Deutsche Internetwirtschaft: EU soll Vorratsdatenspeicherung doch noch stoppen
Neben den Netzaktivisten fordert nun auch der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco von der EU-Kommission, das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung noch zu stoppen. Denn dieses verstoße gegen das EU-Recht und stelle zudem ein Sicherheitsrisiko dar.
Grundsätzlich entspreche das Gesetz nicht den Anforderungen, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) aufgestellt hat, als die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung im April 2014 gekippt wurde. Eine anlasslose Speicherung aller Kommunikationsdaten ohne Differenzierungen, Einschränkungen oder Ausnahmeregelungen sei demnach ein klarer Verstoß gegen europäische Grundrechte. Zudem haben die EU-Richter hohe Ansprüche gestellt, damit die Kommunikation von Berufsgeheimnisträgern wie etwa Anwälten oder Journalisten geschützt wird. Diese Punkte könne das Gesetz der Bundesregierung nach Ansicht des eco allerdings nicht erfüllen.
Bemängelt wird zudem, dass Provider die Vorratsdaten nur innerhalb von Deutschland speichern sollen. Laut dem Verband sei diese Auflage europarechtswidrig, weil Anbieter aus dem europäischen Ausland auf diese Weise benachteiligt werden. Zudem würde diese Regelung auch den Zielen der geplanten EU-Datenschutzreform widersprechen, weil diese eigentlich einen einheitlichen Datenschutzstandard in Europa schaffen soll. Und das gelte auch für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, wie es bei der Vorratsdatenspeicherung der Fall ist.
Darüber hinaus kritisiert der eco, dass die Vorratsdatenspeicherung selbst ein Sicherheitsrisiko darstellen würde. Denn solche Datenpools würden immer die Begehrlichkeiten von Kriminellen und ausländischen Geheimdiensten wecken – unabhängig davon, wo die Daten gespeichert werden. Bedenklich wäre das vor allem, weil „der vermeintliche Sicherheitsnutzen der Inlandsdatenspeicherung angesichts ihrer praktischen Umsetzung ohnehin anzuzweifeln ist“, heißt es in der Stellungnahme des Verbands.
Diese ist möglich, weil die EU-Kommission derzeit noch im Rahmen eines Notifizierungsverfahren prüft, ob die Vorratsdatenspeicherung-Pläne der Bundesregierung mit dem EU-Recht vereinbar ist. Sollten die Bedenken des eco bei der EU-Kommission auf offene Ohren stoßen, kann diese noch Änderungen an dem Gesetzentwurf verlangen, bevor dieser vom Bundestag beschlossen wird.
Justizminister Heiko Maas verteidigt das Gesetz
Doch die Bundesregierung sieht so einem Verfahren gelassen entgegen. Erst am Montag erklärte Justizminister Heiko Maas in einem Interview mit der TAZ, er habe „überhaupt keine Angst“, dass der Entwurf vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof scheitern könnte. „Wir erfüllen die EuGH-Vorgaben – auch, weil wir den E-Mail-Verkehr komplett von der Speicherung ausnehmen und die Berufsgeheimnisträger besonders schützen“, so der Justizminister.
Dieser rechtfertigt in dem Interview auch seinen – vermeintlichen – Sinneswandel. Denn Maas galt lange Zeit als Kritiker der Vorratsdatenspeicherung. Infolge des Urteils vom Europäischen Gerichtshof hatte er etwa in Aussicht gestellt, dass ein entsprechendes Gesetz erst mit einer neuen EU-Richtlinie kommen soll – und bis dahin wird es vermutlich noch einige Jahre dauern. Geändert habe sich seine Haltung aber durch die Anschläge von Paris im Januar. Maas: „Ich habe gemerkt – nicht nur in der Politik, auch in der Bevölkerung –, dass im Lichte eines solchen Ereignisses Sicherheitsargumente plötzlich an Schlagkraft gewinnen.“ Selbst wenn das nicht unbedingt rational sei.
Mit dem aktuellen Gesetz ist er dennoch zufrieden. Es handele sich um einen „guten Kompromiss“, der keine Vorratsdatenspeicherung sei, wie es Sicherheitspolitiker ursprünglich wollten – also „deutlich mehr Daten speichern und längere Speicherfristen“, so Maas. Stattdessen sieht der aktuelle Entwurf vor, dass Verkehrsdaten für zehn Wochen und Standortdaten für vier Wochen gespeichert werden. Zudem sollen Polizei und Geheimdienste nur unter strengen Voraussetzungen auf die Daten zugreifen können.
Datenschützer kritisieren allerdings, dass diese Vorgaben viel zu vage formuliert wurden. Derweil bemängeln die Vertreter von Sicherheitsbehörden, dass die Auflagen viel zu hoch sind, sodass die Ermittlungsarbeit erschwert werde.