Urheberrecht: EuGH-Urteil erneuert Diskussion um Festplattenabgabe

Maximilian Schlafer
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Urheberrecht: EuGH-Urteil erneuert Diskussion um Festplattenabgabe
Bild: Willi Heidelbach | CC BY 2.0

Die Diskussion um eine Festplattenabgabe für private Kopien wurde durch ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) wieder angefacht. In dem umständlich formulierten Urteil sehen manche bereits den Todesstoß für besagte Abgabe, andere sehen sie hingegen bestätigt.

Das Urteil kam aufgrund eines Rechtstreits in Dänemark zwischen der Verwertungsgesellschaft Copydan und dem Mobiltelefonhersteller Nokia zustande. Copydan forderte für mitgelieferte Speicherkarten von Nokia Privatkopienvergütung für die Jahre 2004 bis 2009. Nokia hielt dem entgegen, dass Speicherkarten sehr selten für legale Kopien genutzt werden würden und daher kein Geld zu zahlen sei. Das Landgericht für Ost-Dänemark, bei dem der Streit anhängig war, setzte das Verfahren aus und rief zur Klärung der unionsrechtlichen Lage den EuGH an.

Im Urteil vom 5. März ging es um die Frage, wie ein finanzieller und „gerechter Ausgleich“ für legale Privatkopien rechtlich gestaltet sein muss, um unionsrechtskonform zu sein. Angelpunkt der Ausführungen im Urteil ist die Richtlinie 2001/29/EG (PDF). Vereinfacht gesagt ist es ihre Aufgabe, unionsweit das Urheberrecht anzugleichen – wenn auch die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten erfolgen muss.

Die Richtlinie sieht in Artikel 2 unter anderem ein ausschließliches Vervielfältigungsrecht für Urheber – in der Regel Künstler – vor. Artikel 5 nennt Ausnahmen hiervon, bei denen Kopien erlaubt sind. So ein Fall ist die legale Privatkopie. In diesen Fällen darf eine Vervielfältigung dennoch stattfinden, wenn es einen „gerechten Ausgleich“ für den Urheber gibt. Im konkreten Fall war Art. 5 Absatz 2 b relevant – dieser enthält eine Ausnahme für „Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke“. Auch hier wird ein gerechter Ausgleich verlangt.

Das alles vorausgesetzt, kam der EuGH zu nachfolgend sortierten – für Private wie Unternehmer relevanten – Schlüssen.

I. Abgaben auf multifunktionale Träger (beispielsweise SD-Karten) sind rechtens

Eine Abgabe auf multifunktionale Träger ist nur dann rechtens, wenn diese Träger über irgendeine nutzbare Funktion verfügen, die die Anfertigung von Werkkopien für den privaten Gebrauch ermöglicht. Dabei wird differenziert, ob die entsprechende Funktion eine primäre oder eine sekundäre – nachgelagerte – Funktion des Trägers ist. Handelt es sich lediglich um eine sekundäre, so wäre es von der Richtlinie gedeckt, keine Abgabe darauf zu erheben. Voraussetzung dafür ist, dass im konkreten Fall dem Rechteinhaber nur ein geringfügiger Schaden entsteht. Hierbei stützt sich der EuGH auch auf den Erwägungsgrund 35 der Richtlinie.

Aufgrund der technisch-konzeptionellen Nähe zu anderen Speichermedien wie USB-Sticks oder auch Festplatten beziehungsweise SSDs liegt der Schluss nahe, dass Abgaben auf diese ebenfalls gedeckt sind – unter obigen Voraussetzungen.

Eine primäre Funktion ist gegeben, wenn ein (Daten-)Träger hauptsächlich für die Vervielfältigung von Daten verwendet werden kann – ob es tatsächlich der Fall ist, ist nicht relevant. Dem vorliegenden Urteil nach trifft dies auf Datenträger zu, die eine gewisse Speichergröße aufweisen und ohne großen Aufwand ein- und ausbaubar sind. Von einer sekundären Funktion spricht man, wenn der Datenträger zwar theoretisch zu Vervielfältigungen in der Lage ist, aber aus praktischen Gründen kaum dazu genutzt wird. Das kann beispielsweise auf fest verbaute, kleine interne Speicher zutreffen.

II. Gegen Hersteller gerichtete Abgaben, die nur bestimmte Speichermedien treffen, sind rechtens

Sofern diese Speichermedien „zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch genutzt werden können“, ist eine Abgabe rechtens. Dienen sie hingegen „primär“ zum Speichern von Daten, so müssen Hersteller (oder Importeure) keine Abgabe entrichten. Besagte Abgabe dient der Finanzierung jenes Ausgleichs, den am Ende die Rechteinhaber bekommen. Hintergrund ist, dass man das Geld dort einfordere, wo der Zugriff am einfachsten ist.

III. Diese Hersteller-Abgaben benötigen drei Voraussetzungen

  1. Es bedarf praktischer Schwierigkeiten für einen Staat bei der Erhebung der Abgabe bei den – eigentlich den Schaden herbeiführenden – Privatpersonen.
  2. Es muss für die betroffenen Unternehmer die Möglichkeit geben, von der Zahlung befreit zu werden. Hierzu bedarf es eines Nachweises, dass nicht an einen privaten Endabnehmer geliefert wurde. Unternehmer müssen sich nicht extra hierfür bei Verwertungsgesellschaften registrieren.
  3. Ein etwaiger Rückerstattungsanspruch muss effektiv und ohne großen Aufwand durchsetzbar sein.

IV. Staaten können es Rechteinhabern verbieten, Genehmigungen für private Vervielfältigungen zu erteilen

Erteilt ein Rechteinhaber dennoch gegenüber jemandem seine Zustimmung zur Nutzung von Dateien mit seinen Werken, so begründet das trotzdem keine Verpflichtung des Nutzers zu einer Zahlung.

V. Kopierschutzmaßnahmen

Die (Nicht-)Verwendung von Kopierschutzmaßnahmen ändert nichts am Entstehen eines Vergütungsanspruches der Rechteinhaber. Wie hoch dieser ist, kann jedoch sehr wohl davon abhängig gemacht werden, ob Kopierschutzmaßnahmen verwendet wurden.

VI. Ein Ausgleich für illegal an die Öffentlichkeit gelangte Inhalte ist unionsrechtswidrig

Der EuGH bekräftigt seine letztjährige VG-Wort-Judikatur, wonach ein Ausgleich für Privatkopien nur für solche vorgenommen werden darf, die nicht durch unrechtmäßige Quellen an die Öffentlichkeit gelangt sind. Würde man unrechtmäßige Quellen miteinbeziehen, würde das rechtlich eine unterschiedslose Bestrafung aller von der Abgabe betroffenen Bürger gleichkommen.

Das wollen übrigens auch Rechteverwertungsgesellschaften nicht, da eine solche Abgabe als pauschale Legitimierung solcher Quellen gesehen werden könnte.

Zusammenfassung

Kurz nach dem Erscheinen des Urteils wurde – vor allem in Österreich – mehrfach medial proklamiert, dass die Doppelbelastung, die durch eine Festplattenabgabe eintritt, durch das EuGH-Urteil ausgeräumt worden sei. Diese Auslegung beruft sich auf den Umstand, dass für die Kopie eines rechtmäßig erworbenen Musikstücks keine weiteren Gebühren erhoben werden dürfen. Diese Auslegung lässt sich aus dem Urteil so jedoch nicht pauschal ableiten, wie auch die Rechteverwerter umgehend klarstellen.

Vom Gesamteindruck her bestätigt das Urteil vielmehr, dass eine Festplattenabgabe sehr wohl unionsrechtlich gedeckt ist. Auf was dabei genau zu achten ist, hat der EuGH im gestrigen Urteil näher ausgeführt – etwa dass nur Abgaben auf legale Kopien erhoben werden dürfen oder wie die Erhebung der Abgabe bei Unternehmern gestaltet sein muss.