Steam: Indie-Entwickler sehen neues Rückgaberecht kritisch

Update Max Doll
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Steam: Indie-Entwickler sehen neues Rückgaberecht kritisch
Bild: GotCredit | CC BY 2.0

Das überraschend eingeführte Rückgaberecht für Käufe auf Steam stößt bei Nutzern, anders als der Versuch zur Monetarisierung von Mods, auf breite Zustimmung. Entwickler betrachten die Situation nach den ersten Tagen mit den neuen Regelungen differenzierter und kritischer.

Tom Francis (Gunpoint) hebt die Möglichkeit hervor, durch die einfache Rückgabe auf technische Schwierigkeiten reagieren zu können: Wenn ein Nutzer Probleme mit einem Titel habe, könne er nun auf einfachem Wege sein Geld zurückerhalten und müsse nicht an den Steam-Kundendienst verwiesen werden. Andere Entwickler heben das (Selbst-)Vertrauen hervor, das durch das Wissen generiert wird, dass Spieler, die den Titel in ihrer Bibliothek besitzen, ihn auch spielen und mögen, also mit der Qualität zufrieden sind.

Zugleich erlaube dies Entwicklern, mit ihren mitunter für kleine Zielgruppen entwickelten Produkten dem Druck nach Angebotspreisen und Bundleverkäufen zu widerstehen. Diese brächten zwar eine Vielzahl neuer Spieler ein, oftmals gehörten diese aber nicht zur anvisierten Zielgruppe und würden ihre Abneigung in negativen Rezensionen ausdrücken. Günstige Angebote und gehäufte negative Bewertungen würden auffällig korrelieren, merkt Lars Doucet an.

So a culture of selling to tons of people who may or may not like your game trashes your quality perception, especially if you’re niche or otherwise outside-of-mainstream taste. Now players who are frustrated or disappointed can ask for a refund, a safety valve likely to decrease such negative reviews.

Lars Doucet (Defenders Quest)

Andere Entwickler aus der Indie-Branche, die wie Cameron Kunzelman (Epanalipsis) Titel mit einer Spieldauer von weniger als zwei Stunden entwickeln, befürchten, potentiell unter den stark auf Mainstream-Titel im Standardformat ausgelegten Regularien zu leiden, die längere Spiele bevorteilen. Bei den in der Branche populären DRM-freien Produkten wird der Zugriff auf ein Spiel zudem auch nach der Rückgabe nicht sicher unterbunden. Befürchtet wird dabei der grundsätzliche Missbrauch der Funktion bei kurzen Spielen, die sich innerhalb der Rückgabefrist von zwei Stunden Spieldauer beenden lassen.

Indie-Entwickler würden zudem jedes zurückgegebene Spiel deutlicher spüren als große Publisher oder Steam selbst. Zumindest wenn der Betrag nur der Steam-Geldbörse gutgeschrieben wird, entgehen Valve selbst mit der neuen Regelung keine Einnahmen: Das Geld bleibt im Kreislauf der Plattform, sodass das Unternehmen so oder so 30 Prozent der ausgegebenen Summe als Gebühr des Plattformbetreibers einstreicht – unabhängig davon, wofür das Geld ausgegeben wird.

Damit einher geht die Sorge vor einer subtilen Homogenisierung des Marktes über eine Mindestspieldauer hinaus. Andrew Pellerano (Puzzle Fuzz) merkt an, dass Entwickler zudem motiviert werden könnten, ähnlich der Free-to-Play-Branche nur die ersten Stunden ihres Spiels besonders motivierend oder aufwändig zu gestalten, weil eine Installation eines Produktes noch nicht mit Einnahmen einhergeht. Studios würden so potentiell motiviert werden, Spieler nur zwei Stunden bis zum Ablauf der Rückgabemöglichkeit begeistert zu unterhalten, bis ihre Einnahme sicher ist – oder gleich ganz auf das alternative Bezahlmodell umzusteigen, dessen Transaktionen von der Rückgabe ausgeschlossen sind. In beiden Fällen würde sich das Spieldesign auf eine einzige Gangart reduzieren, die schnelle Belohnungen präferiert.

Update

Mittlerweile haben sich weitere Entwickler zu Wort gemeldet, die Angaben über die Quote an Rückgaben machen. Matt Gambell (RPG Tycoon) nennt für die erste Woche im Juni Verkäufe von 60 Einheiten seines Spiels, von denen 20 zurückgegeben wurden – im gesamten Mai vor Einführung des neuen Systems habe dabei nur eine einzige Kopie zurückgenommen werden müssen.

Problematisch sei daran, dass es keine Methode gebe um herauszufinden warum Nutzer ihr neues Spiel zurückgegeben hätten. „Ich habe so viele Fragen...“, schreibt Gambell. „Könnte es sein dass technische Probleme aufgetreten sind? Ist es etwas das sich lösen ließe, wenn man mit mir geredet hätte?“. Gambell bemerkt allerdings auch, dass sich die Verkaufszahlen seit Einführung des neuen Systems erhöht haben.

Es sei zwar noch nicht sicher, ob dies an einem kurz zuvor veröffentlichten Update liege, aber alle Male interessant, so der Entwickler, weil das System Nutzer ermutige, Risiken beim Kauf eines Produktes einzugehen und neue Titel auszuprobieren. Gefährlich sei das Rückgaberecht nur im Bezug auf DRM-freie Spiele, weil es keine Möglichkeit gebe sicherzustellen, dass ein Produkt nach dem Download nicht an einen anderen Ort kopiert und weiter genutzt werde.

Ähnlich äußert sich Adrian Chmielarz (The Vanishing of Ethan Carter). Auch Chmielarz sieht die Vorteile der neuen Möglichkeiten für Entwickler im Vordergrund, erwartet aber Allgemeinen keinen Missbrauch der Funktion. Raubkopieren ergebe nun noch weniger Sinn, weil sich ein Spiel ausprobieren und bei Gefallen nahtlos mit der Originalversion fortsetzen lasse. Nutzer hätten also keinen Grund, für einen Qualitätstest auf eine illegale Kopie zurückzugreifen und im Anschluss aus Komfortgründen mit dieser das Spiel zu beenden, weil sich etwa Speicherstände nicht übernehmen lassen. Eine Vollversion bezeichnet Chmielarz dabei als die bessere Demo. Schließlich gewährleiste das Rückgaberecht ehrliche (Ver)-Käufe, weil ein Kunde stets wisse, was er bekommen werde – auch moralisch sieht Chmielarz in der neuen Steam-Regelung einen Gewinn.

Die Redaktion dankt ComputerBase-Leser „StockholmSyndr.“ für den Hinweis zu diesem Update!