Klassiker neu entdeckt: Das erste Call of Duty (2003) im Vergleich zum aktuellen

Max Doll
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Klassiker neu entdeckt: Das erste Call of Duty (2003) im Vergleich zum aktuellen

Vorwort

Call of Duty gilt gemeinhin als Musterbeispiel der in Programmcode gegossenen Orthodoxie, weiß zumindest der (Spieler-)Volksmund. Auch wenn sich die Serie ins Gestern, Heute oder Morgen begibt, verfehlt sie es doch, ihr Gameplay zu modernisieren. Schlauchlevel, dieselbe Bombast-Inszenierung und das abschnittsweise Öffnen von Türen, bestenfalls mäßig geschickt kaschiert und zuletzt in Advanced Warfare mit Schauspieler Kevin Spacey geschmückt, erwarten Spieler in jedem Teil, lautet der Vorwurf. Aber ist dem wirklich so?

Zeit dorthin zurückzukehren, wo 2003 alles begann: Mit Call of Duty in den Zweiten Weltkrieg, einem mittlerweile seltenen Szenario. Noch ohne Untertitel.

Geschichte und Hintergrund

In gewisser Hinsicht macht sich Activision den Job leicht. Ein Shooter im Zweiten Weltkrieg braucht, solange der Spieler als alliierter Soldat kämpft, keinen Kontext. Ein logischer Handlungsrahmen ist bereits implizit über kulturelles Gemeinwissen verfügbar, was dessen mühsame Konstruktion erspart. Weil Anfang und Ende der „Geschichte“ sowie der Handlungsrahmen bestens bekannt sind, kann sich der Shooter den Sprung von Schauplatz zu Schauplatz erlauben.

Als Soldaten auf Seiten der US-amerikanischen, britischen und russischen Streitkräfte wird von Schlacht zu Schlacht gewechselt, Kohärenz im Bezug auf die Erlebnisse der einzelnen Protagonisten oder eine geschlossene zeitliche Abfolge sparen sich die Entwickler zugunsten einer episodischen Struktur. Detailwissen zu einzelnen Missionen, etwa der Landung in der Normandie oder den Kämpfen in Stalingrad, liefern mit historischem Bildmaterial unterlegte Zwischensequenzen sowie Ladebildschirme.

Zeittypisch: Die Dia-Briefings mit historischem Bildmaterial
Zeittypisch: Die Dia-Briefings mit historischem Bildmaterial

Ein wenig kreative Schützenhilfe bei Gestaltung und Auswahl möglichst packender Kampfhandlungen haben die Entwickler zwar schon damals bei Hollywood in Anspruch genommen, sich anstelle der AAA-Blockbuster jedoch aus anderen Genres bedient. Entstanden sind weitaus stringentere Passagen als in den gegenwärtigen Iterationen der Reihe. Schockmomente oder absurd übertriebenes Spektakel sucht man nach aktuellen Maßstäben vergebens. Dafür sind Level logisch in sich geschlossen und zumeist stimmig, sie verlaufen im weiteren Sinn „realistisch“. Das liegt auch daran, dass das Setting wenig Erklärungen oder Einordnungen erfordert und gewisse Verhaltensweisen nahelegt. Man könnte an dieser Stelle sagen: Advanced Warfare erzählt so schlecht wie eh und je und fällt dabei nur stärker auf.

Ein Soldat bekommt die Waffe, der nächste die Munition (Duell – Enemy at the Gates)
Ein Soldat bekommt die Waffe, der nächste die Munition (Duell – Enemy at the Gates)