Dying Light im Test: Zombie-Survival trifft auf Parkour

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Sasan Abdi
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Dying Light auf einen Blick

Die Antwort auf die eingangs gestellte Innovationsfrage kann gleich zu Beginn kurz und bündig beantwortet werden: Eine Revolution des Zombie-Subgenres ist Dying Light auf keinen Fall. Stattdessen merkt man dem Titel an vielen Ecken an, dass er zunächst als Fortsetzung von Dead Island entwickelt wurde. So macht Dying Light zwar manches besser, aber auch vieles ähnlich wie Techlands erste Auseinandersetzung mit der Untoten-Apokalypse.

Abgedroschene Handlung, mäßige Erzählung

Für die Story gilt dies allerdings nur indirekt. Hier bedienen sich die Entwickler nicht explizit beim Vorgänger, sondern schöpfen vielmehr aus dem Vollen des Genres. Dementsprechend sind einem die Pfeiler der Handlung bestens bekannt: In der südamerikanischen Metropole Harran bricht ein Virus aus, das die Menschen zu fiesen Untoten mutieren lässt, weswegen die Regierung die Stadt unter Quarantäne stellt. Die anschließende Suche nach einem Gegenmittel erweist sich als schwierig, weswegen die Verantwortlichen Harran mehr oder minder aufgeben. Statt nach einer effektiven Lösung zu suchen, wird eine radikale Ausmerzung des Virus erwogen. Für die letzten lebenden Bewohner heißt dies, dass sie auf sich allein gestellt sind.

In dieses etwas angelutschte Szenario wird der Spieler in Person eines Elitesoldaten entlassen, der per Fallschirmabsprung nach Harran gelangt und die Umstände der Epidemie aufklären soll. Die Kommunikation mit den Auftraggebern und die Suche nach einem Fiesling, der offenbar Fieses plant, treten in der Folge aber schnell in den Hintergrund. Stattdessen geht es zunächst ums nackte Überleben: Unser Held mit Namen Kyle Crane wird gebissen, sodass ihm ohne die regelmäßige Einnahme eines den Virus unterdrückenden Mittels schnell das endlose Dasein als Zombie droht. Schon alleine deswegen beschließt Crane, sich der scheinbar einzigen intakten Fraktion in dem Gebiet anzuschließen. Darüber hinaus hofft er, so an Informationen zum besagten Oberfiesling zu gelangen.

Auch wenn im weiteren Verlauf eine weitere Partei samt zahlreichen Charakteren eingeführt wird: So richtig Drive nimmt die Kampagne auf dieser Grundlage nicht auf. Stattdessen kommt schnell der Eindruck auf, dass die stets im Hintergrund wabernde Geschichte um eine mögliche Heilung nur der Kitt ist, um den Spieler durch eine post-apokalyptische Umgebung streifen zu lassen.

Abwechslungsreiche Spielwelt, zahlreiche Aufträge

Genau so ist Dying Light letzten Endes durchgehend angelegt. Dies ist keine Katastrophe und auch keine Überraschung, sondern entspricht dem Standard des Open-World- und Zombie-Genres, in dem der Plot nur selten wirklich im Vordergrund steht.

Die offene Spielwelt ist also potentiell der Trumpf des Spiels. Doch wie gestaltet sie sich? In dieser Hinsicht hat sich Techland tatsächlich Lob verdient: Harran ist nicht nur angenehm groß, sondern auch abwechslungsreich gestaltet. Crane schleicht durch flache Wellblechslums, durchsucht Bahnhöfe, Umspannwerke und Bauruinen, überblickt von markanten Punkten wie einem Kran die Umgebung und erklimmt immer wieder auch höhere Gebäude wie den „Turm“, um sich vor den Zombie-Horden in Sicherheit zu bringen.

Angetrieben wird die Erkundung von Harran vor allem durch immer wieder aufpoppende Missionen. Zu diesen zählen nicht nur die Story-Aufgaben, sondern auch allerlei Nebenquests, die sich am Wegesrand immer wieder anbieten. Dabei ist dem Spieler die Vorgehensweise freigestellt: Wer maximal eintauchen möchte, kann die Hauptmissionen in der Regel jederzeit pausieren und auf Streifzüge gehen.

Dies bietet sich aufgrund der Qualität der Nebenmissionen allerdings nur bedingt an. Selbst die Story-Aufgaben bestehen genretypisch aus viel „gehe von A nach B und säubere/hole/bringe“. Wer den Survival-Charakter von Dying Light aber ernst nimmt, wird darin eine solide Motivation finden, sich in Harran umfassend umzusehen: An vielen Ecken finden sich Gegenstände und warten Truhen darauf, geknackt zu werden.

Einfaches Crafting, automatisierte Charakterentwicklung

Auf diesem Wege stößt Crane auf allerlei Nützliches für sein Inventar. Neben fertigen Items wie Rohrzangen, Munition und Medikits gehören dazu vor allem Komponente, aus denen sich Dinge fertigen lassen. Aus Mull und Tape lässt sich beispielsweise ein Medikit erstellen, während Metallteile sich unter anderem zu Dietrichen umbauen lassen.

Ein komplexes Craftingsystem sollte man allerdings nicht erwarten. Stattdessen ist nur die Suche nach Blaupausen entscheidend: Findet Crane solche Baupläne und verfügt über die passenden Komponenten, lässt sich der Gegenstand einfach per Mausklick anfertigen. Die Vielfalt der Gegenstände wirkt dadurch ein wenig aufgesetzt, denn letzten Endes rennt man einfach durch die Umgebung und sammelt dabei ein, was einzusammeln ist – nur um hinterher mit einem Blick ins Inventar zu kontrollieren, was sich denn gerade so anfertigen lässt.

Dying Light
Dying Light

Trotzdem ist es löblich, wie viele Optionen Techland dem Spieler in Verbindung mit den Gegenständen an die Hand gibt. Wenige, mit spärlicher Munition ausgestattete Feuerwaffen werden flankiert von einer Vielzahl von Nahkampf- und Wurf-Waffen, die mit der Zeit repariert werden müssen und unterschiedliche Schadenseigenschaften aufweisen. Darüber hinaus kann Crane seine untoten Widersacher mit Böllern ablenken, mit UV-Licht blenden und in überall in Harran verteilte Fallen locken.

Ähnlich simpel wie das Crafting gestaltet sich die Charakterentwicklung. Diese passt sich der Spielweise des Spielers an: Lässt man Crane wild drauf losprügeln, werden schnell Erfahrungspunkte im Fähigkeitenbaum für den Kampf freigeschaltet. Entpuppt sich Crane dagegen als gewiefter Schleicher, der aus brenzligen Situationen lieber gekonnt flieht, werden zügig Fähigkeiten im Bereich „Agilität“ freigeschaltet. Im „Survivor“-Baum können schließlich Überlebenstricks verfeinert werden, sodass Crane im Notfall auch mal Autos explodieren lassen oder ein Schild einsetzen kann.

Anders als beim Crafting überzeugt uns der einfache, dem Spielstil folgende Ansatz der Charakterentwicklung, weil er die Vorlieben des Spielers nachbildet. Gut ist dabei auch, dass die neuen Fähigkeiten teilweise durchaus weitreichenden Einfluss haben. Wenn Crane etwa verdammt viel Schaden einstecken und verteilen kann, wird der Spieler ihn auch eher in die direkte Konfrontation mit den Zombies schicken. Dadurch ist die Charakterentwicklung mehr als nur bloße Mechanik – gut so!

Gemeinsam gegen Zombies von saudumm bis brandgefährlich

Doch wozu das alles? Am Ende geht es natürlich darum, es auf die ein oder andere Weise mit den Zombies aufnehmen zu können. Die zentrale Frage ist in dieser Hinsicht, was Techland da auf den Spieler loslässt. Die Antwort lautet: Alles möglich.

Da sind zunächst die normalen Beißer, die das Fussvolk darstellen und die allermeisten Straßenzüge von Harran bevölkern. Bei dieser Zombie-Sorte handelt es sich um lahme, dumme, ziemlich harmlose Zeitgenossen, die allenfalls in großer Masse zu einem Problem werden können.

Dying Light
Dying Light

Im Laufe der Zeit trifft Crane aber auf immer neue Mutationen, die es teilweise in sich haben. Schon die agressiven Läufer können schnell zu einer echten Gefahr werden, weil sie mit dem Tempo des Helden mithalten können. Kommt dann auch noch ein schwerer Gegner wie der hammerschwingende Miner dazu, hilft eigentlich nur noch die Flucht.

In gerade dieser Hinsicht ist Dying Light dann plötzlich doch besonders, denn hier paart Techland das Zombie-Genre mit der Geschwindigkeit und Geschicklichkeit des Parkour-Laufs. In bester Assassin's-Creed-Manier lassen wir Crane im Falle des Falles Fassaden erklimmen, springen von Dach zu Dach, stürzen uns Dutzende Meter in die Tiefe und spurten durch die engen Gassen von heruntergekommenen Slums. Das Gute daran: All das ist auch wirklich nötig, um zu überleben.

Gut gefällt uns auch, dass der dynamische Tag-Nacht-Wechsel Einfluss auf den Spielfluss hat. Am Tage kann Crane die Zombies nicht nur besser ausmachen, sie verhalten sich auch harmloser. In der Nacht aber werden alle Arten aggressiver, können weiter sehen und mehr Schaden austeilen. Zudem trifft Crane in dieser Zeit häufiger auf bösartigere Vertreter, sodass tatsächlich gilt: Nachts sollte man lieber schlafen.

Wer trotzdem lieber in der Dunkelheit durch Harran zieht, beispielsweise um mehr Erfahrungspunkte einzusacken, sollte erwägen, Mitspieler einzubeziehen. Der Koop bietet dazu sowohl private als auch öffentliche Spiele an, für die die eigene Kampagne geöffnet werden können. Darüber hinaus kann der Spieler seine Welt auch für einen sogenannten asymmetrischen Modus öffnen, bei dem ein menschlicher Gegner kurzzeitig als mächtiger Zombie Einzug hält. Beides wirkt auf den ersten Blick solide und könnte sich auf lange Sicht für alle Mehrspielerfreunde als wichtige Funktion entpuppen.

Gute Grafik, satte Performance-Probleme

Optisch macht Dying Light ohne neue Standards zu setzen einen guten Eindruck. Technisch ist der Titel aber offenkundig alles andere als fertig: Nach einem butterweich laufenden Tutorial sackt die Bilderrate bei vielen Spielern mit Betreten der Open World in Bereiche, die kaum mehr spielbar sind.

So auch bei uns: Auf maximalen Details läuft Dying Light in einer Auflösung von 1.920 × 1.080 mit rund 20 Bildern pro Sekunde. Ärgerlich ist, dass Techland den Spielern nicht besonders viele Einstellungsmöglichkeiten an die Hand gibt. Immerhin lässt sich die Texturqualität in Stufen verändern. Großen Einfluss hat auch die Sichtweite: Spielbar war Dying Light auf unserem Testsystem erst, als wir die Sichtweite von der Hälfte auf ein Viertel reduzierten. Trotzdem: Hier müssen die Entwickler dringend nachbessern.

Die Sound- und Sprachumsetzung geht dagegen in Ordnung. In dieser Hinsicht hätten wir uns allerdings eine etwas ambitionierte deutsche Sprachausgabe gewünscht. Gerade die Nebensprecher wirken teilweise etwas dröge.