The Master Chief Collection im Test: Mit Halo zeigt Microsoft, wie Neuauflage geht
2/3Unterhaltsames Museum
Durch die aufgrund des hinter der Überholung stehenden Ziels nötigen Kompromisse sieht die „Anniversary Edition“ von Halo 2 nicht umwerfend hübsch aus, lässt sich aber ohne Probleme akzeptieren und hat den einen oder anderen Höhepunkt, ohne die Seele des Shooters anzutasten. Was eine drängende Frage aufwirft, nämlich die nach dem Unterhaltungswert des Uralt-Konzeptes. Hier steht Halo 2 eigentlich aber wieder gut da: Auch wenn Lebenspunkte nun erstmals automatisch regeneriert werden, hält man einen schnörkellosen, immer noch schnellen Shooter in den Händen, der ohne Perks, Boosts oder andere Ergänzungen auskommt. Laufen, Schießen, Springen – was damals gut war und neuerdings wieder Freunde findet, funktioniert weiterhin erstklassig.
Dass gelegentlich aufgrund des altmodischen Leveldesigns nicht ganz klargemacht wird, was zu tun oder wohin zu laufen ist, fällt in die Kategorie „kleinere Macken“. Dass sich plötzlich eine Tür öffnet, die ebenso aussieht wie die anderen Türen des selben (öden) Raums, kommt letztlich nicht allzu oft vor. Aus der angestaubten Basis ist dennoch ein mehr als nur passabler Shooter restauriert worden, der mit Neo-Retro-Shootern vom Stile eines Shadow Warrior ohne Weiteres konkurrieren kann. Lediglich mit dem Gamerscore hat eine mit 4.500 Punkten bewehrte Seuche der Moderne Einzug gehalten: Im Prinzip spricht nichts gegen Belohnungen für Errungenschaften, aber schon nach der ersten Zwischensequenz oder nach dem Laden eines Spielstandes Punkte ohne weitere Begründung zu bekommen, entwertet den eigentlichen Gedanken hinter einem solchen System – das (erfreulich übersichtliche) Hauptmenü zu durchschauen ist keine Leistung!
Und dennoch: Es sind die klassischen Shooter-Gene, die Halo 2 immer noch zu einem spaßigen Zeitvertreib machen, selbst wenn man nicht nur alte Erinnerungen aufzufrischen sucht. Von geradlinigen Shootern ohne zusätzliche Mechanik und befreit von Pseudo-Realismus gibt es aktuell zu wenig Exemplare. Das Markenzeichen der Serie, die dynamischen Schießereien gegen ordentliche, ausreichend aggressive KI, sind ohnehin weiter aktuell – für die größeren Außenareale mit mehr Bewegungsfreiheit gilt im Prinzip das Gleiche, was in Erinnerung ruft, dass sich die Serie einen intakten Kern bewahrt hat.
Wer sich damit nicht anfreunden kann, darf in Halo 1 auf die Regeneration von Lebenspunkten verzichten oder mit den Serienteilen 3 und 4 Rüstungs-Booster wie Jetpacks einsetzen, womit die Master Chief Collection eigentlich jeden Geschmack bedient und einen hervorragenden Gang durch die Geschichte der Serie ermöglicht.
Die neueren Shooter folgen ohnehin dabei klar moderneren Designprinzipien und unterhalten in jedem Fall, weil sie in diesem Punkt ohne Weiteres zeitgemäßes Niveau erreichen – wunderbar lässt sich hier nicht nur dank dem alten Spielgefühl in Nostalgie schwelgen, sondern durch den schonungslosen Wechsel der Spiele auch erkunden, wie und wo sich das Genre in den letzten 14 Jahren weiterentwickelt hat. Auch grafisch erreichen Halo 3 und 4 locker gängiges Niveau.
4 × Mehrspieler
Daraus entsteht eine beeindruckende Vielfalt, die mit vorgegebenen Spiellisten ausgenutzt wird: So lassen sich alle finalen Missionen oder nach Themen wie Waffen, Umgebung oder Gegnern gruppierte Szenen der Serie direkt nacheinander spielen. Wer innerhalb eines Titels bleiben möchte, findet auch hier entsprechende Listen oder kann direkt in seinen Wunschlevel springen – alle Missionen sind vom Start weg freigeschaltet. Dabei besteht die sinnvolle Möglichkeit, die Belegung des Controllers separat für Einzel- und Mehrspielermodus zu vereinheitlichen.
Der Mehrspieler-Part der Sammlung setzt sich aus den entsprechenden Modi der einzelnen Halo-Ableger zusammen und enthält alle jemals für diese Spiele veröffentlichten Karten. Lediglich der kooperative Spartan-Ops-Modus aus Halo 4 soll im Dezember nachgereicht werden. Da die einzelnen Teile spielerisch unverändert übernommen wurden, erwartet Käufer bekannte Kost, die gleichwohl durch den spontanen Wechsel des Spiels innerhalb eines Kartenwechsels an Würze gewinnt. Von der Verdopplung der Bildwiederholrate profitiert dabei die gesamte Reihe spürbar durch ein merklich flüssigeres Spielgefühl, was unterstreicht, dass in der Master Chief Collection die derzeit besten und rundesten Halo-Spiele aufgeboten werden.
Zudem sind bereits vom Start weg alle Waffen und Fertigkeiten verfügbar, sodass Fans direkt mit ihrer Lieblingsausrüstung starten können und Neueinsteiger nicht benachteiligt werden. Es fällt insofern nicht schwer, sich mit der angenehmen Abwechslung zu aktuellen Unlock-Grindern anzufreunden. Dafür entfällt zugleich die aus Halo 4 bekannte Option, sich die eigene Rüstung aus Einzelteilen zusammenzustellen. Die Schmiede zum Erstellen eigener Spielvarianten und Karten bleibt Spielern allerdings erhalten.
Ärgerlicher ist jedoch, sich keinen Spielmodus aussuchen zu können: Die Master Chief Collection bietet lediglich vorgefertigte Kartenfolgen mit vorgegebenen Modi an, die entweder aus einem Serienteil oder einer Reihe von Teilen stammen, in denen Halo 2 doppelt auftaucht: Für die Anniversary Edition hat Microsoft sechs Karten vollständig neu bearbeitet, die sich auf diese Weise separat aufrufen lassen und bereits einen Vorgeschmack auf Halo 5 geben. Da die Grafikdetails hier nicht wie in Halo 3 und 4 reduziert werden mussten, um flüssige Bildwiederholraten zu gewährleisten, handelt es sich eindeutig um die hübschesten Karten im Spiel.
Die technische Seite gibt keinen Anlass zur Klage. Lediglich die Neufassung von Halo 2 kann ihre 60 Bilder pro Sekunde nicht in jeder Situation halten. Am Verkaufstag lieferte das Matchmaking zudem eher sporadisch Mitspieler, Microsoft arbeitet derzeit an der Fehlerbehebung. Gestartete Matches liefen jedoch ohne Probleme, wobei die Variation der Karten mager ausfiel: In der Regel waren dieselben paar Umgebungen in der Rotation. Erste Updates haben das Problem noch nicht behoben, Microsoft verspricht allerdings schnelle Abhilfe und möchte noch heute ein weiteres Update bereitstellen.
Kritik verdient sich Microsoft allerdings für den Day-One-Patch. Um alle Inhalte nutzen zu können wird zwar ein „nur“ noch 15 Gigabyte großes Update benötigt, was gegenüber der ersten Ankündigung fünf Gigabyte Datenvolumen einspart, dessen Existenz allerdings nicht in nötiger Fehlerbehebung begründet liegt. Microsoft spart sich schlicht die zweite Blu-ray für die Mehrspielerkarten in der Packung. Dass damit das Wechseln der Disk gespart wird, ist eine schwache Begründung: Schon bei Halo 4 konnte die zweite DVD nach dem Kopieren ihres Inhaltes auf die Festplatte dauerhaft in der Verpackung verschwinden.