Predictive-Policing: NRW will mit Software Einbrüche vorhersagen
Die Polizei in Nordrhein-Westfalen soll ab dem kommenden Jahr auch „Predictive-Policing“-Software wie „Pre Crime Observation System“ (Precobs) testen, um etwa die Tatorte von Einbrüchen vorherzusagen. Das geht aus einer Antwort (PDF-Datei) der rot-grünen Landesregierung auf eine kleine Anfrage der CDU hervor.
Demnach ist der Projektstart für Anfang 2015 vorgesehen. In einem ersten Schritt soll bei relevanten Predictive-Policing-Verfahren geprüft werden, inwieweit diese realisierbar und wirksam sind. Aus „kriminalstrategischen Erwägungen“ soll die Software zunächst bei Wohnungseinbrüchen eingesetzt werden. Fallen die Ergebnisse bei diesen Tests positiv aus, ist eine Ausweitung auf weitere Deliktfelder geplant.
Erste Ergebnisse werden für die zweite Jahreshälfte 2015 erwartet. Von Oktober 2015 bis September 2016 ist eine Praxisphase in den Polizeipräsidien Duisburg und Köln geplant.
Der Ansatz der Landesregierung ist dabei, nicht-personenbezogene Daten aus „bereits bestehenden polizeilichen Datenbeständen und weiteren frei zugänglichen Datenquellen (zum Beispiel bauliche Gegebenheiten in Stadtbezirken, Verkehrsinfrastrukturen, Wetterdaten) zu analysieren“. Auf diese Weise sollen auch Erkenntnisse erzielt werden, die über eine spezifische polizeiliche Nutzung hinausgehen – etwa für „Zwecke der Sozialpolitik oder des Städtebaus“. Zusätzliche Daten sollen für die Predictive-Policing-Analysen nicht erhoben werden.
Erste Testläufe in Bayern und Baden-Württemberg
Predictive-Policing-Software wird bereits von Polizeibehörden in Baden-Württemberg und Bayern getestet. Aktuell liegt der Fokus auf Precobs, das anhand der Daten von vergangenen Einbrüchen analysiert, wie hoch die Wahrscheinlichkeit von weiteren Taten in einer bestimmten Region ist. Allerdings könne die Software in erster Linie die Taten von Profi-Einbrechern prognostizieren, weil diese nach einem bestimmten Muster vorgehen würden, erklärte Karl Geyer, Leitender Kriminaldirektor im Polizeipräsidium Nürnberg, Anfang November gegenüber N24. Bei Beziehungs- oder Gelegenheitstaten sowie Beschaffungskriminalität von Drogensüchtigen wäre keine Vorhersage möglich.
Vor allem konservative Sicherheitspolitiker preisen Predictive-Policing-Verfahren als Zukunft der Polizeiarbeit. Infolge der ersten Testphase in Nürnberg und München äußerte sich etwa Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der letzten Woche zuversichtlich: „Ich bin optimistisch, dass sich Precobs bei uns weiterhin bewährt und gegebenenfalls auf ganz Bayern ausgeweitet werden kann.“
Skeptischer fällt derweil die Einschätzung der von SPD und Grünen geführten Landesregierung in Nordrhein-Westfalen aus. Bislang sei nicht hinreichend belegt, dass Analyseprogramme wie Precobs sich in der Praxis tatsächlich bewährt haben. Aufgrund komplexer „Ursachen und Entstehung von Kriminalität“ könne der „Rückgang von Straftaten in einem definierten Raum“ bislang nicht zwangsläufig auf den Einsatz von Predictive-Policing-Software zurückgeführt werden. Solche Annahmen wären „bislang weder evaluiert noch in anderer Weise sicher nachvollziehbar belegt“, heißt es in der Antwort der Landesregierung.
Skepsis und Kritik von Datenschützern
Ebenso skeptisch bewerten Datenschützer den Einsatz von entsprechenden Analyseverfahren. Nach Ansicht von Thomas Petri, dem bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz, wäre die entscheidende Frage, wie Präzise die Vorhersagen ausfallen. „Das kann im Einzelfall schon personenscharf sein“, sagte er laut dem N24-Bericht. Vor einer ersten Einschätzung wolle Petri die Software aber genauer untersuchen.
Deutlich kritischer wird die Software von Datenschutz-Aktivisten bewertet. Matthias Monroy, Mitarbeiter vom Linke-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko und Autor bei Netzpolitik.org, hatte etwa gegenüber N24 erklärt: „Ich halte es für problematisch, wenn Software zur Verbrechensbekämpfung eingesetzt wird. Denn wie bei einem Suchergebnis von Google hält der Anwender das Ergebnis für wahr.“ Befürchtet wird, dass Personen wahllos überprüft und kontrolliert werden. Hinzu kommt die grundsätzliche Skepsis gegenüber neuen digitalen Ermittlungswerkzeugen. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass sie immer aufgebohrt und erweitert werden, wenn es sie erst einmal gibt“, so Monroy.
Trotz solcher Kritiken sind Predictive-Policing-Verfahren weltweit bei Polizeibehörden auf dem Vormarsch. So forscht etwa die EU im Rahmen von Indect an einem Programm, das Überwachungsdaten aus mehreren Quellen – wie etwa Videokameras – verknüpfen soll, um automatisiert potentielle Gefahren und „abnormales“ Verhalten zu erkennen. Der Ansatz ist allerdings umstritten. Bürgerrechtler und Netzaktivisten charakterisierten Indect als Einstieg in einen Orwell'schen Polizeistaat.