EU-Rat: Rückschritt bei Roaming und Netzneutralität
Der EU-Rat will die geplante Abschaffung der Roaming-Gebühren ausbremsen. Ebenso sollen die Vorschriften zur Netzneutralität, auf die sich das EU-Parlament im April 2014 verständigt hatte, durch Ausnahmen für Spezialdienste gelockert werden.
Ursprünglich wollte die EU-Kommission, dass die Roaming-Gebühren in Europa bis 2016 vollständig abgeschafft werden – trotz der Kritik von Seiten der Provider, die dieses Vorhaben heftig kritisieren. Nun zeigt aber der EU-Rat, in dem die Vertreter der Mitgliedsstaaten sitzen, dass man ein offenes Ohr für die Klagen der Netzbetreiber hat. Denn von einer vollständigen Abschaffung der Gebühren ist vorerst keine Rede mehr. Stattdessen will das Gremium lediglich einen „neuen Preisbildungsmechanismus“ einführen, um die anfallenden Gebühren zu senken.
Der Plan lautet nun: Die Provider müssen den Mobilfunkkunden ein bestimmtes Kontingent für Anrufe, SMS und Datendienste bereitstellen, bei dem zusätzlich zu den Inlandsgebühren keine weiteren Gebühren anfallen. Wie groß diese Kontingente sein sollen, soll noch festgelegt werden. Doch sobald „dieser Roaming-Grundrahmen ausgeschöpft ist, kann der Betreiber eine Gebühr erheben, die jedoch deutlich unter den derzeitigen Gebühren liegen wird“, heißt es in der offiziellen Mitteilung. Das Limit soll sich dabei an dem Großkundenentgelt orientieren, das ein Betreiber für die Nutzung der Netze in anderen Mitgliedstaaten entrichten muss.
Die entsprechende Verordnung soll nach Wunsch des EU-Rats ab dem 30. Juni 2016 in Kraft treten. Danach soll die EU-Kommission bis Mitte 2018 „bewerten, welche weiteren Maßnahmen im Hinblick auf die Abschaffung der Roaming-Gebühren gegebenenfalls noch erforderlich sind“.
Netzneutralität und Spezialdienste
Ausgehebelt werden auch die strikten Vorgaben zur Netzneutralität, auf die etwa nach wie vor das EU-Parlament beharrt. Zwar spricht sich auch der Rat für den Schutz des offenen Internets aus und will daher den Internetnutzern „grundsätzlich das Recht“ einräumen, auf „Inhalte ihrer Wahl zuzugreifen und solche Inhalte zu verbreiten“. Und es soll zudem „sichergestellt werden, dass Unternehmen, die Internetzugang anbieten, den Internetverkehr auf nicht diskriminierende Weise behandeln“. Doch der Haken an diesen Plänen sind wie gehabt die Spezialdienste.
So soll es den Providern ermöglicht werden, Dienste anzubieten, die „ein spezifisches Qualitätsniveau erfordern“. Das entspricht in etwa den Aussagen von EU-Digitalkommissar Günther Oettinger, der erst Anfang der Woche erklärt hatte, dass Spezialdienste möglich sein sollten.
Laut den Plänen des EU-Rats sollen die Betreiber verpflichtet werden, „die Qualität der Internetzugangsdienste [zu] gewährleisten“. Dennoch interpretieren Netzaktivisten diesen Passus als Schlupfloch, mit dem letztlich der Weg in ein Zwei-Klassen-Netz geebnet wird.
Regeln nach US-Vorbild nicht in Sicht
Inwieweit die Vorstellungen des EU-Rats umgesetzt werden, lässt sich derzeit aber noch nicht absehen. Denn bislang handelt es sich bei den Plänen in erster Linie um ein Mandat für die Verhandlungen mit der EU-Kommission und dem EU-Parlament. Diese Institutionen müssen sich nun über den finalen Inhalt der Verordnung verständigen. Von einer strikten Regelung, wie sie zuletzt von der US-Regulierungsbehörde FCC beschlossen wurde, scheint die EU derzeit aber weit entfernt.