Deutsche Telekom: Vorstandschef Höttges hält an DeutschlandNet-Plänen fest
Telekom-Chef Timotheus Höttges wirbt für das als „DeutschlandNet“ bekannte National-Routing-Konzept, das der Konzern bereits beim innerdeutschen E-Mail-Verkehr praktiziert. Doch großen Anklang findet die Idee bislang weder in der Politik noch bei Unternehmen.
Im Interview mit der Welt am Sonntag erklärt Höttges, dass die Telekom das nationale Routing mittels „E-Mail made in Germany“ für Privatnutzer bereits umgesetzt habe. Der E-Mail-Verkehr werde nicht mehr über ausländische Leitungen, sondern nur noch über Server innerhalb von Deutschland übermittelt. Es ist ein Konzept, das die Telekom ausbauen will. Dass der Traffic nur noch über Server in Deutschland oder im Schengen-Raum geleitet wird, ist nach Ansicht von Höttges eine politische Antwort auf die NSA-Enthüllungen, da so der Zugriff von ausländischen Geheimdiensten auf deutsche oder europäische Nutzerdaten erschwert werde.
Von den Reaktionen auf den Vorschlag ist Höttges allerdings enttäuscht. Weder die Politik noch Unternehmen zeigen ein allzu großes Interesse an den National-Routing-Plänen. Laut Höttges hänge das „in vielen Fällen auch mit den Kosten zusammen, die geringer sein können, wenn man Daten über das Ausland leitet, wo Leitungsüberkapazitäten bereitstehen“. An dem Konzept will die Telekom jedoch festhalten – trotz der zahlreichen Kritiker.
Kritik bleibt außen vor
So hatte etwa die ehemalige EU-Kommissarin Neelie Kroes erklärt, sie halte National Routing für den falschen Ansatz. Es würde keinen Sinn ergeben, wenn in Europa bald 28 Cloud-Netze bestehen. Ebenso warnen Netzaktivisten vor einer Balkanisierung des Internets. Zumal der Nutzen nur begrenzt wäre, da die Pläne nur innerdeutschen Traffic betreffen. Sobald Nutzer etwa auf einen amerikanischen Server zugreifen, läuft der Ansatz als Schutz vor der NSA-Überwachung ins Leere. Die entscheidende Frage ist also, wie National Routing bei großen US-Anbietern wie Google, Microsoft oder Facebook funktionieren soll, die im Online-Alltag der meisten Nutzer eine zentrale Rolle spielen – eine Antwort fehlt bislang.
Davon abgesehen wurde im Zuge der Snowden-Enthüllungen bereits bekannt, dass die NSA sich einen heimlichen Zugang zum Netz der Telekom verschafft haben soll. Obwohl diese umgehend dementierte und erklärte, es gebe „keine Anhaltspunkte dafür (...), dass unser Netz tatsächlich manipuliert wurde“, bleiben letztlich Zweifel. Zudem verdeutlichen die Enthüllungen, wie leicht sich das National-Routing-Konzept als Schutz vor der NSA-Überwachung aushebeln lässt.
Hinzu kommt: Es sind ohnehin nicht nur die NSA und der britische GCHQ, die das Internet überwachen. Sondern eben auch deutsche Dienste wie der Bundesnachrichtendienst (BND), der eng mit der NSA kooperiert, wie etwa die Berichte über das Eikonal-Programm verdeutlicht haben. Dass der Datenaustausch zwischen BND und NSA über Netze der Telekom erfolgt sein soll, lässt zudem zweifeln, inwieweit die Deutsche Telekom deutsche Nutzerdaten überhaupt schützen kann. Vor allem, wenn die Geheimdienste sich mittels rechtlicher Anordnung einen legalen Zugriff auf die Netze verschaffen.
Datensicherheit und Krypto-Handys
Darüber hinaus zeigt sich Höttges im Interview mit der Welt enttäuscht vom Absatz des Krypto-Handys, das die Telekom für Mitarbeiter von Regierungen und Unternehmen entwickelt hatte. „Wir hatten uns eine größere Nachfrage nach Verschlüsselungs-Handys erhofft“, so der Telekom-Chef. Letztlich entscheide aber der Kunde.
Nichtsdestotrotz warnt Höttges vor der zunehmenden Gefahr durch Cyber-Angriffe: „Allein weil die Digitalisierung und Vernetzung auch innerhalb der Industrie zugenommen hat, wird natürlich die Angriffsfläche größer.“ Laut einer Telekom-Studie waren bereits 92 Prozent der Unternehmen von einer entsprechenden Attacke betroffen. Und angesichts der „globalen politischen Entwicklung“ steige die Gefahr von Angriffen über das Internet.
Die Warnung von Höttges erfolgt pünktlich zum dritten Cyber Security Summit, den die Deutsche Telekom zusammen mit der Münchener Sicherheitskonferenz veranstaltet. Zu diesem Anlass treffen sich heute rund 180 Vertreter von der „Bundesregierung, EU, NATO, US-Regierung und Top-Manager international führender Unternehmen“, um über die „digitale Verteidigung in einer zunehmend vernetzten Welt“ zu diskutieren.