Call of Duty: Advanced Warfare im Test: Der Multiplayer holt es wieder raus

 2/5
Sasan Abdi
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Auf einen Blick

Dass „Call of Duty“ mittlerweile eine riesige Entertainment-Marke ist, wird schon beim Aufwand deutlich, den Activision seit Jahren bei der Bewerbung der Spiele betreibt. Dazu gehört auch das Engagement von Hollywood-Prominenz, was sich im letzten Jahr darin niederschlug, dass Megan Fox sich an einem Scharfschützengewehr versuchte.

In diesem Jahr gehen die Verantwortlichen noch weiter: Mit Kevin Spacey hat man nicht nur einen der interessantesten Schauspieler unserer Tage für einen Trailer vor die Kamera geholt. Nein, Spacey tritt auch im Spiel als zentraler Akteur auf. Man mag uns für verrückt erklären, doch allein wegen dieses Umstands hatten wir größte Hoffnungen, dass die Handlung vom neuen CoD uns dieses Mal so richtig vom Hocker hauen würde.

Maue Story

Doch nicht nur Spacey, auch die Themenwahl machte Mut, schließlich stoßen die Entwickler mit ihrem Privatarmee-Setting in einen Bereich vor, der hochaktuell ist. In Zeiten, in denen der Staat nicht nur in sogenannten Entwicklungsländern häufig immer mehr Kompetenzen an private Konzerne abgibt, kann es spannend sein, die Auswirkungen von einer solchen Verschiebungen zu thematisieren. Was bedeutet es, wenn nicht nur die Sicherheit, sondern sogar das Kriegsrecht bei privaten Unternehmen liegt? Wenn der Staat sein Gewaltmonopol verliert? Wenn eine einzelne Person unabhängig von staatlichen Strukturen über das größte stehende Heer verfügt? Diese im Hintergrund von „Advanced Warfare“ stehenden Fragen hätten Ausgangspunkte für eine erfrischende Einzelspieler-Kampagne sein können.

Ironie der Geschichte ist dabei, dass das Timing für die Veröffentlichung des Spiels kaum besser hätte sein können. Denn erst kürzlich entschied ein US-Gericht über von Mitarbeitern der US-Söldnerfirma Blackwater im Irak verübte Gewalttaten, während die Führung des Konzerns unbehelligt blieb. Interessant ist der Zusammenhang, weil Blackwater als so etwas wie die Echtwelt-Blaupause für den Bösewicht von „Advanced Warfare“ interpretiert werden kann: Den Atlas-Konzern.

An dieser Stelle hat Kevin Spacey seinen großen Auftritt, denn natürlich ist er in persona von Jonathan Irons der CEO dieses Konzerns. Und natürlich ist diese Rolle für den optisch wunderbar in Szene gesetzten Spacey potentiell sehr passend: Vielschichtig, machtvoll, ironisch und sarkastisch, kurzum: eine Abwandlung von Spaceys „House of Cards“-Rolle, von der Serie also, die ihm endgültig ins schauspielerische Olymp verholfen hat.

Es ist die große Tragik von „Advanced Warfare“, das Sledgehammer aus diesem Potential so unfassbar wenig macht. Denn statt die potentielle Vielschichtigkeit auszuspielen und Spacey als bis zum Schluss undurchsichtigen Spieler in einem riskanten Spiel zu inszenieren, entpuppt sich der Atlas-Boss schon nach kürzester Zeit der mit sechs bis sieben Stunden ohnehin wieder sehr kurzen Kampagne als das, was am nächsten liegt: Als größenwahnsinniger Massenmörder, der mit einer kruden Logik die Welt verbessern will und dabei über Leichen geht.

Durch die extreme Berechenbarkeit des Bösewichts verliert die Story einen großen Teil ihrer Anziehungskraft. Wir lauschen gerne auf Kevin Spaceys originale Synchro-Stimme und wir blicken gerne in das auch digital stets wunderbar ironisch blickende Gesicht. Einen weiteren, inhaltlichen Mehrwert aber hat die Integration dieses Stars nicht.

Dass ist auch deswegen schade, weil das Defizit auch auf Seite der Helden nicht aufgefangen wird. Im Gegenteil: Auch hier sind die Charaktere denkbar platt, und das obwohl auch hier mehr Potential bestand. Dieses Potential rührt von zwei Aspekten her. Zum einen schlüpft der Spieler dieses Mal nur in die Rolle eines Soldaten, was eigentlich die Möglichkeit eröffnet, diesen Charakter differenziert auszuerzählen. Zum anderen erlebt dieser Soldat schreckliche Dinge: Gleich zu Beginn verliert er einen Arm, scheidet bei den Marines aus und wird stattdessen, ausgestattet mit einem Cyborg-Arm, Elite-Kämpfer bei Atlas. Was macht all das mit unserem Helden? Empfindet er die Vater-Allüren des Atlas-CEOs als positiv? Welchen Hintergrund hat er? Und was treibt ihn an? All diese Fragen werden nicht mal angeschnitten, wodurch der Protagonist, der im Idealfall vielschichtig, zumindest aber irgendwie präsent sein sollte, zu einer bloßen Hülle verkommt, deren Höhepunkt es ist, in einigen Videosequenzen ein paar trockene Worte zu sagen.

Gleiches gilt leider auch für die weiteren Charaktere, die sowohl auf Seiten des Bösen als auch des Guten – natürlich werden diese Extreme trennscharf unterschieden – völlig auswechselbar sind. Ein Mitglied unseres Teams stirbt im Einsatz? Kommt häufiger vor, ist aber völlig egal, denn wir kannten ihn nicht und beim nächsten Mal wird halt jemand anderes mitlaufen.

Die Charaktere fallen somit durch die Bank weg als Träger der Story aus. Kein Wunder also, dass der Plot mit Vorhersehbarkeit und klassischen „Höhepunkten“ langweilt. Am Ende steht als solcher natürlich die Pflicht zur Rettung Amerikas. Spätestens wenn der Abschuss einer intelligenten biologischen Waffe bevorsteht, stellt sich die Frage: Ist im Einzelspieler alles für die Katz'?