Klassiker neu entdeckt: Giants: Citizen Kabuto nach 15 Jahren im Test
2/2Spielablauf und Technik
Was Giants: Citizen Kabuto von modernen Spaß-Shootern abhebt, ist seine Vielseitigkeit. Die Gruppe agiler Meccaryn-Aliens ist mit Gyrokoptern und Jetpacks Herr der Lüfte, gebietet über ein großes (klassisches) Waffenarsenal und bleibt damit die vertrauteste der drei Fraktionen. Strafen, schießen, ausweichen und dabei Pick-ups sammeln funktioniert wie von Spielen dieses Alters erwartet, weshalb man die Burschen in der Kampagne auch als Erstes vorgesetzt bekommt.
Gemessen an modernen Shootern ist allein dies jedoch erfrischend „neu“. Die je fünf Missionen pro Seite dienen klar dem Zweck, sich mit Design, Fähigkeiten und Steuerung vertraut zu machen, sind also als unterhaltsames Tutorial gedacht.
Das Vergnügen kommt dabei nicht zu kurz, schließlich dürfen Spieler ohne Einschränkungen über die Karte kraxeln und sich so auch die Vertikale erschließen. Lediglich der Schwierigkeitsgrad zieht rasch an, weil die Meccaryn als taktisch vielseitigster Fünfertrupp die im Vergleich geringste Kampfkraft pro Person aufbieten. Zwar funktioniert die Begleiter-KI ordentlich, an der Schwäche des gesteuerten Protagonisten ändert sie aber nichts: Stirbt der Spieler, geht es aufgrund der fehlenden Speicherfunktion zurück zum Beginn des Teilabschnitts – ein Fall, der trotz stets folgender Begleiter schnell eintreten kann. Sobald Giants den Basisbau einführt, macht sich dieser Umstand nochmals stärker bemerkbar.
Zum Bau einer Basis gilt es nur, Smarties, die indigene Population, zu sammeln und mit Rohstoffen – Fleisch von umherziehenden Kreaturen – zur Arbeit zu motivieren. Die eigentlich simple Aufgabe wird durch den hohen Verbrauch an Material und das Vorgehen der Opponenten erschwert. Zwischen stetig anwachsenden, gefährlicheren Wellen von Gegnern, deren Wegfindungsroutinen gerne erhebliche Aussetzer vermelden, ist das Sammeln von Fleisch und das In-Schuss-Halten der eigenen Heimstätte dank des Speichersystems eine ebenso undankbare wie langwierige Aufgabe ohne Netz und doppelten Boden, die den Griff zu altmodischen Cheats zu einer ratsamen Option macht.
Abkürzen lässt sich der mühsame Bauvorgang nicht. Neue Gebäude schalten ausschließlich neue Ausrüstungsgegenstände frei, erst das letzte Upgrade jedoch die zum Gewinnen zwingend benötigte Megawaffe. Im Prinzip ersetzt der Aufbau-Part funktional ein Erfahrungspunkte-System, das sich durch die Konkurrenz um die mehrfach Hände wechselnden Smarties im steten Fluss befindet. Da sich keine Verstärkung rekrutieren lässt, nehmen die Upgrades ausschließlich Einfluss auf die Potenz des eigenen Charakters. Interessant ist der daraus hervorgehende Mix aus ungewohnten Tätigkeiten in Defensive und Offensive aber allemal.
Mit der Sea-Reaper-Dame Delphi ihre böse Mutter vom Thron zu stoßen, wird in der zweiten Kampagne eine erheblich einfachere Angelegenheit. Delphi kann sich nicht nur per Turbo schneller bewegen, sondern auch gefahrlos im Wasser aufhalten, während die „Meccs“ im kühlen Nass noch von gnadenlosen Piranhas verspeist werden. Mit einer ganzen Bandbreite mächtiger Zaubersprüche und größerer Kampfkraft spielt sich diese mit Pfeil und Bogen äußert elfische Fraktion nicht nur erfrischend anders, sondern auch einfacher.
Selbst der in seiner Repetition ermüdende Basisbau geht leichter von der Hand, da als Ressource die Seelen jeder Art getöteter Gegner genutzt werden, die ohnehin in großer Zahl vor der eigenen Haustür aufschlagen. Auf dem Weg fällt Giants noch ein, dass es mit Jetski-Rennen auch noch ein drittes Genre bedienen kann. Ein paar Minuten letztendlich einsam im Kreis zu fahren, verfehlt jedoch zu erheitern und täuscht nicht darüber hinweg, dass Giants letztlich nur zwei Typen von Gegnern und damit begrenzte Variation anbietet.
Den einfachsten und spektakulärsten Part hebt sich der Titel jedoch für den Schluss auf. Kabuto, das namensgebende Ungetüm, ist groß, verdammt sauer, brüllt gerne – und ist damit vollumfänglich beschrieben. Entsprechend brauchen sich Spieler nicht mit dem Sammeln von Smarties oder dem Bau einer Basis aufhalten. Kabuto frisst und prügelt, was das Zeug hält. Als seine eigene Basis wächst der blaue Terminator ab einer gewissen Anzahl von Mahlzeiten, die er zwecks Zwischenlagerung auf seine Hörner spießen darf.
Für ein vom Instinkt getriebenes Monster sind komplexe Taktiken oder Fähigkeiten, die nicht Schlagen und Verspeisen heißen, ohnehin kein Thema. Die offenen Karten werden entsprechend ausschließlich per pedes erschlossen und eröffnen so eine dritte Perspektive, bei der Hügel und Felsen mitunter Hindernisse bleiben. Trotz des vereinfachten Gameplays fasziniert gerade dieser Teil; als immer weiter wachsende Kampfmaschine herumzustapfen, lässt durch das korrekte Gefühl von ungezähmter Macht eine kindliche Freude an animalischem Verhalten ohne Denken aufkommen. Trotz aller Schwächen entwickeln allein das Ausprobieren und Entdecken der Möglichkeiten aller drei Parteien in einer Art Sandkastenprinzip eine ungebrochene Faszination.
Theoretisch führt all das nahtlos in den Mehrspielermodus, dessen wichtigster Teil neben dem asymmetrischen Deathmatch diese eigentümliche Mischung aus Strategie- und Actionspiel ist, die in den einzelnen Missionen immer wieder geübt werden muss. Das Konzept besitzt durchaus vielversprechendes Potential, weil die fürchterliche KI der Opponenten durch menschliche Intelligenz ersetzt werden kann. Praktisch finden sich für diesen Modus wie auch im Allgemeinen keine Spieler mehr.
Giants harmoniert trotz seines Alters gut mit aktueller Hard- und Software. Zahlreiche Mods, ein Serverbrowser, Bugfixes und grafische wie spielerische Verbesserungen wurden in einem inoffiziellen Patch mit der Versionsnummer 1.5 (v1.497) gebündelt, der über Giants WD heruntergeladen werden kann. Enthalten sind zudem für GeForce-3-Grafikkarten mit DirectX-8-Renderpfad implementierte Verbesserungen einer eigens entwickelten Version des Titels. Widescreen-Auflösungen werden von Haus aus unterstützt, lediglich das HUD ist wie bei vielen Spielen dieses Alters gestreckt. Problematisch war im Test nur das Wählen einer Auflösung im Betrieb mit mehreren Monitoren: Da nur vom sekundären Monitor unterstützte Auflösungen (10:16) wählbar waren, blieben Änderungen ohne Wirkung. Die vorübergehende Deaktivierung des zweiten Displays hilft in diesem Fall. Nach Auswahl der Auflösung kann der Monitor im Anschluss ohne Nebenwirkungen wieder in Betrieb genommen werden.
Fazit
Giants: Citizen Kabuto hat die eine oder andere Länge, die Ausdauer abverlangt. Im Ganzen wirkt der Titel nach heutigen Maßstäben trotz zahlreicher wegweisender Elemente und vergessener, guter Ideen in Teilen wie ein Technologieträger, der sich in der Kampagne gelegentlich im Dschungel seiner Möglichkeiten verirrt. Das asymmetrische Fundament funktioniert jedoch erstaunlich gut und sorgt für die eine oder andere spaßige Stunde bei der herausfordernden Erkundung des Spiels. Dass der Kern des Entwicklerteams aus nur neun Personen bestanden hat, macht diese Leistung umso eindrucksvoller. Insofern lohnt sich ein Blick noch immer, wenngleich vielleicht nicht aus exakt denselben Gründen wie noch vor 15 Jahren. Spieler für den Mehrspieler lassen sich allerdings nicht mehr finden.
Schnellcheck | Giants: Citizen Kabuto |
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Getestete Version | 1.5 (v1.497) |
Altersfreigabe | ab 16 Jahren |
Systemanforderungen | Intel Pentium II 350 MHz 64 MB RAM 8 MB Grafikkarte 0,9 GB HDD |
Widescreen | wird unterstützt |
Mods | Single- und Multiplayer via Giants WD |
Kompatibilität | bis Windows 8.1 (x64) |
Probleme | Auflösung bei Multi-Monitor-Setup nicht übernommen |
Erhältlich | Second Hand, GoG.com |
Empfehlung | Ja |
Bisher erschienen
In der Serie „Klassiker neu entdeckt“ bereits erschienen:
- Max Payne (2001)
- MechWarrior 4: Mercenaries (2002)
- Medal of Honor: Allied Assault (2002)
- Tomb Raider 2 (1997)
- System Shock 2 (1999)
- Star Trek Voyager: Elite Force (2000)
- Re-Volt (1999)
- Command & Conquer: Generals (2003)
- Thief II: The Metal Age (1999)
- The Operative: No One Lives Forever (2000)
- Fallout: A Post Nuclear Role Playing Game (1997)
- Call of Duty (2001)
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