Vorratsdatenspeicherung: Internetwirtschaft kritisiert Schnellschuss der Regierung
Die Vorratsdatenspeicherung soll nach dem Willen der Bundesregierung möglichst schnell wieder eingeführt werden. Doch der am Wochenende durchgesickerte Gesetzentwurf wird von vielen Seiten kritisiert. Aufgrund des Eiltempos der Regierung bleiben die grundsätzlichen Probleme mit der Vorratsdatenspeicherung bestehen.
So geht etwa der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco davon aus, dass auch die neue Vorratsdatenspeicherung vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden wird. „Der vor wenigen Tagen vorgelegte Gesetzesentwurf ist ein Schnellschuss und zeigt, dass der Gesetzgeber die rechtlichen und technischen Realitäten im Zusammenhang mit einer solchen anlasslosen und massenhaften Datenspeicherung verkennt“, sagte eco-Vorstand Oliver Süme. Ohnehin sei es falsch, wenn ein für Bürger und Unternehmen so folgenschweres Gesetz im Hauruck-Verfahren beschlossen werde.
Laut den Informationen von Netzpolitik.org soll der Bundestag das entsprechende Gesetz noch vor der Sommerpause beschließen. Die entscheidende Abstimmung ist demnach bereits für den 2. oder 3. Juli vorgesehen. Süme erklärt daher: „Wir fordern einen angemessenen Zeitrahmen für die dringend erforderliche politische Grundsatzdebatte.“
Der eco warnt zudem vor den hohen Kosten, die den Telekommunikationsunternehmen durch die anlasslose Datenspeicherung entstehen. Im Vergleich zur alten Regelung würden diese sogar nochmals ansteigen, weil die Bundesregierung hohe Sicherheitsstandards vorsieht, um den Auflagen des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen. Nach einer ersten Schätzung des eco könnten sich die Kosten daher auf rund 600 Millionen Euro für die gesamte Branche belaufen.
Potentielles Anti-Whistleblower-Gesetz
Grundsätzlich sollen Telekommunikationsanbieter mit der neuen Vorratsdatenspeicherung verpflichtet werden, Verbindungsdaten für zehn Wochen und Standortdaten für vier Wochen zu speichern. Laut Lesart der Bundesregierung sollen Ermittlungsbehörden somit die Möglichkeit erhalten, bei Fällen von „schwerster Kriminalität“ die entsprechenden Daten abzurufen. Nun zeigt sich aber anhand des Gesetzentwurfs, dass der Begriff „schwerste Kriminalität“ ziemlich weit gefasst ist.
So erklärt der AK Vorrat in einer ersten Analyse, dass Sicherheitsbehörden bereits auf die Datenbestände zugreifen können, wenn eine Straftat „mittels Telekommunikation“ begangen wurde und wenn die „Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos wäre“. Dieser vage Paragraph könne daher auch genutzt werden, um gegen Filesharer und Trickbetrüger auf Ebay vorzugehen. „Ein tiefer Eingriff in die Grundrechte für die Verfolgung solch vergleichsweise geringer Delikte ist mit dem Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar“, erklärt Kai-Uwe Steffens vom AK Vorrat.
So lautet auch generell einer der zentralen Kritikpunkte, dass die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung in dem Gesetz nicht ausreichend begründet werde.
Ebenso kritisch wird der neue Straftatbestand „Datenhehlerei“ eingestuft, der zusammen mit der neuen Vorratsdatenspeicherung eingeführt werden soll. Dieser ist laut dem Richter und Verfassungsrechtler Ulf Buermeyer so vage formuliert, sodass durch das Gesetz auch Whistleblower kriminalisiert werden können. In einem Bericht von Zeit-Online wird dieser Teil des Gesetzes daher auch als „Whistleblower-Verhinderungs-Paragraf“ beschrieben.
Generell wird die Vorratsdatenspeicherung aber nicht nur von Netzaktivisten und Bürgerrechtlern kritisiert, sondern ist auch innerhalb der Bevölkerung umstritten, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag von eco zeigt. Demnach spricht sich fast jeder Zweite (46 Prozent) gegen eine Wiedereinführung aus. 36 Prozent halten die Vorratsdatenspeicherung zudem für einen schweren Eingriff in die Grundrechte.
Laut dem eco ist es vor allem die junge Generation, die die Pläne der Bundesregierung kritisch bewertet. So sollen 54 Prozent der 18-24 Jährigen die Neuregelung ablehnen. Und mit 28 Prozent erklärt gut ein Viertel der befragten Nutzer, sie würden ihr Kommunikationsverhalten anpassen, wenn die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt werde – etwa durch den Umstieg auf nicht überwachte Dienste.