No-Spy-Abkommen: Merkel wusste schon 2013 von scheiternden Verhandlungen

Andreas Frischholz
61 Kommentare
No-Spy-Abkommen: Merkel wusste schon 2013 von scheiternden Verhandlungen
Bild: www.GlynLowe.com | CC BY 2.0

Bereits im August 2013 sollen sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch der damalige Außenminister Guido Westerwelle (FDP) gewusst haben, dass die Verhandlungen mit den USA über ein No-Spy-Abkommen auf äußerst wackeligen Beinen stehen.

Das geht aus Dokumenten hervor, die dem Rechercheverbund von Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR vorliegen. Demnach zeigt ein interner Vermerk: Merkel und Westerwelle waren informiert, dass es von der US-Regierung keine Zusage für ein No-Spy-Abkommen gab. So soll ein Mitarbeiter des Kanzleramts zwar eine optimistische Prognose abgegeben haben, da der NSA-Chef prinzipiell zusichern würde, dass „auf deutschem Boden jederzeit deutsches Recht respektiert werde und keine gegenseitige Spionage stattfinde“. Doch dieses Zugeständnis erfolgte unter dem Vorbehalt, dass die US-Regierung das letzte Wort habe.

Und diese reagierte offenbar deutlich zurückhaltender. Der amerikanische Außenminister John Kerry soll sich in einem Telefonat mit Westerwelle zwar „bereitwillig“ gezeigt haben, wie aus einem Vermerk des Gesprächs hervorgeht. Eine konkrete Zusage erfolgte allerdings nicht. Daher lautete der Stand der Verhandlungen im August 2013: „Prüfung in den USA läuft.

Zudem verweigerte die US-Regierung den Wunsch, mit einer vermeintlichen Zusage für ein No-Spy-Abkommen an die Öffentlichkeit zu gehen. Daher soll im Kanzleramt auch diskutiert worden sein, ob Merkel das Thema bei Obama direkt ansprechen soll. Ob dieses Gespräch letztlich stattgefunden hat, ist allerdings nicht bekannt.

Vermerke widersprechen offizieller Darstellung

Erneut zeigen die Vermerke, dass die öffentlichen Statements aus dem Kanzleramt im August 2013 – und damit wenige Monate vor der Bundestagswahl – kein adäquates Bild über den Stand der Verhandlungen lieferten. So hatte etwa Kanzleramtsminister Ronald Pofalla im August 2013 erklärt: „Die US-Seite hat uns den Abschluss eines No-Spy-Abkommens angeboten.“ Wenige Tage später bestätigte Regierungssprecher Steffen Seibert: „Es wird ein No-Spy-Abkommen geben.“ Und selbst Kanzlerin Merkel erklärte am 11. September 2013 und damit wenige Tage vor der Bundestagswahl, dass die US-Regierung bereit sei, mit der Bundesregierung über „ein sogenanntes No-Spy-Abkommen zu verhandeln“.

Der Tenor lautete damals: Die US-Regierung habe der Bundesregierung ein Angebot gemacht, daher wären die Verhandlungen nur noch eine Frage der Zeit. Dass dem nicht so war, zeigte bereits der interne Mail-Wechsel zwischen Vertretern des Kanzleramts und der US-Regierung, von dem die Süddeutsche Zeitung bereits vor zwei Wochen berichtet hatte. So erfolgte kein Angebot von der US-Regierung, stattdessen wurde das No-Spy-Abkommen erst auf Anfrage des Kanzleramts thematisiert. Dementsprechend irritiert reagierten die US-Diplomaten auf die offiziellen Stellungnahmen von Vertretern der Bundesregierung. Deutlich wurde das in einer E-Mail von Obama-Beraterin Karen Donfried: „Dies wird kein No-Spy-Abkommen werden und ich glaube, jeder hier auf unserer Seite, hat das auch fortwährend ... klar zum Ausdruck gebracht.

Interessant wird nun, wie Merkel auf die neuen Enthüllungen reagieren wird. Bereits vor zwei Wochen erklärte die Kanzlerin lediglich lapidar: „Ich kann hier in der Öffentlichkeit sagen, dass jeder nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet hat.“ Das gelte auch für den damaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla. Weitere Details gab es nicht. Stattdessen verkündete Merkel, sie würde im NSA-Ausschuss des Bundestags „gerne Rede und Antwort“ stehen.

Öffentlichkeit in die Irre geführt

Insbesondere die Fragen von den Vertretern der Opposition dürften dann aber nicht allzu freundlich ausfallen. Denn der Vorwurf lautet bislang: Das Kanzleramt sei nur mit dem No-Spy-Abkommen an die Öffentlichkeit gegangen, um die Snowden-Enthüllungen aus dem Wahlkampf für die Bundestagswahl 2013 herauszuhalten.

Bereits vor einigen Tagen erklärte etwa Britta Haßelmann, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Parlament und Öffentlichkeit wurden in die Irre geführt.“ Wenn die US-Regierung lediglich eine „grundsätzliche Verhandlungsbereitschaft“ signalisiere und dies als ein Vorschlag für ein No-Spy-Abkommen interpretiert werde, handele es sich dabei vor allem um „eine Wunschvorstellung der Kanzlerin und des Kanzleramts“.

Ebenso erklärte die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) im Gespräch mit dem Spiegel, das Kanzleramt habe die Menschen letztlich „hinter die Fichte geführt. Auch uns als Koalitionspartner. Es wurde ein Potemkinsches Dorf errichtet, um das Thema wegzudrücken und alle ruhigzustellen.