EU-Kommissar: Derzeitiges Urheberrecht drängt Konsumenten zur Piraterie
Im Rahmen der Musikmesse Midem hat sich Andrus Ansip für die uneingeschränkte Verfügbarkeit legaler Inhalte über innereuropäische Ländergrenzen hinweg stark gemacht. Der Vizepräsident der Europäischen Kommission und Kommissar für den digitalen Binnenmarkt sieht darin den Schlüssel zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen.
Es gebe 100 Millionen Europäer, die gerne auf Inhalte in anderen Mitgliedstaaten zugreifen würden, aber es nicht können, da Geo-Blocking es verhindert. Die Leute müssten unabhängig von ihrem Standort in Europa die Möglichkeit haben, auf bezahlte Musik und Filme wie in ihrem Heimatland zuzugreifen. Rund 271 Millionen grenzüberschreitende Fahrten mit mindestens einer Übernachtung würden von Europäern jedes Jahr durchgeführt, doch die Leute hätten nicht immer den Zugriff auf die Inhalte, welche sie in ihrem Heimatland erworben haben.
Auch Unternehmen sollten laut Ansips Vorstellungen in der Europäischen Union verkaufen können, wie sie es zu Hause tun. Es gebe derzeit keinen einheitlichen, digitalen Binnenmarkt in der EU, sondern stattdessen 28 relativ kleine Märkte und es sei für kleine europäische Unternehmen praktisch unmöglich, die verschiedenen Vorschriften zu verstehen. Freier Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital als die vier Grundfreiheiten der EU müsse es auch in der Online-Welt geben.
Die angekündigte Modernisierung des Urheberrechts bräuchten Content-Schöpfer dabei nicht zu fürchten: „Ich denke nicht, dass die Leute hier oder sonst wo beunruhigt sein müssen. Ich möchte heute von Content-Schöpfern geschaffene Meisterwerke genießen. Ich bin bereit zu zahlen, aber aufgrund von Urheberrechtsbeschränkungen, wegen Geo-Blocking, akzeptieren sie mein Geld nicht.“
Ziel sei es eine Win-Win-Situation zu schaffen und nicht das gesamte Copyright-System auf der Basis eines Territorialitätsprinzips zu zerstören. Laut Meinungsumfragen würden 68 Prozent der Konsumenten illegale Filmkopien beziehen, eben weil teilweise kein legales Angebot verfügbar sei. Damit gehe den Content-Schöpfern eine große Menge Geld verloren, aber „irgendwie drängt unsere Gesetzgebung Leute zum Stehlen“. Als Beleg für die Zahlungsbereitschaft bei ansprechendem Angebot nennt der EU-Kommissar den erfolgreichen Musik-Streaming-Dienst Spotify. Aber auch die VPN-Nutzung für den Zugriff auf digitale Inhalte, die in der EU bei 20 Prozent liegen soll, sei ein Indikator.
Ein Erfolgsbeispiel sei zudem auch Norwegen, wo vor einigen Jahren noch 80 Prozent der Leute angaben, unrechtmäßig auf Inhalte zuzugreifen, während es heute nur noch vier Prozent seien, seit die Verfügbarkeit von legalen digitalen Angeboten gegeben sei. „Die Europäische Kommission will die Rechte der Urheber schützen, aber zuerst müssen wir den legalen Zugang zu digitalen Inhalten für alle Menschen schaffen. Dann wird die Bekämpfung von Piraterie fruchtbarer“, so Ansip.