer rund eine Sekunde, bis das Bild gespeichert wurde und die Kamera wieder für den nächsten Einsatz bereit ist. Der Videomodus muss bei Nokia Camera manuell aktiviert werden. Mit Lumia Camera soll der Videomodus deutlich schneller durch langes Halten des dedizierten Auslösers starten.
Ein Blick auf die Fotoqualität des Lumia 830 konnte bereits im Test Apple iPhone 6 Plus gegen Samsung Galaxy Note 4 geworfen werden. Mit einer Auflösung von 10 Megapixeln auf einem 1/3,4"-Sensor liegt es in puncto Auflösung zwischen dem iPhone 6 Plus mit 8 Megapixeln und dem Galaxy Note 4 mit 16 Megapixeln. Die Schärfe des Lumia 830 liegt meist auf gutem Niveau, kommt aber bei Weitem nicht an die präzise Abbildung des Galaxy Note 4 heran. Die Farbbalance stimmt nicht immer und führt häufig zu übersättigten Farben, die nicht der Realität entsprechen. Unter guten Lichtbedingungen fallen die Bilder des Lumia 830 etwas dunkler als bei der Konkurrenz aus, das Smartphone punktet aber mit tiefen Farben. Bei Nacht bleiben viele Strukturen erkennbar, obwohl das Bildrauschen sichtbar zunimmt. Die nachträgliche Aufhellung der Bilder geht etwas zu weit, sodass die Szenerie nicht originalgetreu eingefangen wird. Der optische Bildstabilisator hilft dabei, unschöne Verwackler zu vermeiden. Trotzdem muss auch bei Nacht zu lange stillgehalten werden, damit das Motiv sicher im Kasten ist. Die Kamera des Lumia 830 ist überdurchschnittlich gut, zeigt aber auch, dass noch Luft nach oben ist.
Konnektivität
Obwohl das Lumia 820 bereits vor über zwei Jahren das erste Mal das Licht der Welt erblickte, hat sich in puncto Konnektivität nur wenig für Käufer des Nachfolgers verändert. Neben Wi-Fi Direct und Miracast ist einzig die maximale LTE-Geschwindigkeit von 100 auf 150 Mbit/s im Downstream angestiegen. HSPA+ und WLAN nach a/b/g/n beherrschte schon das Lumia 820, hier hat Microsoft nicht Hand angelegt. In diesem Punkt kommt erneut das Dilemma der eingeschränkten SoC-Auswahl zum Tragen. Die anstehenden Prozessoren Snapdragon 610 und 615 bieten nicht nur mehr Leistung, sondern zum Beispiel auch ac-WLAN. NFC besaß das Lumia 820 auch schon, dieses Feature ist bei Microsoft mittlerweile Standard ab dem Lumia 730. Der Anschluss an den PC erfolgt über Micro-USB 2.0.
Telefoniert und gesurft wurde mit dem Lumia 830 im Berliner Netz von O2, was eine gute Grundversorgung gewährleistet. Im Stadtgebiet kommt es nur selten zu Abbrüchen der Verbindung, wenn beispielsweise Tunnel durchfahren werden. Dass mit dem Smartphone in der U-Bahn nicht das Web durchstöbert werden kann, ist keine Eigenschaft des Lumia 830 – auch mit einem doppelt so teuren iPhone 6 Plus und jedem anderen Smartphone gibt es diese Problematik im Netz von O2. Störungsfrei geht die Telefonie vonstatten, die im Test auch von der anderen Seite des Gesprächs als gut verständlich eingestuft wurde. Der Lautsprecher auf der Rückseite des Smartphones funktioniert gut im Freisprechmodus, er ist aber nicht so groß und klingt nicht so voluminös, wie es seine Abdeckung weismachen will. Tatsächlich ist der Lautsprecher nur halb so groß wie das ihn schützende Gitter.
Laufzeiten
Gegenüber dem Lumia 820 hat Microsoft die Kapazität des Akkus deutlich nach oben geschraubt. Mit 2.200 (8,3 Wh), statt früher 1.650 mAh (6,1 Wh) macht das Lumia 830 zwar einen Sprung nach vorne, gemessen an anderen 400-Euro-Smartphones (UVP) ist das Gebotene aber nur Durchschnittskost. Über 3.000 mAh bieten derzeit nur die Phablets Lumia 1320 und 1520, selbst das Flaggschiff Lumia 930 bietet mit 2.420 mAh (9,20 Wh) nur einen geringfügig größeren Akku.
Die Laufzeit des Lumia 830 ist deshalb kein einschränkender Faktor, mehr als guter Durchschnitt darf aber nicht erwartet werden. Der Akku trägt das Smartphone sicher durch einen kompletten Tag und gewährleistet auch am Folgetag noch mehrere Stunden Betrieb. Im vollen Einsatz ist das Lumia 830 eher ein Ein-Tag-Smartphone. Im Test wurden weniger Telefonate geführt, dafür aber vier E-Mail-Konten synchronisiert und häufig der Browser sowie Twitter, WhatsApp und Kartendienste verwendet. Über eine Ladeschale mit Qi-Standard lässt sich der Akku wahlweise kabellos laden. Im Video- und Browser-Dauertest kommt das Lumia 830 mit acht und sechseinhalb Stunden auf gute bis durchschnittliche Ergebnisse.