Total War: Attila im Test: Im neunten Teil der Serie sind die Hunnen los
2/3Total War: Attila auf einen Blick
Die Einordnung von Attila läuft wenig überraschend darauf hinaus, dem „Was ist neu?“ nachzuspüren. Denn an den Grundfesten ihres viel gehegten Produkts rütteln die Entwickler von Creative Assembly auch diesmal nicht. Nach wie vor blickt der Spieler aus der Vogelperspektive auf die Kampagnenkarte, und nach wie vor münden die politischen Verstrickungen der unterschiedlichen Fraktionen regelmäßig in Kriegen, deren Schlachten im Zweifel immer vom Spieler und nicht von der KI geschlagen werden sollten.
Ausgefüllt wird dieses schon immer zugrundeliegende Paradigma dieses Mal in klarer Anlehnung an den Vorgänger. Zwar hat Creative Assembly vielerorts Hand angelegt, doch fühlt sich Attila doch nicht selten ähnlich an wie Rome II.
Dies beginnt schon bei der Kampagne, die sich zeitlich nicht allzu weit vom Vorgänger entfernt. Angesiedelt um 400 nach Christus, stehen im Zentrum der Karte das ost- und weströmische Reich. Einander nicht wohlgesonnen und mit inneren Konflikten beschäftigt, bemerken die Herrschenden des in zwei Teile zerfallenen ehemaligen Hegemons nicht, wie sich die machtpolitischen Verhältnisse verschieben: Im Südosten wächst das Reich der Sassaniden heran, das den Oströmern mittelfristig das fruchtbare Nilbecken streitig machen könnte. Und aus dem noch ferneren Osten naht eine Gefahr, die für alle Völker Europas und des Mittleren Ostens das Verderben bringen könnte.
Neue Fraktionen mit eigenen Spielstilen
Womit die erste wichtige Neuerung, die neuen Fraktionen, angesprochen wären. Neben den bereits genannten Völkern kann der Spieler auch die Kontrolle über so schillernde Fraktionen wie die Vandalen, die Sachsen, die Franken und die Goten übernehmen. Insgesamt stehen zehn neue Völker bereit, wobei Vorbesteller als Bonus per DLC auch noch die Dänen, Gauten und Jüten steuern können.
Dabei bringt jede Partei wie gehabt ein eigenes Arsenal an Funktionen und Eigenschaften mit, sodass mit unterschiedlichen Gebäuden und in der Schlacht natürlich insbesondere mit verschiedenen Einheiten experimentiert werden kann. Darüber hinaus wird in der „Großen Kampagne“ für jede Fraktion eine eigene kleine Geschichte erzählt, die mit jeweils eigenen Aufgaben und Belohnungen versehen ist.
Gut gefällt dabei, dass die Wahl des Volkes Auswirkungen auf den Schwierigkeitsgrad und die Parameter des Spiels hat. Wer etwa die Sassaniden wählt, wird sich früher oder später mit der anderen Regionalmacht, dem oströmischen Reich, anlegen müssen. Dafür findet man gut gefüllte Schatzkammern und reiche Ländereien vor, doch wollen diese auch gegen die barbarischen Stämme aus dem Osten und Norden verteidigt werden. Als Weströmer wird man dagegen wahrscheinlich weniger expansionistisch vorgehen und stattdessen darauf bedacht sein, die innere Einheit zu wahren und allenfalls den in Religionsaufstände verstrickten Oströmern den einen oder anderen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Neues Spielgefühl durch Einführung der Hunnen
Am wichtigsten aber ist die Einführung der Nomadenvölker, und hier insbesondere die der indirekt namensgebenden Hunnen. Denn wo „normale“ Fraktionen auf ein stationäres Reich mit festen Strukturen und Städten setzen, ziehen diese Völker von Ort zu Ort – immer auf der Suche nach frischem Weideland und der nächsten Beute.
Die Hunnen sind dabei deswegen besonders, weil sie in Attila keine Städte erobern können. Ein historisch inakkurater Feldherr kann die wilden Nomaden also nicht kurzerhand zu einem sesshaften, über ein riesiges Flächenreich verfügendes Volk von Bauern und Soldaten machen.
Das bringt ein völlig neues Spielgefühl mit sich: Ausgestattet mit einem ansehnlichen mobilen Heer, zieht der Hunnenführer von Beginn an von Landstrich zu Landstrich. Um die Kosten des fahrenden Heeres zu decken, muss ständig geplündert werden. Aus dem fernen Osten kommend, wälzen sich die Heerscharen so Stück für Stück an die wirklich fette Beute – allen voran die beiden römischen Reiche – heran.
Zwischendurch müssen die Heere immer wieder rasten, um beispielsweise neue Rekruten anzuwerben. Dazu wechseln sie in einen temporären Siedlungsmodus, in dem auch provisorische Gebäude zum Handel, der Nahrungsgewinnung und der Militärproduktion errichtet werden können. Wann dies geschieht, muss umsichtig geplant werden: Bricht der Spieler die Lager wieder ab, wird er bei der nächsten Rast von vorne beginnen müssen.
Niederbrennen als brutale Option
In ihrem Vorgehen steht es den Hunnen frei, ob sie Städte auf ihrem Weg „nur“ brandschatzen oder gleich niederbrennen. Die Entscheidung wird häufig nach strategischen Gesichtspunkten fallen. Ist es beispielsweise wahrscheinlich, dass die Schar in das Gebiet wird zurückfallen müssen, ist es nicht unklug, die Stadt zu verschonen – um in ein paar Jahren die eben erst neu bestellten Ländereien erneut abräumen zu können.
Aber Vorsicht: Ein zu aggressives Vorgehen wird die betroffene gegnerische Fraktion nur noch vehementer auf den Plan rufen. Wer ständig Städte ausraubt oder gar niederbrennt und damit – auch eine neue Funktion – den kompletten Landstrich auf Jahre unbrauchbar macht, wird sich bei einem stärkeren Gegner früher oder später mit einer großen Streitmacht konfrontiert sehen. Und das mit gutem Grund: Ausradierte Landstriche lassen sich nur sehr mühsam und unter Einsatz von viel Geld neu aufbauen, weswegen gerade kleinere Städte, die niedergebrannt wurden, nicht selten für lange Zeit Ruinen bleiben. Umgekehrt gilt also, wenn der Spieler ein „altes Reich“ übernimmt: Nomaden an den Grenzen sollten nicht zu lange geduldet werden.
Den ultimativ-aggressiven Weg müssen die Nomaden allerdings nicht immer zwangsweise gehen. Bei kleineren Fraktionen kann es schon ausreichen, ein großes Heer in Richtung einer Stadt marschieren zu lassen. Manch weiser KI-Führer wird dem Spieler dann noch vor der ersten Schlacht ein großzügiges Schutzgeld anbieten; was natürlich nicht ausschließt, dass die Horden dennoch über die Siedlungen herfallen.
Aus der ständigen Gefahr einer Konfrontation erwächst aber bei den Nomaden die Notwendigkeit, das Vorgehen genau zu planen. Denn wie bei den stationären Reichen gilt: Wer seine Ressourcen überstreckt, wird früher oder später am nach wie vor knackigen Schwierigkeitsgrad von Total War scheitern. Dazu ein Beispiel: Ermutigt von zahlreichen einfachen Raubzügen im Osten, teilten wir unsere Hunnen in Zentraleuropa auf, um in alle Richtungen zu marodieren. Das machten sich die Goten zunutze, indem sie sich konzentriert Stück für Stück unsere südlichen, verstreut in Richtung Rom marschierenden Heere vornahmen. Die gefürchteten Hunnen sind also durchaus eine starke, ernstzunehmende und vor allem spannend zu spielende Fraktion. Unbesiegbar sind sie aber nicht.
Seuchen, Fruchtbarkeit, Rückkehr des Familienbaums
Die Einführung der Hunnen ist auf dieser Grundlage die entscheidende Veränderung. Darüber hinaus halten einige kleinere Neuerungen Einzug. Getrieben wird die Völkerwanderung, die letztlich auch dem Auftreten der Hunnen zugrunde lag, auch von externen Gegebenheiten. Neu ist etwa, dass Naturkatastrophen Einfluss nehmen können. Völker, die weitläufigen Handel betreiben, unterliegen beispielsweise der Gefahr, die für das Wachstum entscheidende Gesundheit durch eingeschleppte Krankheiten zu gefährden. Und auch die Nahrung spielt eine strategische Rolle: Während sich diese in den weiten Ebenen der Steppe nicht sonderlich gut gewinnen lässt, ist beispielsweise das erwähnte Nilgebiet prädestiniert dafür, als Kriegsgrund zu gelten – schließlich lassen sich hier hervorragend Ackerbau und Viehzucht betreiben.
Ein etwas fader Beigeschmack ist dabei, dass diese beiden neuen Aspekte nicht so richtig spürbar Einfluss auf den Verlauf der Kampagnen haben. So wird man selbst mit weniger fruchtbaren Landstrichen irgendwie zurande kommen. Dabei birgt gerade der Kampf ums Essen einige Spannung, zumal in der Zeit tatsächlich Veränderungen im Weltklima dafür sorgten, dass zahlreiche Landstriche plötzlich an Fruchtbarkeit einbüßten.
Als Zugeständnis an alteingesessene Total-War-Spieler kann schließlich die Wiedereinführung des Familienstammbaums gewertet werden. Diese war in Rome II von vielen schmerzlich vermisst worden und bietet nun wieder die Möglichkeit, den eigenen Hof und natürlich die Familie zu pflegen. Wir vermählen Sprösslinge mit den Sprösslingen von einflussreichen Mitgliedern am Hof oder externen Dynastien, reagieren auf Komplotte und haben immer mal wieder Details zu entscheiden, darunter etwa, wie mit einem frechen Emporkömmling umzugehen ist. Verbunden ist das gesamte Vorgehen dabei mit dem Ansehen des Herrschers, das wiederum Auswirkungen auf wirtschaftliche und militärische Parameter hat.
Überraschung: Die Technik macht keine Probleme
Klingt kompliziert? Ist es auch, denn auch Attila liegt wie schon den Vorgängern eine komplexe Mechanik zugrunde. Diese funktioniert über weite Strecken gut und damit glaubhaft. Zugleich bringt sie aber natürlich auch für diesen Total-War-Ableger zahlreiche Menüs und Statistiken mit, die gerade Neulinge anfänglich abschrecken. Daran ändert auch nichts, dass die Entwickler sich merklich an einer Verschlankung und Neuordnung versucht haben: So richtig intuitiv ist das Interface nach wie vor nicht.
Abseits davon kann allerdings festgehalten werden, dass technisch vieles passt. Von den typischen Schwierigkeiten wie Abstürzen, die ein Total War eigentlich traditionell zum Verkaufsstart hat, wurden wir verschont.
Die vergleichsweise moderaten Systemanforderungen sind aber auch dieses Mal ein Stück weit Augenwischerei. Wer Attila auf hohen Details genießen möchte, sollte auf jeden Fall ein sehr aktuelles System sein Eigen nennen, wie auch die Benchmarks verdeutlichen, in denen wir auch auf die CPU-Skalierung, Kantenglättung – ein großes Problem in Total War: Attila – und Frametimes eingehen. Bei uns läuft der Titel auf „Extrem“ in Full HD weitgehend konstant bei einigermaßen spielbaren 30 bis 35 Bildern pro Sekunde.
Auch visuell basiert Attila merklich auf Rome II. Zwar merkt man der Kampagnenkarte insgesamt eine Überarbeitung an – ein neuer Meilenstein ist Attila, das als Schlusspunkt der Rome-Trilogie konzipiert wurde, aber nicht. Trotzdem dürften sich Feldherren freuen, wenn sie erstmals auf kleine Details wie das neue Feuer stoßen, das sich bei Belagerungen dynamisch in Städten ausbreitet und unter Umständen negative Auswirkungen auf die Moral der Verteidiger hat.
Ärgerlich ist aus technischer Perspektive aber, dass sich die KI in manchen Momenten auch dieses Mal wieder Total-War-typisch dumm anstellt. Dies gilt glücklicherweise nur bedingt für das Echtzeit-Schlachtfeld, auf dem einem die Computergeneräle durchaus harte Auseinandersetzungen liefern. Auf der Kampagnenkarte stolpert man allerdings wie gehabt immer mal wieder über unsinnige KI-Züge, bei denen Heere ohne erkennbaren Hintergrund wild von A nach B geschickt und zurückgezogen werden.
Und auch ein anderes Dauerärgernis ist nicht ausgemerzt: Die Berechnung der KI-Fraktionszüge zwischen den Runden dauert, gerade im späteren Spielverlauf, nach wie vor recht lang. Schade, dass Creative Assembly diese Schwachstellen auch dieses Mal nicht in den Griff bekommen hat.