Prime Air: Amazon testet Lieferdrohnen nun in Kanada
Der Streit um zivile Drohnentests zwischen Amazon und der US-amerikanischen Luftfahrtaufsichtsbehörde FAA machte in den letzten Tagen in der Presse die Runde. Doch wie nun bekannt wurde, ist Amazon bereits vor Monaten vor den strengen Vorschriften und der Bürokratie der FAA geflüchtet und testet die Lieferdrohnen in Kanada.
Grund hierfür ist die deutlich offenere Haltung der kanadischen Verkehrsbehörde Transport Canada zu Drohnentests. Der Antrag, auf dem bislang geheimen Testgelände in der Provinz British Columbia – knapp 600 Meter von der US-Grenze entfernt – Drohnentests im Freien durchzuführen, wurde innerhalb von nur drei Wochen bewilligt, wie der Guardian berichtet. Zudem ist die Erlaubnis nicht auf ein bestimmtes Drohnenmodell beschränkt, Amazon muss für neue Prototypen also nicht jedes Mal eine neue Testerlaubnis beantragen.
Dies ist in den USA nach wie vor ein Problem für das Unternehmen. Zwar gab die FAA kürzlich bekannt, dass Amazon die Erlaubnis zum Test einer bestimmten Drohne erhalten habe. Das fragliche Modell war mittlerweile aber gar nicht mehr in Gebrauch, weshalb Amazon in einer Kongressanhörung enttäuscht reagierte. Entsprechend bleibt der Versandhändler in den USA weiterhin auf Indoor-Tests beschränkt.
Die FAA ist durch den aufwendigem Zulassungsprozess und die monatelange Wartezeit mit der schnellen Prototypen-Entwicklung in Amazons Drohnen-Programm nicht kompatibel. Zudem beharrt die FAA darauf, generell nur den Betrieb mit Sichtkontakt zu erlauben – ein Ausschlusskriterium für Amazons Pläne für Prime Air.
In Kanada hat Amazon dagegen alle Freiheiten, im Luftraum über dem Testgelände verschiedene Drohnen zu testen. Den Unterschied bei der Zulassung in den USA und Kanada illustriert der Guardian mit einigen wenigen Zahlen: In den USA wurden bislang insgesamt 750 Anträge für Drohnentests gestellt, von denen die FAA zum jetzigen Zeitpunkt 48 positiv beschieden hat. Transport Canada hat dagegen alleine im vergangenen Jahr 1.672 Testlizenzen für kommerzielle Drohnen erteilt, was nun auch das Interesse anderer US-Firmen geweckt haben soll. Außerdem gibt es in Kanada mit dem Foremost Centre for Unmanned Systems einen 2.400 Quadratkilometer großen Landstrich, über dem der Luftraum für Drohnentests ohne Sichtkontakt reserviert ist.
Derzeit wird an verschiedenen Punkten gearbeitet. Dazu zählen Sensoren zum Erkennen und Umfliegen von Hindernissen, Prozeduren zur automatischen Steuerung der Drohnen im Falle eines Abbruchs der Verbindung zur Zentrale, die Flugstabilität bei Wind und Turbulenzen sowie die Auswirkungen auf die Umwelt. Diese Erkenntnisse sollen in einen neuen Prototyp einfließen, der sicherer werden soll und sich voraussichtlich auch in seiner Form von bisherigen Drohnen unterscheiden wird.
Die Argumentation der FAA, dass der Luftraum über den USA besonders stark genutzt und komplex zu kontrollieren sei, lässt Amazon nicht gelten. Dies gelte für Europa mindestens ebenso sehr, dennoch sei gerade Großbritannien vorbildlich. Insbesondere der Luftraum zwischen 61 und 152 Metern – oberhalb der meisten Gebäude aber unterhalb des durch den Flugverkehr genutzten Luftraums –, den Amazon für Drohnenflüge nutzen möchte, sei zudem auch in den USA unproblematisch. Zumal die Tests im ländlichen Washington, nahe der Konzernzentrale in Seattle stattfinden sollen.
Perspektivisch will Amazon mit den Drohnen die Lieferung von Paketen mit einem Maximalgewicht von 2,3 kg innerhalb von 30 Minuten anbieten – eine nochmalige Halbierung im Vergleich zu Prime Now mit einer Lieferzeit von maximal einer Stunde, das in einigen US-Städten angeboten wird. Das Gewichtslimit würde Amazon zufolge derzeit 86 Prozent aller Bestellungen für Prime Air qualifizieren. Die Drohnen sollen dabei Strecken von bis zu 16 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von mehr als 80 km/h zurücklegen.