The Evil Within im Test: Neues Werk des Resident-Evil-Erfinders
2/5Nervenaufreibende Atmosphäre
Wer genau hinsieht, entdeckt in The Evil Within viele dieser mal mehr, mal weniger versteckten Anspielungen und Hommagen an Klassiker des Horrorgenres und bisherige Spiele der „Resident-Evil“-Reihe. So dezent so mancher Wink mit dem Zaunpfahl im Spiel untergebracht wurde, so vorsichtig arbeitet Mikami am Grundgerüst der Spielatmosphäre.
Die eingangs beschriebene Fluchtsequenz aus dem geschickt verpackten Tutorial des Spiels lebt in erster Linie von der Geräuschkulisse: Während der Spieler kopfüber hängend seinem schaurigen Schicksal ausgeliefert zu sein scheint, tönt aus dem Raum des Grauens ein Plattenspieler mit der Melodie „Air auf der G-Saite“ von Johann Sebastian Bach, was der Szene eine zusätzliche bizarre Qualität verleiht. So bekommt der Spieler zwar aufgrund der dumpfen Klingengeräusche beim Eindringen ins Fleisch mit, wie direkt neben ihm jemand bei vollem Bewusstsein zerteilt wird, das direkte Hinschauen wird jedoch vom Spiel verhindert, was die Bedrohung noch nervenaufreibender macht, weil das Grauen sich zwangsweise während dieser Zeit von der Spielumgebung in die Fantasie des Spielers verlagert.
Besonders in den ersten Kapiteln des Spiels sind es neue, ungewohnte Geräusche, die den Spieler in angsterfüllte Anspannung versetzen. Hier macht The Evil Within alles richtig: Statt auf billige „Jump Scares“ oder direkte Konfrontation zu setzen, wird mit Musik, Umgebungs- und Gegnergeräuschen eine nervenaufreibende Grundstimmung erzeugt, die die Furcht im Kopf des Spielers aufkeimen lässt, statt ihn einfach nur mit bizarren Gegnertypen zu schocken.
Doch leider hält dieses subtile Gefühl der Bedrohung nicht über den kompletten Spielverlauf an. Ohne Frage besticht The Evil Within durch ein exzellentes Sounddesign, doch spätestens sobald jeder Typ von Gegner ein paar Mal „erlebt“ wurde und sich infolgedessen schon über Meter hinweg hörbar ankündigt, hält sich die Angst in Grenzen.
Dass dieser Umstand nicht unbedingt Anlass zur Sorge sein muss, liegt in der Natur des Leveldesigns. So führt The Evil Within Spieler während der knapp 15- bis 20-stündigen Geschichte zu einer Vielzahl von abwechslungsreichen und detailreich inszenierten Schauplätzen. Wer erwartet, die volle Spieldauer nur durch blutverschmierte Gänge, modrige Verliese und klaustrophobische Räume zu schleichen, wird überrascht sein, wie viele „helle“ Abschnitte The Evil Within im Kontrast dazu bietet.
Je nach Erwartungshaltung könnte gerade dieser Punkt Spielern sauer aufstoßen, die „puren Survival-Horror“ erwartet haben. So spielt sich The Evil Within streckenweise, besonders im leichteren der beiden zu Beginn verfügbaren Schwierigkeitsgrade, wie ein klassisches Actionspiel mit etwas schwerfälligerer Steuerung, das gekonnt die Weiterentwicklungen der letzten Jahre im Genre der Third-Person-Spiele, etwa kontextbasierte Animationen beim Anlehnen an Wände oder ein Deckungssystem, ignoriert.
Frustrationsresistente Spieler, die sich nicht von Trial-&-Error-Abschnitten oder einem Kontrollpunkte-basierten Speichersystem abschrecken lassen, sollten unbedingt den härteren Schwierigkeitsgrad vorziehen. Im späteren Spielverlauf ist The Evil Within nicht mehr per se gruselig oder sonderlich furchteinflößend, sondern profitiert maßgeblich von der Ressourcenknappheit und den Entscheidungen, die Spieler deswegen treffen müssen. Der Horror-Aspekt tritt dabei größtenteils in den Hintergrund.
Konservatives Gameplay
Aus Gameplay-Sicht setzt The Evil Within auf Altbewährtes. Spieler mit „Resident-Evil-4“-Erfahrung werden sich insofern sofort heimisch fühlen, als dass die alte Formel nur um ein rudimentäres Schleichsystem erweitert wurde. So wird Castellanos aus der Third-Person-Perspektive gesteuert, wobei Spieler ihrem Protagonisten direkt über die Schulter schauen. Die Gegner nehmen Schritte wahr und untersuchen bei lautem Trampeln des Spielers den Ursprung der Lärmquelle. Munition ist ebenso begrenzt wie die Anzahl an Streichhölzern, die Castellanos mit sich führen kann.
Letztere sind dafür notwendig, um Gegner endgültig ins Jenseits zu verbannen. Um Munition zu sparen, kann ein zu Fall gebrachter Gegner mittels eines Streichholzes angezündet werden – wenn sich in der Nähe ein oder mehrere weitere Feinde befinden, gehen sie bei gutem Timing auch in Flammen auf. Wer beim Schleichen durch eine unbekannte Umgebung auf Leichen am Boden trifft, kann sich nie sicher sein, ob diese nicht auferstehen, sobald Castellanos ihnen zu Nahe kommt oder andere Gegner aufschreckt. Im Zweifelsfall helfen auch hier Streichhölzer bei der Gefahrenminimierung.
Während Bachs „Air“-Melodie zu Beginn des Spiels mit Gefahr konnotiert ist, dient sie schon bald als Erkennungsklang für Spiegel, die Castellanos zurück in eine Nervenklinik bringen, in der er der einzige Patient zu sein scheint. Diese dient zugleich als sichere Zone, in der abgespeichert und die eigenen Fähigkeiten sowie Waffen aufgebessert werden können. Beim Schleichen durch die lebensfeindliche Umgebung, in Kisten sowie nach dem Erlegen von Gegnern findet sich grünes Gel, das in unterschiedliche Kategorien investiert werden kann. So können beispielsweise einzelne Waffenwerte wie Schaden, Nachladegeschwindigkeit oder Magazinkapazität verbessert werden, andererseits lässt sich auch die maximale Sprintdauer oder die maximal tragbare Menge an Munition erweitern.
Weniger konsequent wurde hingegen das Crafting-System implementiert. Neben grauenerregenden Gegnern muss der Spieler sich unter anderem auch vor Fallen in Acht nehmen. Kann sich Detective Castellanos noch aus Bärenfallen befreien, stellen übersehene Stolperfallen oder Sprengladungen mit Bewegungsmelder ein größeres Problem dar. Nicht selten endet Unachtsamkeit in einer blutigen Todesanimation und dem Wiedereinstieg beim letzten Kontrollpunkt. In diesem Sinne ist es doppelt ratsam, die Umgebung zuerst schleichend zu erkunden, denn so lassen sich dank „Stealthkills“ Munition sparen und andererseits Fallen entschärfen, die wiederum als Einzelteile zum Herstellen von Bolzen für die Armbrust verwendet werden können.
Bei der Auswahl der fünf verschiedenen Bolzentypen für die Armbrust, darunter Frost-, Explosions- und Elektroschockbolzen, endet die Komplexität des Crafting-Systems jedoch auch schon. Wem im Kampf die Bolzen ausgehen, der muss zurück in das Waffenmenü und die Bolzen herstellen, während die Zeit verlangsamt weiterläuft. Da zum Herstellen jedoch weder eine besondere Animation ausgeführt wird noch eine bestimmte Zeit notwendig ist, ist die Implementation nicht ganz zu Ende gedacht.
Eine Handvoll „Rätsel“ sind auch in The Evil Within Teil des Gameplays, jedoch vermitteln sie das Gefühl, dass man es bei diesem Spielelement mit einem reinen Checklisten-Feature zu tun hat. Das reicht von simplen Aufgaben à la „Finde Gegenstand X, setze ihn in Fassung Y“, um eine Tür zu öffnen, hin zu interessant verzierten Räumen, die zwar optisch und atmosphärisch eindrucksvoll sind, sich letzten Endes spielerisch aber leider trotzdem als äußerst simpel erweisen. Das Hoch der Gefühle ist eine Reihe von Hirnbiopsien, bei denen Spieler anhand einer Tonbandaufnahme mit einer Nadel die richtige Hirnregion zur Gewebeentnahme treffen müssen. Womöglich das einzige Rätsel im Spiel, das nicht von allen Spielern im ersten Anlauf gelöst wird.