Decay: The Mare im Test: Horror-Abenteuer für Wanderfreunde

Sasan Abdi
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Decay: The Mare im Test: Horror-Abenteuer für Wanderfreunde
Bild: Daedelic

Vorwort

Wenn es ein Genre gibt, das gut zur „Point-and-Click“-Mechanik passt, dann ist es Horror. Und das Indie-Studio Shining Gate hat einige Erfahrung auf diesem Gebiet. Vor gut fünf Jahren zeichneten die Schweden für den Episodentitel „Decay“ verantwortlich, in dem der Spieler erleben konnte, was es bedeutet, wenn ein versuchter Selbstmord in einem Albtraum endet.

2013 meldete sich Shining mit einer Fortsetzung der „Decay“-Serie zurück: In dem auf drei Episoden ausgelegten „The Mare“ sollten die Spieler erneut in eine grausige Umwelt eintauchen.

Nach einigen Unwägbarkeiten steht erst jetzt, Anfang Februar, die Veröffentlichung der dritten Folge an, wobei hierzulande mit Daedalic ein deutscher Entwickler und Publisher gewonnen werden konnte, der auf das Genre spezialisiert ist. Neben der digitalen Komplettausgabe kommt eine Woche später auch eine Boxed-Version in den Handel. Höchste Zeit also, „The Mare“ unter die Lupe zu nehmen.

Spoiler-Warnung: Da ein Spieletest nicht immer gänzlich ohne die Wiedergabe einzelner wichtiger Handlungselemente der Geschichte möglich ist, bitten wir all jene, die vorab nichts über die Handlung des Spiels erfahren möchten, nur das Fazit zu lesen. Wir bemühen uns jedoch stets, die Wiedergabe auf absolut notwendige Erzählelemente zu beschränken.

Decay – The Mare auf einen Blick

Wie in „Decay“ lässt Shining Gate auch für „The Mare“ einen bemitleidenswerten Protagonisten auflaufen. Sam ist ein armer Tropf, dessen lange Karriere als Junkie in der Entzugsanstalt „Reaching Dreams“ endet.

Allerdings mündet die erste Einnahme der verordneten Medikamente im wahrsten Sinne des Wortes in einen Albtraum. Als Sam erwacht, hat sich seine Umgebung auf grauenvolle Weise verändert. Doch nicht nur, dass alles heruntergekommen und deprimierend wirkt: Da ist mehr, eine Gefahr – und auch eine Kraft, die nach Hilfe und Rettung zu rufen scheint.

Decay: The Mare im Test
Decay: The Mare im Test

Auf dieser inhaltlichen Grundlage manövriert der Spieler Sam durch die Räume von „Reaching Dreams“. Zum Einsatz kommen dabei überwiegend statische, nicht besonders detailreich gezeichnete Hintergründe. Diese kann man per Maus oder Pfeiltasten rudimentär durchschreiten, wobei sich Sam stets je eine Folie weiter bewegt.

Geschickt aufgebrochen werden die überwiegend unbewegten oder nur minimal bewegten Bilder von plötzlichen Dynamiken und kurzen Sequenzen, die fast immer zumindest eine kleine Gänsehaut garantieren. Wenn Gesichter auf Bildern plötzlich mit den Augen zwinkern, eine Hand aus einem blutigen Beutel fährt oder gar ein schwer zu identifizierendes Wesen auf Sam zukommt, sind Schockmomente garantiert.

Doch auch durch das generelle Artwork wird eine düstere, bedrückende Stimmung vermittelt. Ganz dem Titel des Spiels entsprechend, wirkt „Reaching Dreams“ richtig vermodert. Lampen flackern, Wände bröckeln und auf den Fußböden rotten Papier, Teddybären und allerlei Unrat vor sich hin. Entzugsanstalten und Psychatrien eignen sich nach wie vor bestens, um einen surrealen Albtraum zu inszenieren.

Die großen inhaltliche Fragen wie „Was ist passiert?“, „Warum ist Sam hier?“ oder „Und wie kann er der Situation entrinnen?“ werden im Gameplay vor allem mit Rätseln und Hürden verarbeitet. Immer wieder steht der Protagonist vor verschlossenen Türen und Labyrinthen. Auch wenn im Finale so etwas wie multiple Enden locken: der Weg dahin ist ultralinear.

Decay: The Mare im Test

Die grundlegende Mechanik ist relativ schnell durchschaut. Immer wieder wird der Spieler mit Details konfrontiert: Man stößt auf Zahlenkombinationen, Symbole und Pfeile, die auf den ersten Blick ohne große Bedeutung auf Papieren und Wänden platziert wurden. Spätestens bei der nächsten Hürde aber wird klar, dass die schonend, aber nicht komplett unauffällig eingeführten Angaben auf die eine oder andere Weise zum weiteren Vorgehen gebraucht werden. So stößt Sam beispielsweise auf zwei Papiere, die scheinbar wahllos Pfeile enthalten, faktisch aber den Weg durch ein Türenlabyrinth weisen.

Allzu komplexe Rätseleien sollte man nicht erwarten. Dafür ist „The Mare“ aber auch nicht unbedingt gemacht. Es scheint durchaus gewollt zu sein, dass der Spieler gut durchkommt: Die Atmosphäre soll nicht unter zu viel Stillstand und Grübeln leiden. Diese Strategie geht gut auf, zumal sich im Notfall per Mausklick zumindest die grobe Richtung anzeigen lässt. Für Freunde von ausuferndem Rätselspaß – auch das eine Kernkompetenz des Genres – dürfte „The Mare“ aber viel zu simpel sein, auch wenn großzügig verteilte Münzen echte Sammler zumindest ein wenig dazu einladen, jeden Schauplatz besonders genau unter die Lupe zu nehmen.

Für uns fühlt sich der von Shining Gate gewählte Weg insgesamt aber solide an. Dies gilt allerdings nicht für das offenkundige Recycling der Umgebung: Zu oft schicken die Entwickler Sam durch alle Räume zurück an den Anfang, um ein Rätsel zu lösen. Das bedeutet, dass man sich teils umfangreich durch die Umgebungen klicken muss – klar, dass der Spielspaß in diesen Momenten leidet, zumal eindeutig ist, dass in diesen Situationen kein Schockmoment droht und damit keine Vorsicht angezeigt ist.

Gegen Ende der ersten Episode stößt Sam beispielsweise auf vier Zeichnungen, die an bestimmten Plätzen in den bis dahin bekannten Räumen platziert werden müssen. Nervig, zumal der Wegweiser die besagten Plätze nicht mal anzeigt, sodass man sämtliche Räume ohne Thrill im Hintergrund erneut absuchen muss.

Decay: The Mare im Test
Decay: The Mare im Test

Für frischen Wind sorgt immer mal wieder die Möglichkeit, Gegenstände zu neuen Objekten zu kombinieren. Schick ist auch die Integration einer Kamera, mit der einerseits fiese Schockmomente umgesetzt werden, die andererseits aber auch Auswirkungen auf die Rätselmechanik hat. So findet sich die Kombination für den Zugang zu einer Tür beispielsweise hinter den ausradierten Gesichtern von Porträtfotos, wobei die Zahlen erst auf dem mit der Kamera gemachten Foto erkennbar sind. Zwar hat die Kamera den etwas unschönen Nebeneffekt, dass wir an nahezu jedem Schauplatz wie wild Fotos schießen, um zunächst auf verborgene Nachrichten zu überprüfen – diese Dummheit muss aber ehrlicherweise dem Spieler und nicht den Entwicklern zugeschrieben werden.

Grafisch sollten Interessierte von „The Mare“ selbst für Genrestandards keine Überraschungen erwarten. Der Titel sieht akzeptabel aus und bringt die düstere Atmosphäre glaubhaft rüber – ein Augenschmaus mit detailliert gezeichneten Schauplätzen ist er aber nicht. Dafür dürften selbst Besitzer von älteren Systemen und Notebooks keine Probleme haben: Zwar wurden bisher keine offiziellen Systemanforderungen veröffentlicht, ein Hardware-Fresser ist „The Mare“ aber definitiv nicht.

In puncto Sound- und Sprachumsetzung gibt es schließlich nichts zu meckern. Insbesondere die musikalische Untermalung gefällt mit einem monotonen Klavier und minimalistischen Klängen sehr gut. Sprache kommt kaum zum Einsatz. Wenn doch, darf man sich über einen akzeptablen englischen Sprecher freuen. Schade ist, dass sich die deutschen Untertitel nicht ohne Weiteres ausschalten lassen.

Fazit

„Decay: The Mare“ verändert die Standards des Genres Horror nicht und glänzt auch nicht mit einer besonders pfiffigen inhaltlichen oder technischen Umsetzung. Und doch haben wir den Titel in rund fünfstündiger Spielzeit nahezu verschlungen.

Dies liegt zu einem guten Teil an der authentischen Atmosphäre und den geschickt gesetzten Schockmomenten. Und auch die Story trägt mit ihren vielen Mysterien dazu bei, dass wir gerne bei der Fahnenstange geblieben sind.

Ärgerlich ist, dass die Entwickler so ungeniert Schauplatzrecycling betreiben. Wenn wir durch zwei Dutzend bekannte Räume streifen müssen, um ein mäßig spannendes Rätsel zu lösen, lässt der Spielspaß kurzerhand massiv nach. Nur gut, dass diese Momente nicht allzu oft vorkommen.

Wer damit leben kann und an ein „Point-&-Click“-Spiel nicht den Anspruch von richtig harten Rätsel hat, sollte sich „Decay: The Mare“ näher anschauen. Zum Preis von knapp 10 Euro für die digitale Version erhält der geneigte Spieler einen unterhaltsamen Titel für zwischendurch.

Decay: The Mare im Test

Kopier- & Jugendschutz

„Decay: The Mare“ ist als DRM-freie Version und über Steam erhältlich. Auf Valves Plattform wird das Spiel an das jeweilige Nutzerkonto gebunden, was einen Wiederverkauf quasi unmöglich macht. In Sachen Jugendschutz ist zu erwähnen, dass die USK bisher keine Wertung vorgenommen hat, der Titel also nur an Volljährige verkauft werden darf.

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