Amazon Kindle Voyage im Test: Premium-E-Book-Reader mit Display-Problemen
4/5Bedienung und Lesen
Mit sechs Zoll lässt Amazon die Display-Größe des Kindle Voyage gegenüber dem Kindle Paperwhite unverändert, die Auflösung des E-Ink-Panels wird mit 1.440 × 1.080 Bildpunkten jedoch verdoppelt. Damit steigt die Pixeldichte gegenüber dem kleinen Bruder von 212 ppi auf 300 ppi, mit Carta und Regal setzt Amazon dazu auf weitere Technologien vom Spezialisten E-Ink.
Auch das sogenannte Ghosting, also das nicht vollständige Löschen von Inhalten vorheriger Seiten, konnte Amazon trotz gleicher Technologie weiter verbessern. Wer trotzdem auf Nummer sicher gehen will, lässt die Farbpigmente des Displays bei jeder Seite neu ausrichten – ein wirklich sichtbarer Zeitunterschied beim Aufbau neuer Seiten konnte dabei, wie auch schon beim Paperwhite 2, nicht festgestellt werden. Darüber hinaus treten trotz der nun verwendeten Glasfront keine höheren Reflexionen auf; auch dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt, bleiben Texte sehr gut lesbar.
Die mit der höheren Auflösung einhergehende verbesserte Darstellung wird vor allem im direkten Vergleich deutlich: Schriften erscheinen feiner sowie kräftiger, was auch dem besseren Kontrastverhältnis zu verdanken ist. Dennoch fallen die Unterschiede geringer aus als zunächst erwartet. Dies dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass bereits der Kindle Paperwhite 2 Inhalte auf hohem Niveau darstellt. Wer also eine ähnliche Verbesserung erwartet wie beim Tablet-Wechsel von HD-Auflösung hin zu Full HD wird enttäuscht.
Komfortablere Bedienung durch PagePress
Die Bedienung gestaltet sich vergleichbar mit dem Paperwhite 2. Geblättert wird beim Kindle Voyage jedoch nicht mehr ausschließlich über den Touchscreen, sondern auch unter Verwendung der im seitlichen Rahmen angebrachten PagePress-Sensoren. Über die größere untere Fläche wird eine Seite weiter-, über den sich darüber befindlichen kleineren Bereich eine Seite zurückgeblättert. Mit der neuen Funktion soll das Blättern mit lediglich einer Hand deutlich einfacher gestaltet werden – so weit die Theorie. In der Praxis setzt PagePress eine hohe Geduld beim Nutzer voraus: Bei Dunkelheit kann es einige Zeit dauern, bis dieser die Position der Sensoren verinnerlicht hat, was zu häufigen Seitenwechseln in die falsche Richtung führt. Damit die Sensoren nicht bereits beim Halten oder Umgreifen auslösen, kann die Druckempfindlichkeit in drei vorgegebenen Stufen eingestellt werden; Gleiches gilt für das haptische Feedback. Hat der Nutzer jedoch einmal den Bogen raus, bietet die neue Funktion einen nicht verkennbaren Bedienungskomfort. Bei Bedarf kann sie aber deaktiviert werden.
Kaum Veränderungen hingegen in Sachen Anpassung: Auch beim Kindle Voyage stehen dem Nutzer sechs Schriftarten plus Verlagsschrift in acht Größen bereit, welche mit Zeilenabständen und Seitenrändern in drei vorgegebenen Stufen angezeigt werden können. Im Gegensatz zum Paperwhite 2 stellt der Kindle Voyage Texte jedoch nicht mehr linksbündig, sondern ab sofort als Blocksatz dar, was für teilweise große Lücken zwischen den Wörtern sorgt. Eine andere Darstellungsform lässt sich nicht auswählen. Wie andere Lesegeräte der Kindle-Reihe verfügt auch der neue Sprössling, im Gegensatz zu Modellen der Mitbewerber, über keine Silbentrennung.
Ebenfalls zum Funktionsumfang gehört Pageflip, bei dem sich eine kleinere Seite über den Text legt, um so bestimmte Stellen im Buch zu finden, ohne die aktuell gelesene Seite verlassen zu müssen. Dieses Feature profitiert aufgrund der kleinen Darstellung besonders von der höheren Auflösung. Hinzu kommen die bekannten Lesezeichen und Notizen.
Beim deutschen Wörterbuch setzt Amazon nach wie vor auf den Duden, für englische Texte kommt das Oxford Dictionary zum Einsatz. Darüber hinaus stehen Wörterbücher in vielen Sprachen zur Installation bereit, darunter Niederländisch, Portugiesisch oder auch Japanisch. Auf Wunsch können Begriffe auf Wikipedia nachgeschlagen oder Wörter mit dem Bing-Translator von Microsoft übersetzt werden – dies auch über die Mobilfunkverbindung. Markierte Wörter lassen sich zudem entweder zum Vokabeltrainer hinzufügen oder als Notizen abspeichern – letztere werden lokal in einer einfachen txt-Datei gesichert und lassen sich somit leicht exportieren. Eine Begrenzung der Lesezeit und der Zugriffe lässt sich zudem über FreeTime und die Kindersicherung realisieren. Ins Auge sticht auch der Artikelmodus des Beta-Browsers, der Texte von Webseiten extrahiert und größer darstellt. Dabei werden jedoch gelegentlich Bilder und Navigationen verschluckt.
Eine immer größere Verbreitung bei deutschen E-Books findet X-Ray. Diese bei englischsprachigen Büchern schon lange etablierte Zusatzfunktion bietet dem Leser eine jederzeit aufrufbare Übersicht der Personen, Handlungsorte oder weitere Informationen über die Handlung. Dabei kommen nicht selten Beiträge von Wikipedia zum Einsatz. Gerade bei seitenschweren und komplexen Büchern stellt X-Ray eine nicht zu verachtende Hilfestellung dar.
Bei der Darstellung von PDF-Dokumenten spielt der Kindle Voyage wiederum einen kleinen Trumpf aus. Aufgrund der höheren Auflösung bleiben auch E-Papers, im Gegensatz zum Paperwhite 2, ohne Vergrößerung lesbar – auch wenn dies auf Dauer nicht als komfortabel zu erachten ist. Mit einem Doppeltipp auf eine Textspalte kann der Inhalt auf Wunsch vergrößert werden, eine Wischgeste nach rechts oder links wechselt zur nächsten oder vorherigen Textspalte; manuell kann der Inhalt auch per Pitch-to-Zoom-Geste in der Größe geändert werden. In Hinblick auf die Geschwindigkeiten bewegt sich der Voyage auf ähnlichem Niveau wie der Paperwhite 2 vor ihm, die Verdopplung des Arbeitsspeichers auf 512 Megabyte dient in erster Linie der Kompensation des mit der höheren Auflösung einhergehenden größeren Berechnungsaufwands beim Blättern.
Die Beleuchtung: Licht und Schatten
Die Beleuchtung wurde ebenfalls um zwei Funktionen erweitert, dafür muss der Nutzer nun auf die Schaltfläche für maximale Leuchtkraft verzichten. So beinhaltet der neue Premium-Reader einen integrierten Helligkeitssensor, der optional das Licht automatisch an die äußerlichen Bedingungen angleicht. Dies führt, wie von Tablets und Smartphones bekannt, in der Praxis nicht immer zu zufriedenstellenden Ergebnissen – zu individuell sind die Vorlieben der verschiedenen Nutzer. Auf Wunsch kann der Nutzer darüber hinaus via Nachtlicht-Funktion die Leuchtkraft des Readers automatisch graduell anpassen lassen, um so seine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnen zu können. Dennoch regelt das System im Test die Helligkeit oft zu weit herunter.
Neben allen positiven Aspekten besitzt der zunächst getestete Kindle Voyage aber auch die in der Berichterstattung und in vielen Nutzerkommentaren erwähnte fehlerhafte Beleuchtung. Dies zeigt sich in einem mit bloßem Auge erkennbaren vertikalen Übergang vom bläulichen (unten) ins beige Licht (oben). Je kräftiger das Display leuchtet, desto stärker erscheint der nachteilige Effekt. Bei einem zweiten Testgerät trat der Fehler hingegen nicht auf, was die Vermutung bestätigt, dass nicht alle Geräte betroffen sind. Dennoch darf dieser Fehler bei einem Gerät dieser Preisklasse nicht auftreten.
Erwischt der Nutzer jedoch ein Gerät mit funktionierender Beleuchtung, gibt es an dieser nichts auszusetzen. Mit einer Leuchtkraft von knapp 130 cd/m² legt der Kindle Voyage gegenüber dem Paperwhite 2 mit 90 cd/m² sogar noch etwas zu. Auch die noch vom Paperwhite 2 bekannten Lichthöfe am unteren Display-Rand sind nur noch bei sehr genauem Hinsehen im Ansatz zu erkennen.