Game of Thrones im Test: Ein Muss für Freunde der TV-Serie
2/3Episode 1: Iron from Ice
Rein formal betrachtet ist es passend, dass sich ausgerechnet Telltale mit einer Videospieladaption von „Game of Thrones“ (GoT) befasst. Denn hier gilt, was schon für „The Walking Dead“ galt: Videospiel-Adaptionen von Serien lassen sich verdammt gut im Episodenformat erzählen.
Von diesen bieten die Entwickler für's erste sechs Stück an, die binnen der nächsten Monate Stück für Stück veröffentlicht werden sollen. Bei einer Spielzeit von etwa zwei Stunden pro Folge bedeutet dies einen Umfang von zwölf Stunden, was bei einem Preis von rund 28 Euro ein akzeptables Angebot ist.
„Rote Hochzeit“ als Ausgangspunkt
Unter dem Titel „Iron from Ice“ stürzt die erste Folge den Spieler auch gleich mitten ins Geschehen. Dazu setzt der Titel am Ende der dritten TV-Staffel an: Ausgehend vom Massaker der „Roten Hochzeit“ wird die Geschichte des Hauses Forrester erzählt, das im großen Krieg um den Thron auf der Seite von Robb Stark stand – und damit den Verlierern angehört, was eine ungewisse Zukunft bedeutet.
Genau um diese geht es in GoT. Aus verschiedenen Perspektiven wird erzählt, wie die Forresters in der zerrütteten Nachkriegswelt versuchen, zu überleben. Die Gefahren sind vielfältig: Verfeindete Häuser machen der Familie den Rang und die Ressourcen streitig, der neue Herrscher des Nordens ist alles andere als wohlgesonnen und auch in der fernen Hauptstadt Königsmund gibt es mehr Feinde als Freunde.
Nichts für Neulinge
Schon dieser Abriss macht deutlich, dass Telltale kein „Game of Thrones“ für „Game of Thrones“-Neulinge entwickelt hat. Zwar muss man sicher nicht über die Inhalte der Bücher und der Serie promoviert haben, um der Handlung folgen zu können; grundlegende Kenntnisse sind aber schon ein Muss, um die Tiefe und die Zusammenhänge der Story durchdringen zu können. Dies gilt nicht nur für das Verständnis von großen Ereignissen wie der besagten „Roten Hochzeit“, bei der Robb Stark verraten und samt großer Teile seines Heeres gemeuchelt wurde, sondern auch für die vielen kleinen Details.
Kennern der Serie wird beispielsweise schnell auffallen, wie gut die von Telltale hinzugedichteten Forresters sich in die GoT-Welt einfügen. Entscheidende Stütze der Macht des Hauses sind die angrenzenden Wälder, aus denen die Handwerker des Hauses vorzügliche Schilde und Schiffe bauen können. Um diese Ressource unter der Kontrolle der Familie zu halten und die Intrigen der anderen Akteure abzuwenden, schlüpft der Spieler in überraschend viele Rollen, die allesamt irgendwie mit der Forrester-Familie verbunden sind. Wir schlagen uns als Knappe von der „Roten Hochzeit“ auf die Burg der Forresters zurück, fällen als neuer Lord juristische und politische Entscheidungen und intrigieren in Königsmund, um die wirklich Mächtigen des Reiches auf unsere Seite zu ziehen.
All das funktioniert in der ersten Folge sehr gut, auch wenn es durchaus Grund zum Meckern gibt. In dieser Hinsicht ist die grundlegende Konstellation zu nennen, die einen zwar sofort packt, die aber auch viele Elemente der ursprünglichen Handlung kopiert: Eine eher naive Forrester-Schwester ist mehr oder weniger verloren in Königsmund gestrandet (Sansa Stark), der junge Lord muss nach dem Tod seines Vaters schnellstens in seine neue Aufgabe hineinwachsen (Robb Stark) und der Knappe, der trotz niederer Abstammung irgendwie ein Teil der Familie war, verlässt die heimische Burg, um sich als Nachtwächter auf größere Aufgaben vorzubereiten (Jon Snow). Diese kleine Uneigenständigkeit ist aber spätestens dann vergessen, wenn der Spieler in persona eines Forrester-Mitglieds auf Original-Charaktere trifft. Zu diesen gehören in der ersten Folge Cersei, Tyrion, Margery und Ramsay Snow.
Packende Entscheidungen, winzige Gebiete
Doch auch ohne die Strahlkraft dieser Charaktere zieht einen GoT in seinen Bann, was an der typischen Telltale-Spielmechanik liegt. In Gesprächen und Auseinandersetzungen muss der Spieler sich immer wieder binnen weniger Sekunden für Antworten und Aktionen entscheiden. Widersprechen wir dem Bastard des neuen Nordherrschers, wenn er unsere Familie beleidigt? Nehmen wir es hin, dass er unsere Zwillingsschwester als Pfand nehmen möchte? Und wie reagieren wir, wenn Cersei von uns Unterwürfigkeit fordert und unsere Familie als Verräterpack bezeichnet? Unsere Entscheidungen haben Auswirkungen auf den Fortgang der Story, auch wenn sich immer mal wieder das Gefühl einschleicht, das bestimmte dramatische Wendungen unabhängig von der Interaktion unabänderlich stattfinden werden.
Kombiniert wird dieser dennoch sehr starke von Dialogen und Entscheidungen getriebene Teil mit kurzen Action-Szenen, in denen wir unsere Charaktere per Tastendruck ausweichen und angreifen lassen. Diese Momente sind für sich genommen langweilig, sorgen im Kontrast zu den Dialogen aber für angenehme Abwechslung.
Und auch bei den anderen Gameplay-Elementen bleiben die Entwickler ihrer Linie treu. Dies bedeutet, dass die Areale, in denen sich die Charaktere ab und an bewegen, extrem klein ausfallen und nur sehr wenige Interaktionsmöglichkeiten bieten – ein Preis, der zugunsten einer maximal dichten Erzählung gezahlt wird.
Angestaubte Grafik, gute Sprecher
Technisch bewegt sich „Game of Thrones“ auf einem allenfalls durchschnittlichen Niveau. Bugs suchten wir in der ersten Folge abgesehen von Kleinigkeiten wie Clippingfehlern zwar vergebens; grafisch aber wirkt der Titel doch selbst für Genre-Standards ein bisschen angestaubt. Die positive Seite dieser Medaille ist, dass der Titel sehr genügsam ist und selbst auf manchem Notebook in Full-HD-Auflösung ordentlich laufen dürfte.
Ein Pluspunkt ist in technischer Hinsicht die englische Vertonung, für die die Original-Stimmen gewonnen werden konnten. Doch auch in dieser Hinsicht ist „Game of Thrones“ nicht ohne Voraussetzung: Fortgeschrittene Englischkenntnisse sind schon gefragt, denn andere Sprachausgaben stehen zumindest bisher nicht zur Verfügung.