Netzneutralität: EU-Staaten weichen Gleichberichtigung der Daten auf
Die EU-Staaten wollen offenbar die Vorgaben zur Netzneutralität lockern, auf die sich das europäische Parlament im April verständigt hatte. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen Entwurf aus dem EU-Rat.
Demnach soll es Internet-Providern lediglich untersagt werden, bestimmte Inhalte zu „blockieren, verlangsamen, verändern, verschlechtern oder auszuschließen“. Eine Definition für eine Netzneutralität, die grundsätzlich eine Gleichbehandlung aller Daten im Internet vorsieht, fehle hingegen in dem Entwurf. Kostenpflichtige Spezialdienste, bei denen der Traffic von bestimmten Internetdiensten oder Datentypen besonders schnell übertragen wird, wären von so einer Regelung nicht betroffen.
Derzeit steckt das vom EU-Parlament beschlossene Gesetzespaket ohnehin in den Mühlen der Brüsseler Bürokratie fest. Und mit dem nun veröffentlichten Entwurf würden die EU-Staaten den Providern nochmals in die Karten spielen. Denn diese fordern seit geraumer Zeit die Einführung von entsprechenden Spezialdiensten, um insbesondere von Internetriesen wie Google und Netflix Gebühren einfordern zu können. Zuletzt sympathisierten auch der für die Digitalwirtschaft zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger und Vertreter der Bundesregierung mit diesen Plänen.
Netzaktivisten warnen allerdings, dass ein Zwei-Klassen-Internet droht, wenn kostenpflichtige Spezialdienste zugelassen werden. Vor allem Start-ups und kleinere Internetdienste würden benachteiligt werden, weil sich in erster Linie die großen Internetfirmen eine sogenannte „Überholspur“ leisten könnten.
Letztlich verdeutlicht der Entwurf der EU-Staaten, dass sich in Europa derselbe Streit um die Netzneutralität anbahnt, der bereits in den USA die Gemüter erhitzt. Dort protestieren zahlreiche Internetdienste, angeführt von den Branchengrößen wie Google, Microsoft und Netflix, gegen die Pläne der amerikanischen Regulierungsbehörde FCC. Diese orientieren sich an den Forderungen der Provider und gestatten die Einführung von kostenpflichtigen Spezialdiensten. Der Konflikt geht mittlerweile soweit, dass zuletzt sogar US-Präsident Barack Obama in einem Statement für strikte Vorgaben zur Netzneutralität plädiert hat.