Google Nexus 6 im Test: Smartphone-Dickschiff mit Schlauchboot-Laufzeit
Vorwort & Spezifikationen
Bis zum Nexus 5 konnten Googles Smartphones zu einem verhältnismäßig niedrigen Einstiegspreis erworben werden. 350 Euro verlangte Google Ende 2013 für das Nexus 5 mit 16 Gigabyte. Heutzutage ist das kleinste Modell des Nachfolgers Nexus 6 zwar bereits mit 32 Gigabyte bestückt, der Preis ist aber nicht auf 400 Euro wie beim Nexus 5 mit 32 GB, sondern auf mindestens 600 Euro geklettert. Dieser Preis gilt aber nur im Einzelhandel. Kurioserweise wurde der Spieß diesmal umgedreht und die Geräte auf Google Play sind teurer als etwa die bei Media Markt oder Saturn. Google nimmt 650 Euro für das Nexus 6 mit 32 Gigabyte, 700 Euro sind es mit 64 Gigabyte – jeweils also 50 Euro mehr, statt weniger.
Und was erhalten Kunden für diesen saftigen Aufpreis? Ein neues Nexus ist weiterhin ein High-End-Smartphone, dies war ebenso beim Nexus 5 und Nexus 4 der Fall. Das Datenblatt liest sich zwar besser als das des Nexus 5, dies geschieht aber mit jeder Iteration des Nexus und kann mit der logischen Weiterentwicklung innerhalb von einem Jahr auch erwartet werden. Wo also verstecken sich die mindestens 250 Euro Aufpreis gegenüber dem Nexus 5? Der Test will dies klären.
Google Nexus 6 |
Google Nexus 5 |
Samsung Galaxy Note 4 |
Apple iPhone 6 Plus |
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Software: (bei Erscheinen) |
Android 5.0 | Android 4.4 | iOS 8 | |
Display: | 5,96 Zoll, 1.440 × 2.560 493 ppi AMOLED, Gorilla Glass 3 |
4,95 Zoll, 1.080 × 1.920 445 ppi IPS, Gorilla Glass 3 |
5,70 Zoll, 1.440 × 2.560 515 ppi WQHD Super AMOLED |
5,50 Zoll, 1.080 × 1.920 401 ppi IPS, Ion-X Glass |
Bedienung: | Touch | Touch, Status-LED | Touch, Stylus, Fingerabdrucksensor, Status-LED | Touch, Fingerabdrucksensor |
SoC: | Qualcomm Snapdragon 805 4 × Krait 450, 2,70 GHz 28 nm, 32-Bit |
Qualcomm Snapdragon 800 4 × Krait 400, 2,26 GHz 28 nm, 32-Bit |
Qualcomm Snapdragon 805 4 × Krait 450, 2,70 GHz 28 nm, 32-Bit Variante Samsung Exynos 5 4 × Krait 450, 2,70 GHz 20 nm, 64-Bit |
Apple A8 2 × Typhoon, 1,40 GHz 20 nm, 64-Bit |
GPU: | Adreno 420 600 MHz |
Adreno 330 450 MHz |
Adreno 420 600 MHz Variante Mali-T706 600 MHz |
PowerVR GX6450 450 MHz |
RAM: | 3.072 MB LPDDR3 |
2.048 MB LPDDR3 |
3.072 MB LPDDR3 |
1.024 MB LPDDR3 |
Speicher: | 32 / 64 GB | 16 / 32 GB | 32 GB (erweiterbar) | 16 / 64 / 128 GB |
1. Kamera: | 13,0 MP, 2160p LED-Ring, f/2,00, AF, OIS |
8,0 MP, 1080p LED, f/2,40, AF, OIS |
16,0 MP, 2160p LED, f/2,20, AF, OIS |
8,0 MP, 1080p Dual-LED, f/2,20, AF, OIS |
2. Kamera: | Nein | |||
3. Kamera: | Nein | |||
4. Kamera: | Nein | |||
5. Kamera: | Nein | |||
1. Frontkamera: | 2,1 MP, 1080p AF |
1,3 MP, 720p AF |
3,7 MP, 1080p AF |
1,2 MP, 720p f/2,20, AF |
2. Frontkamera: | Nein | |||
GSM: | GPRS + EDGE | |||
UMTS: | HSPA+ ↓42,2 ↑5,76 Mbit/s |
DC-HSPA ↓42,2 ↑5,76 Mbit/s |
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LTE: | Advanced ↓300 ↑50 Mbit/s |
Advanced ↓150 ↑50 Mbit/s |
Advanced ↓300 ↑50 Mbit/s Variante Advanced ↓150 ↑50 Mbit/s |
Ja ↓150 ↑50 Mbit/s |
5G: | Nein | |||
WLAN: | 802.11 a/b/g/n/ac Wi-Fi Direct, Miracast |
802.11 a/b/g/n/ac | ||
Bluetooth: | 4.1 | 4.0 LE | 4.1 | 4.0 LE |
Ortung: | A-GPS, GLONASS | |||
Weitere Standards: | Micro-USB 2.0, NFC, 3,5-mm-Klinke | Micro-USB 2.0, SlimPort, NFC | Micro-USB 2.0, MHL, NFC, Infrarot | Lightning, NFC, 3,5-mm-Klinke |
SIM-Karte: | Nano-SIM | Micro-SIM | Nano-SIM | |
Akku: | 3.220 mAh (12,20 Wh) fest verbaut, kabelloses Laden |
2.300 mAh (8,74 Wh) fest verbaut, kabelloses Laden |
3.220 mAh (12,40 Wh) austauschbar |
2.915 mAh (11,10 Wh) fest verbaut |
Größe (B×H×T): | 83,0 × 159,3 × 10,06 mm | 69,2 × 137,8 × 8,59 mm | 78,6 × 153,5 × 8,50 mm | 77,8 × 158,1 × 7,10 mm |
Schutzart: | – | |||
Gewicht: | 184 g | 130 g | 176 g | 172 g |
Preis: | 649 € / 699 € | 349 € / 399 € | 769 € / – | 799 € / 899 € / 999 € |
Design & Verarbeitung
Zunächst einmal spielt das Nexus 6 eine Klasse über dem Nexus 5, was die Größe des Smartphones betrifft. Und High-End-Phablets waren schon zu Zeiten des Nexus 5 teurer als die kleineren Modelle. Wenn wir nicht eines Tages mit 10-Zoll-Telefonen am Ohr herumlaufen möchten, muss Google sich spätestens mit der nächsten Generation vom aktuellen Namensschema verabschieden. Hier und heute steht die 6 im Namen für eine Display-Diagonale von satten sechs Zoll. Mit Gehäuseabmessungen von 83,0 × 159,3 × 10,06 Millimetern wird das schon nicht kleine Nexus 5 plötzlich zum kompakten Einhand-Smartphone. Kein Wunder, dass das Nexus 6 intern den Codenamen Shamu trägt, den Namen des großen Schwertwals, der Mitte der 1960er zu Showzwecken in Gefangenschaft gehalten wurde.
Das Nexus 6 ist ein Dickschiff, das selbst mit sehr großen Händen nicht mit einer Hand bedient werden kann. Während Apple mit der sechsten Generation des iPhones die Wahl zwischen „etwas größer“ und „viel größer“ erlaubt, lautet die Devise bei Google: Wer das aktuelle Nexus haben möchte, muss zwangsläufig in die Phablet-Klasse wechseln – und zwar das obere Ende dieser Klasse. Ein wenig mehr und die Größe des Nexus 7 wäre erreicht, weshalb es keine Überraschung ist, dass Google sich von dem kleinen Tablet verabschiedet hat. Statt in bisher 5, 7 und 10 Zoll, bietet Google die aktuelle Nexus-Generation nur noch in 6 und 9 Zoll an. Wer ein kleineres Smartphone oder Tablet sucht, geht bei Google leer aus.
Trotz seiner gigantischen Abmessungen liegt das Nexus 6 aber noch gut in der Hand, die Bedienung sollte aber ausschließlich über die zweite erfolgen. Die Rückseite besteht aus weichem Kunststoff, der aber lange nicht so griffig wie die Rückseite des Nexus 5 ist. Im Gegenzug sind Fingerabdrücke aber weniger schnell sichtbar, als noch auf dem alten Modell. Neu für die Nexus-Serie ist der Metallrahmen, der Vorder- und Rückseite zusammenhält. Dieser macht das Nexus 6 trotz der großen Flächen stabil, weniger schön sind allerdings die ungleichen Spaltmaße. Auf der von hinten betrachtet linken Seite steht die Abdeckung sogar minimal ab, was selbst bei einem nicht mehr fabrikneuen Testgerät, das schon mehrere Redaktionen in der Hand hatten, nicht passieren sollte.
Die Ursache dafür liegt möglicherweise darin, dass man mit dem Nexus 6, obwohl es noch ein wenig größer als das iPhone 6 Plus ist, nicht den Eindruck hat, genauso vorsichtig mit ihm umgehen zu müssen. Die Rückseite wird im direkten Vergleich geschont, weil sie beim Auflegen nicht vollständig in Kontakt mit dem Untergrund kommt. Durch die bauchige Form liegt stets das Mittelstück auf, was aber keine negativen Auswirkungen auf die Kamera hat. Das kreisrunde Blitzelement mit je einer LED auf neun und drei Uhr sitzt höher als die Linse und schützt diese deshalb. Auf das Weiß der Rückseite sowie das Silber des Nexus-Schriftzuges und Motorola-Logos hatte der Gebrauch der letzten Wochen keinen Einfluss. Der Einsatz in mehreren Redaktionen zeigt sich stattdessen an der USB-Buchse, deren Kunststoffeinsatz leicht verformt ist. Es hat also auch Vorteile, mal kein nagelneues Testgerät in Händen zu halten und die Spuren von mehreren Wochen Einsatz dokumentieren zu dürfen.
Gut gefällt, dass bei glattem Untergrund auch die Vorderseite nicht direkt aufliegt. Während das aktuelle Motorola Moto X nur optisch Stereo-Lautsprecher bietet, ist beim Nexus 6 tatsächlich aus beiden Öffnungen Ton zu hören. Das HTC One, egal, ob M7 oder M8, bleibt zwar der Maßstab, es ist aber schön zu sehen, dass auch Google das Potential erkannt und das geradezu für Multimedia prädestinierte Nexus 6 mit ordentlichen Stereo-Lautsprechern ausgestattet hat. Zweiter Vorteil neben dem guten Klang ist, dass diese minimal hervorstehen und so das Display bei glattem Untergrund nie direkt aufliegt. Grobe Krümel oder gar kleine Steinchen können die Lautsprecher zwar nicht überbrücken, von Vorteil ist die leichte Erhebung im Alltag aber dennoch. Praktisch ist auch die Position der rechts montierten Tasten. Diese sitzen fast auf halber Höhe des Smartphones, sodass immerhin diese problemlos mit einer Hand erreicht werden können. Vorteil Nummer 2: Während die Lautstärkewippe glatt ausfällt, ist der Power-Button mit einem Längsschliff versehen, was bei Dunkelheit Verwechslungen vermeidet. Die Tasten hätten aber gerne etwas fester im Gehäuse sitzen dürfen.
Das Gesamtkonstrukt Nexus 6 gefällt mit einer insgesamt guten Verarbeitung bei einer gleichzeitig qualitativ höherwertigen Materialwahl, als noch beim von LG gefertigten Nexus 5. Die Unterschiede fallen aber nicht derart eklatant aus, dass sie einen Aufpreis von 250 Euro rechtfertigen.
Display
Groß, größer, Nexus 6. Mit einer Display-Diagonalen von 5,96 Zoll verlässt Google jegliches Standardterritorium. Dessen Obergrenze markierte bisher das Samsung Galaxy Note 4 mit 5,7 Zoll. Google definiert die Klasse aber nicht neu, weil Hersteller wie Asus, Acer, Huawei, HTC, Nokia und auch Samsung ebenfalls schon in dieser gewildert haben oder sich weiterhin daran versuchen. Bisher war in dieser Liga aber bei Auflösungen von 1.920 × 1.080 Pixeln das Ende der Fahnenstange erreicht. Nach LG mit dem G3 und Samsung mit dem Galaxy Note 4 und Note Edge bietet nun auch Google in Deutschland ein Smartphone an, das sich mit 2.560 × 1.440 Pixeln in neue Höhen schraubt.
Mit dem Nexus 6 kehrt Google zurück zum Typ AMOLED-Display, der das letzte Mal beim von Samsung gefertigten Galaxy Nexus zum Einsatz kam. Die beiden Nachfolger Nexus 4 und 5 setzten stattdessen auf IPS-Displays. Dank der höheren Auflösung des AMOLED-Displays kann Google die PenTile-Matrix mit niedrigerer Subpixeldichte verschleiern und erreicht ein Auflösungsniveau, das mit dem Nexus 5 vergleichbar ist. Wenn Grafiken entsprechend hochauflösend vorliegen, werden sie sehr scharf dargestellt und geben keinen Anlass zur Klage. Auch Schrift stellt das Nexus 6 sehr klar dar.
AMOLED-typisch punktet das Display mit einem sehr guten Kontrast und einer sehr lebendigen Farbdarstellung. Mit einem Weißpunkt von circa 6.800 Kelvin gefällt das Display sogar mit einer etwas besseren, wenn auch leicht kühleren Weißdarstellung als das Nexus 5. Dessen Testgerät tendierte damals zu einer leicht gelblichen Darstellung, ein privat eingesetztes Modell sowie das eines Kollegen lieferten wiederum stark abweichende Werte. Ein zum Vergleich herangezogenes Apple iPhone 6 Plus mit gleichem Weißpunkt zeigt erneut, wie viel poppiger ein AMOLED-Display strahlt. Farben driften leicht in einen unnatürlichen Bereich ab, was zum Beispiel bei Rot sichtbar ist, bei dem immer ein Hauch Orange mitschwingt, ohne aber die Oberhand zu gewinnen. Nüchtern betrachtet liefert Apple das bessere Display, was die präzise Darstellung angeht, das AMOLED-Display weiß aber vor allem in Bezug auf das neue Material Design von Google zu gefallen, das oftmals mit kräftigen Farben daherkommt.
Das Display des Nexus 6 hat aber auch eine ganz klare, eklatante Schwäche: Die Helligkeit fällt enttäuschend schlecht aus. Mit maximal 262 cd/m² muss Sonneneinstrahlung aktiv vermieden, Schatten gesucht oder am besten gleich in geschlossene Räume gewechselt werden. Das Nexus 6 schlägt zwar noch das alte Galaxy Nexus in puncto Helligkeit, an aktuellen Gegnern beißt sich Google aber die Zähne aus. An dieser Stelle wird ersichtlich, dass Motorola nicht mit der allerneuesten Generation AMOLED von Samsung versorgt wird, diese verbaut das Unternehmen ausschließlich in den eigenen Geräten. Denn das Panel des Galaxy Note 4 kommt mit manueller Einstellung auf immerhin 350 cd/m², mit automatischer sind es sogar 482 cd/m², wenngleich die Darstellungsqualität darunter extrem leidet. Das Nexus 6 macht indes keinen Unterschied zwischen manueller und automatischer Justage. Das Bestrahlen der Smartphone-Front mit einer extrem hellen LED-Leuchte lässt das Display im Gegensatz zum Note 4 nicht heller werden, es verharrt starr bei 262 cd/m².
Ein Pluspunkt des Displays ist, dass es eingegangene Benachrichtigungen sowie Uhrzeit und Datum für rund vier Sekunden in Schwarz-Weiß anzeigt, sobald das Smartphone angehoben wird. Wird dann das Display berührt, wechselt das Nexus 6 zur vollen Farbdarstellung und erlaubt Interaktionen auf dem Lockscreen. Dieser kleine Bonus kann aber letzten Endes nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Wechsel von IPS zu AMOLED die falsche Wahl war. Das Display des Nexus 5 ist das bessere; Apples iPhone 6 Plus spielt weiterhin in einer eigenen Liga und bleibt der Maßstab in der Phablet-Klasse.