BND-Skandal: Bundesregierung hadert mit Aufklärung

Andreas Frischholz
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BND-Skandal: Bundesregierung hadert mit Aufklärung
Bild: Oliver Ponsold | CC BY 2.0

Im Spionage-Skandal des Bundesnachrichtendienstes (BND) wird es für die Bundesregierung immer ungemütlicher. Die Wirtschaft befürchtet Industriespionage und fordert wie die Opposition und europäische Partner, die Vorwürfe aufzuklären. Selbst auf Kanzlerin Merkel wächst nun der Druck, sich öffentlich zu erklären.

In der Kritik steht vor allem die Informationspolitik von Seiten der Bundesregierung. So erklärt der Vorsitzende des parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags André Hahn (Linke): „Die Regierung gibt immer nur das zu, was sie nicht mehr leugnen kann.“ Von neuen Entwicklungen würden die Abgeordneten in der Regel aus den Medien erfahren, heißt es in einem Bericht der Süddeutschen Zeitung. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) habe dem parlamentarische Kontrollgremium etwa nicht mitgeteilt, dass sich auch die EU-Kommission unter den Spionage-Zielen befunden hatte. Ebenso habe sich mittlerweile als falsch herausgestellt, dass das Kanzleramt erst im März dieses Jahres von den Vorwürfen erfahren habe.

Daher beharren der NSA-Ausschuss und die parlamentarischen Kontrollgremien nun auch auf der Forderung, einen Einblick in die Suchliste der NSA zu erhalten. In dieser sind die Ziele aufgeführt, nach denen der BND in der eigenen Datenbank suchen sollte. Doch dabei handelt es sich nicht nur um Kommunikationsdaten wie Telefonnummern sowie E-Mail- und IP-Adressen von Terror-Verdächtigen. Stattdessen hatte die NSA-Anfragen offenbar auch politische Ziele und Unternehmen im Visier. Wer nun allerdings genau betroffen ist und welche Informationen die NSA letztlich vom BND erhalten hat, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. „Wir können den ganzen Schaden erst bewerten, wenn wir diese Listen kennen“, so Hahn. Die Bundesregierung müsse die Liste deswegen vorlegen und dürfe sich nicht hinter einer Zustimmung der US-Regierung verstecken.

BND: Trotz Mängel alles nur halb so wild

Inzwischen bemüht sich der BND um Schadensbegrenzung. Der Geheimdienst hat nun die ersten Ergebnisse einer internen Untersuchung in einem sogenannten „Testat“ zusammengefasst, das Spiegel-Online vorliegt. Demnach lautet das erstaunliche Resultat: Alles halb so schlimm. Zunächst gesteht der BND gravierende Mängel ein, da die NSA seit dem Start der Kooperation weitestgehend freie Hand hatte bei der Auswahl der Suchbegriffe. Diese seien nie richtig geprüft worden. Und selbst wenn einige Selektoren aufgefallen sind – wie etwa im Jahr 2006, als einige europäische Unternehmen wie EADS betrafen –, wurden diese Kurzerhand entfernt. Trotzdem sollen sich die Schäden laut BND in Grenzen halten, da in dem Standort Bad Aibling in erster Linie die wichtigen Kommunikationssatelliten über dem Nahen Osten, Zentralasien und Afrika überwacht werden. In den dazugehörigen Datenbanken werden also die Kommunikationsdaten aus Krisengebieten gespeichert. Suche die NSA nun nach Zielen in Deutschland und Europa, würden die Ergebnisse dementsprechend dünn ausfallen – so das derzeitige Fazit vom BND.

Allerdings bestehen erhebliche Zweifel, wie viel so eine interne Untersuchung des BND letztlich Wert ist. Zu lange hat der Dienst vor dem Parlament und sogar vor dem Kanzleramt verschleiert, dass die NSA zahlreiche Suchbegriffe übermittelt, die sich gegen deutsche und europäische Ziele richten. Denn spätestens seit August 2013 lagen die entsprechenden Informationen vor. Laut dem Spiegel entdeckte ein BND-Sacharbeiter damals mit einer simplen Prüfung rund 12.000 fragwürdige Selektoren in der NSA-Suchdatei, die der deutsche Geheimdienst in die eigenen Überwachungssysteme einspeist. Zu diesen Selektoren zählten etwa etliche E-Mail-Adressen von hochrangigen französischen Diplomaten sowie E-Mail-Accounts von EU-Institutionen und von Mitarbeitern mehrerer europäischer Regierungen. Als der Sachbearbeiter den Verantwortlichen vor Ort am 14. August 2013 über den Fund informierte und nach den nächsten Schritten fragte, lautete die lapidare Antwort aber nur: „Löschen.

Ohnehin ist der politische Flurschaden bereits angerichtet. Dass der BND die NSA überhaupt bei dem Versuch unterstützt hat, Ziele in Europa auszuspionieren, reicht bereits für diplomatischen Ärger. So fordern etwa europäische Politiker wie EU-Kommissionspräsident Juncker, die Bundesregierung müsse die Vorwürfe aufklären. Dabei rückt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) immer mehr in den Mittelpunkt. Zumal sie es war, die angesichts der Handy-Spionage durch die NSA erklärt hatte: „Spionieren unter Freunden geht gar nicht.“ Daher müsse die Kanzlerin sich nun auch öffentlich zu den Vorwürfen äußern und erklären, was das Bundeskanzleramt wusste.

Selbst SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel erhöht nun den Druck. Er habe Merkel zwei Mal gefragt, ob der BND in die Wirtschaftsspionage der NSA verwickelt sei. Und zwei Mal habe Merkel verneint. Zwar sagt Gabriel auch: „Ich habe keinen Zweifel, dass die Kanzlerin auf meine Frage korrekt geantwortet hat.“ Doch damit schwingt auch in seinen Worten die Kritik mit, das Kanzleramt habe den BND nicht im Griff. Angesichts der Kritik aus den Reihen der SPD reagieren Unionspolitiker allerdings verstimmt und verweisen auf die Verantwortung der SPD. Denn das Datenaustausch-Abkommen zwischen NSA und BND wurde im Jahr 2002 geschlossen – und damals war der heutige Außenminister und SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier als Kanzleramtsminister für die Aktivitäten des BND zuständig.

Airbus klagt wegen Wirtschaftsspionage

Unabhängig von den Schuldzuweisungen innerhalb der großen Koalition wächst allerdings auch der Druck von Seiten der Wirtschaft. So hatte der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus in der letzten Woche angekündigt, wegen der Berichte eine Strafanzeige gegen Unbekannt zu stellen. „Wir sind allerdings alarmiert, weil der konkrete Verdacht der Industriespionage im Raum steht“, so ein Sprecher des Konzerns gegenüber dem Handelsblatt.

Juristischer Ärger droht dem BND darüber hinaus von der Bundesanwaltschaft. Die oberste deutsche Ermittlungsbehörde hat aufgrund der Spionage-Vorwürfe nun einen entsprechenden Prüfvorgang eingeleitet, berichtet der Spiegel. Dabei handelt es sich aber noch nicht um ein offizielles Ermittlungsverfahren. Stattdessen soll zunächst geklärt werden, ob „ein Anfangsverdacht für eine in unsere Zuständigkeit fallende Straftat vorliegt“, zitiert der Spiegel eine namentlich nicht genannte Quelle aus der Behörde.

Zuvor forderte bereits Ulrich Grillo, Präsident vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), die Bundesregierung müsse „zügig und lückenlos aufzuklären – ohne Kompromiss“. Durch die Vorwürfe sei das Verhältnis zwischen Staat und Industrie „erheblich belastet“, was zu „fatalen Konsequenzen“ führe. Denn: „Jeder Tag, den diese Spionage-Vorwürfe ungeklärt im Raum stehen, beschädigt das Vertrauen von Unternehmen und Kunden in die Sicherheit der digitalen Kommunikation.“ Daher müssten „die ausgespähten Unternehmen unverzüglich darüber informiert werden, ob und welche Daten wann an die US-Dienste weitergegeben wurden“, so Grillo gegenüber Spiegel Online.

Ebenso wie zahlreiche Abgeordnete – und allen voran die Vertreter der Opposition – fordert Grillo nun, dass die Geheimdienste schärfer kontrolliert werden müssten. So sagte etwa der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz: „Dem Geheimdienst müssen endlich auch für die digitale Kommunikation rechtsstaatliche Grenzen aufgezeigt werden.“ Erforderlich wären daher rechtliche Vorgaben, die klar regeln, „was der BND darf und was er nicht darf“.

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