Oculus Rift DK 2 im Test: Die Zukunft ist hier und sie beeindruckt nachhaltig

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Andreas Schnäpp
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Anwendungsgebiete

Spiele

Step into the Game“ – der einstige Werbeslogan zur Oculus-Rift-Kickstarter-Kampagne ist längst kein Wunschdenken mehr, sondern befindet sich auf dem besten Weg zur Tatsachenbeschreibung. Von Tag zu Tag trudeln neue VR-Demos und kompatible Spielerlebnisse im hauseigenen Oculus-Share-Portal ein, die einen bunt gemischten Ausblick darauf geben, welche Spielerlebnisse mit Virtual Reality möglich sind. Dies reicht von atemberaubenden Ausflügen ins Weltall bis hin zu faszinierenden Airhockey-Duellen mit Außerirdischen.

Ein Fest für Simulationsfans

Bedingt durch die kabelgebundene Konzeption des Oculus Dev-Kit 2, ist der natürliche Bewegungsradius während des Spielens zu einem gewissen Grad eingeschränkt: Die Tracker-Kamera sollte auf die übliche Sitzposition ausgerichtet werden, sodass innerhalb der eigenen Armreichweite zumindest nichts in der Nähe ist, was während des Umschauens oder des Nach-vorne- oder Zur-Seite-Beugens irgendwie umgeworfen werden oder zu Bruch gehen könnte. Je ähnlicher die Haltung des Spielers im echten Leben dabei der Körperhaltung im Spiel gleicht, desto leichter gelingt der Sprung zur Präsenz in der virtuellen Realität.

Dies hängt damit zusammen, dass das Unterbewusstsein des VR-Nutzers die Kontaktflächen mit der „echten Welt“ (Füße auf dem Boden; Sitzfläche/Rückenlehne des Stuhls) registriert und dem Gehirn Rückmeldung über die aktuelle Position gibt – eine der vielen Formen der bereits angesprochenen „Realitäts-Checks“ der menschlichen Wahrnehmung. Stimmt die Körperhaltung des Spielers nun mit seinem virtuellen Avatar überein, fallen diese potentiellen Irritationsfelder aufgrund unterschiedlicher Sinneswahrnehmungen weg, sodass die virtuelle Spielwelt vom Unterbewusstsein als „echt“ akzeptiert wird.

So ist es nicht verwunderlich, dass die intensivsten VR-Erlebnisse mit dem stärksten Gefühl der Präsenz zum aktuellen Zeitpunkt in Simulationsspielen zu finden sind – ganz vorne mit dabei: Elite: Dangerous. Das Innere des Cockpits springt dem Spieler förmlich ins Auge: Ein Blick zur Seite und die Galaxie-Übersicht öffnet sich vollautomatisch. Direkt vor dem eigenen virtuellen Körper zeigen holografische Interfaces den Zustand des eigenen Raumschiffs sowie des anvisierten Ziels an. Dazwischen: ein dreidimensionales Radar. Was nach Science-Fiction klingt, fühlt sich genau so an.

Wir drücken mit der linken Hand den Schubregler unseres HOTAS-Steuerknüppels nach vorne, unser virtueller Avatar macht dasselbe. Ein leichter Zug am Steuerknüppel nach hinten, unser virtuelles Pendant ebenso. Wir richten unseren Oberkörper auf, neigen uns nach vorne und blicken in Richtung der Spitze unseres Raumschiffs, um ein grobes Gefühl dafür zu bekommen, wie groß unser Raumschiff im Vergleich zu unserem virtuellen Körper eigentlich ist. Das Größenverhältnis beeindruckt. Es wird jedoch schon beim ersten Anfliegen auf eine Station getoppt, die im Gegensatz zu unserer anscheinend doch nicht so großen Weltraumschüssel geradezu überwältigend wirkt. Es sind Kleinigkeiten wie diese, die das Gefühl von Präsenz aufrechterhalten.

Schon in den ersten Combat-Tutorials wird klar, dass wir nicht mehr ohne VR-Brille fliegen wollen: Die gegnerische Sidewinder zieht Kurven und Schleifen, doch weicht unser Blick nicht von ihr. Durch die große Glaskuppel unseres Cockpits schauend, bleibt unser Blick auch während Loopings auf das gegnerische Schiff fixiert, bis es wieder in unserem Fadenkreuz landet und letztendlich in einer Reihe von Explosionen das Zeitliche segnet.

Unser nächstes Ziel ist gefühlt viermal so groß wie unser eigenes Raumschiff. Beim Anflug auf das gegnerische Versorgungsschiff nutzen wir eine unbedachte Flugbahn und kassieren prompt eine Salve der an der Oberseite des Schiffes montierten Geschütztürme, die unsere Schilde innerhalb weniger Sekunden durchsieben. Bis wir uns wieder an die sichere Rückseite unsere Gegners manövrieren können, schlagen weitere Geschosse ein: Überall sprühen Funken, das holografische Interface verzerrt für kurze Zeit – und wir sind abgelenkt. Während wir mit Staunen auf die Effekte in unserem Raumschiff achten, bilden sich erste Risse: Das Glas unseres Cockpits droht zu brechen, Thruster fallen aus, wir trudeln. In den hoffnungslosen letzten Sekunden sehen wir, wie die Glasfront unseres Cockpits birst und die Luft schlagartig entweicht. Für einen kurzen Moment ertappen wir uns dabei, wie wir instinktiv nach Luft schnappen, bevor unser Raumschiff endgültig explodiert. „Wow. Ist das gerade wirklich passiert?“, ist unser letzter Gedanke, bevor das „Tutorial-neustarten“-Auswahlmenü erscheint und uns aus der Simulation reisst. Momente wie diese demonstrieren das Potential von Virtual Reality, wenn das Spieldesign einfach funktioniert.

Ein weiteres Highlight aus der Kategorie der bereits erhältlichen Weltraumspiele ist Lunar Flight aus dem Hause Shovsoft. Die Steuerung funktioniert via Gamepad und kontextsensitiven Auswahlmenüs, die erst angeblickt und daraufhin mit einem Knopfdruck bestätigt werden müssen. In jeder Blickrichtung sind dabei unterschiedliche Funktionen und Knöpfe angebracht, wobei das schwerfällige Mondmodul sicher über die Mondoberfläche navigiert werden muss. Spätestens beim Landeanflug kommt die Genialität dieses simplen Spielkonzepts zum Vorschein: Auf der linken Seite des Cockpits können auf den Bildschirmen verschiedene Außenkameras angezeigt werden, die beim Landeanflug zusätzlich zu den in der Cockpitfront angebrachten Höhen-, Geschwindigkeits- und Kompassanzeigen im Auge behalten werden müssen. Intuitiv und herausfordernd zugleich.

Bodenständiger, aber nicht minder beeindruckend geht es in den Rennsimulatoren Assetto Corsa sowie iRacing zu: In Kombination mit einem Force-Feedback-Lenkrad als Eingabemethode kommt faszinierendes Cockpitfeeling auf. Besonders die detaillierten Innenräume von Assetto Corsa bereiten schon beim simplen Umschauen richtig Freude. Wirklich interessant wird es jedoch, wenn sich ein anderer Rennwagen in Hörweite ankündigt.

Setzen bisher viele Spieler in der Simracing- und Flugsimulator-Nische auf Triple-Monitor-Setups und/oder TrackIR-Headtracker, um ein breiteres Sichtfeld zu erhalten oder sich besser umschauen zu können, könnten VR-Brillen das in Zukunft obsolet machen. Bei Überholmanövern kann die Lage mit einem fixen Schulterblick eingeschätzt und Fahrzeugkontakt vermieden werden. Allein schon die Tatsache, dass während Kurven der Scheitelpunkt oder andere Fahrer anvisiert werden können, sorgt für ein viel natürlicheres und intensiveres Fahrgefühl, als es normale Monitore vermitteln könnten.

Für Freunde waschechter Simulationen können erste Consumer-VR-Brillen nicht früh genug kommen: Sofern die Spielentwickler noch etwas an ihren Interfaces im VR-Modus arbeiten, gehören Simulatoren definitiv zu dem Genre, für das sich VR-Brillen zur Marktreife am meisten lohnen werden. Das Gefühl der Immersion und Präsenz profitiert gleich doppelt, weil in diesen Genres schon seit Jahren optimale Eingabemöglichkeiten in Form von Lenkrädern und Steuerknüppeln etabliert sind.

Zu den beliebtesten VR-Demos zählen derzeit virtuelle Achterbahnfahrten. Ob durch Burgen, virtuelle Wohnzimmer, schwimmende Städte oder Vulkanhöhlen – an Auswahl mangelt es wirklich nicht. Die „Lava-Inc.“-Demo überlässt Spielern sogar in manchen Streckenabschnitten die Kontrolle über die Geschwindigkeit, indem der Oberkörper nach vorne oder hinten geneigt wird.

Der Achterbahn-Simulator NoLimits 2 bietet Spielern seit Ende November die Möglichkeit, ihre Kreationen in einer virtuellen Testfahrt mit dem DK2 zu erleben. Ob sich zukünftige Ableger der „Rollercoaster-Tycoon“-Reihe daran ein Beispiel nehmen werden, bleibt abzuwarten – die Möglichkeit, aus der isometrischen Parkplaner-Ansicht in die Ego-Perspektive zu wechseln und in VR durch den eigenen Freizeitpark spazieren oder die Fahrgeschäfte austesten zu können, wäre jedenfalls ein Kaufargument für sich.