Dragon Age: Inquisition im Test: Der Skyrim-Effekt und seine Folgen

 4/6
Sasan Abdi
840 Kommentare

Gameplay

Story und Inszenierung bewegen sich insgesamt auf einem akzeptablen Niveau, sind aber in unseren Augen deutlich von der Qualität entfernt, die man von BioWare bisher gewöhnt war. Doch wie sieht es beim Gameplay aus? Auch hier hat die Öffnung der Spielwelt Auswirkungen. Diese sind nicht objektiv beklagenswert, führen aber dazu, dass sich DAI nicht mehr nach einem klassischen „Dragon Age“ anfühlt. Darüber hinaus zeigt sich: Drei wichtige Aspekte werten den Spielspaß trotz schwächelnder Handlung massiv auf.

Overkill bei den Inhalten

Warum fühlt sich DAI nicht nach „Dragon Age“ an? Diese Frage ist nicht so sehr unter Verweis auf „Skyrim“, sondern vielmehr im Bezug auf „Assassin's Creed“ zu erklären. Denn ganz ähnlich wie beim Meuchelmörder-Spiel blinkt auch bei DAI die Karte plötzlich nur so vor Haupt- und Nebenquests und Sammel- und Interaktionsmöglichkeiten.

Natürlich hängt auch dies maßgeblich mit der offeneren Spielwelt zusammen, schließlich müssen die weiten Gebiete auch mit Inhalten befüllt werden. Was nützt es, wenn der Spieler durch malerische, abwechslungsreiche Landschaften streifen darf, ohne darin Inhalte vorzufinden?

Diese Wendung hin zum klassischen Rollenspiel ist, wie erwähnt, nicht grundsätzlich ein Kritikpunkt. Dies gilt umso mehr, weil man einem guten Teil der Inhalte anmerkt, dass BioWare viel Zeit darauf verwendet hat, die vielen Aufgaben mit Background, mit Story anzufüttern. Aus diesem Grund ist verzeihlich, dass manche Nebenquest dann doch mit der klassischen „sammle Anzahl X von Y“ oder „gehe zu X und töte alle Gegner“ aufwartet.

Dragon Age: Inquisition
Dragon Age: Inquisition

Zumindest diskussionswürdig aber ist die schiere Masse an Aufträgen, Möglichkeiten und Inhalten. Als DAI-Held kann der Spieler keine fünf Meter laufen, ohne über eine Interaktionsmöglichkeit zu stolpern. Ständig ploppt die nächste Quest auf, ständig lockt das nächste Icon damit, das Tagebuch mit noch mehr Aufgaben zu füllen.

Um es ganz klar zu sagen: Für Jäger, Sammler und eifrige Crafter ist ein solcher Ansatz paradiesisch. In Kombination mit den gleich noch zu thematisierenden umfangreichen administrativen und sozialen Aufgaben lautet unser persönliches Zwischenfazit in dieser Hinsicht aber, dass etwas weniger eindeutig mehr gewesen wäre.

Regiere und herrsche

Als Gegenpol zur Inhalteflut „im Feld“ ist es ein Glücksfall, dass DAI einen immer wieder nach Hause holt, damit wichtige administrative Tätigkeiten nicht zu kurz kommen. Diese Notwendigkeit hat schon für sich genommen eine kittende Wirkung, weil so sichergestellt wird, dass der Spieler nicht endgültig ins Kleinklein des Questssystems abgleitet, sondern sich in regelmäßigen Abständen mit dem Krieg der Fraktionen, der Politik, dem Aufbau der Inquisition und der Rettung der Menschheit beschäftigt.

Zusätzlich zu dieser wichtigen Funktion macht die Verwaltung auch einfach richtig Spaß. Am Kriegstisch planen wir gemeinsam mit vier Beratern die nächsten Schritte. Dabei können wir unseren Mitstreitern auch befehlen, als Stellvertreter Missionen zu übernehmen. Diese werden in Echtzeit ausgeführt, was zunächst irritiert, sich aber unterm Strich als gute Mechanik für ein solches Unterfangen entpuppt. Auf diesem Wege scheffelt die Inquisition nicht nur Rohstoffe und Gold, sondern auch Macht. Letztere ist die entscheidende Währung, denn nur mit ausreichend Macht lassen sich neue Gebiete und damit die nächsten Inhalte der Kampagne freischalten.

Auf diesem Weg erarbeitet sich die Inquisition Stück für Stück mehr Einfluss. Dieser schlägt sich auch in einem eigenen Bonus nieder, der nach Belieben in Vorteile wie vermehrte Rohstofflieferungen oder ein schnelleres Aufleveln der Charaktere investiert werden kann.

Gut gefällt auch, dass die Geschehnisse am Kriegstisch nicht statisch sind. In Abhängigkeit von Umständen wie dem Spielverlauf und der Rasse des Helden poppen Nebenmissionen auf und verschwinden wieder. Ein gesellschaftliches Zusammenkommen, zu dem der Protagonist eingeladen wird, steht so beispielsweise nicht ewig optional zur Verfügung: Sobald der nächste Story-Strang einsetzt, schließt sich das Zeitfenster. Das erhöht die Motivation und zugleich den Wiederspielwert.

Darüber hinaus wird der Protagonist auf diesem Wege Stück für Stück zum Kanzler der Inquisition. Zunächst von einer Kleinstadt, später von einer massiven Feste aus verhandelt man mit den Fraktionen, regelt Spionagetätigkeiten und den Nachschub, spricht Urteile, liest Berichte, plant den Ausbau der eigenen Ländereien und spricht mit wichtigen Personen wie Schmieden und Quartiermeistern über deren Begehrlichkeiten. Nein, DAI ist kein Strategiespiel, aber die administrativen Komponente punkten ordentlich mit ihrem Simulationstouch.

Entscheidend ist die Funktion schließlich aber auch deswegen, weil mit der Zeit selbst die anfänglich so sinnlosen „Suche und finde“-Missionen mit etwas Leben gefüllt werden. Plötzlich geht es darum, Nachschub für die eigenen Truppen zu organisieren oder darbende Flüchtlingen mit ein wenig Essen zu versorgen. Das gibt den stupiden Rohstoff-Suchmissionen ein wenig Sinn. Gut so!

Dialoge und Begleiter

Das Soziale war schon immer wichtiger Bestandteil von „Dragon Age“. Ermöglicht wurde die wichtige Rolle der Interaktion zwischen Spieler und Begleitern durch zwei Aspekte: Erstens, die Charaktere waren stets vielschichtig und brachten so eigene Ansichten und Hintergründe mit. Zweitens erlaubte ein komplexes Dialogsystem in Kombination mit einer Vollvertonung, dass diese individuellen Merkmale vom Spieler auch maximal ergründet werden können.

Glücklicherweise sind beide Punkte auch für DAI gegeben. Zu einem guten Dutzend Begleiter und Berater gesellen sich weitere zentrale Figuren wie Fraktionsführer und -mitglieder, Schmiede, Boten und ganz gewöhnlichen Passanten.

Allein mit den Gruppenmitgliedern kann sich der Spieler stundenlang unterhalten. Dabei können einzelne Dialoge, wenn man sie denn voll ausschöpft, mehrere Minuten dauern. Je nach Entscheidungen des Spielers in den Dialogen verändern sich die Beziehungen: Redet der Held beispielsweise gegenüber der Sucherin Cassandra immerzu schlecht über die Kirche, wird die Beziehung eher distanziert bleiben. Gibt man sich gegenüber dem Grauen Wächter Blackwall tapfer und aufrecht, wird sich schnell ein freundschaftliches Verhältnis entwickeln.

Gut ist, dass die Interaktion mit den Mitstreitern kein Selbstzweck ist: Sie eröffnet auch handfeste Optionen wie etwa die privaten Missionen der Charaktere, in denen der Spieler noch tiefer in die Biographie seiner Freunde einsteigen kann. Damit bleibt die soziale Komponente eine große Stärke von „Dragon Age“.