Netzpolitik.org: Generalbundesanwalt ermittelt wegen Landesverrats

Andreas Frischholz
90 Kommentare
Netzpolitik.org: Generalbundesanwalt ermittelt wegen Landesverrats
Bild: Florian Plag | CC BY 2.0

Die Generalbundesanwaltschaft hat ein offizielles Ermittlungsverfahren gegen Netzpolitik.org eingeleitet. Der Vorwurf: Verdacht auf Landesverrat. Denn das Portal hatte Anfang des Jahres interne Dokumente des Verfassungsschutzes veröffentlicht.

Dass die Generalbundesanwaltschaft ermittelt, haben die Betreiber von Netzpolitik.org heute offiziell erfahren. Der entsprechende Brief wurde mittlerweile auf der Webseite veröffentlicht (PNG). Demnach richtet sich das Verfahren gegen die Journalisten und Netzpolitik.org-Betreiber Andre Meister und Markus Beckedahl, weil diese für die Berichte verantwortlich sind. Darüber hinaus wird noch gegen Unbekannt ermittelt – und damit ist offenkundig die Quelle gemeint, die die als geheim klassifizierten Verfassungsschutz-Dokumente bereitgestellt hat.

Konkret handelt es sich dabei um den Haushaltsplan des Verfassungsschutzes. Dieser bietet etwa Informationen, inwieweit der Geheimdienst die Internet-Überwachung ausbauen will. Dabei geht es etwa um das Sammeln und Auswerten von großen Datenmengen. Für die Entwicklung der entsprechenden Technologien hat der Verfassungsschutz einen Budget-Zuschuss in Millionenhöhe erhalten.

Der Ermittlung vorausgegangen ist eine Strafanzeige vom Verfassungsschutz, der – ebenso wie andere deutsche Geheimdienste sowie das Kanzleramt – seit geraumer Zeit genervt ist, dass regelmäßig als geheim eingestufte Dokumente an die Medien durchsickern. Dass sich nun aber die Generalbundesanwaltschaft einschaltet und gegen Journalisten ein Verfahren wegen des Verdachts auf Landesverrat ermittelt, hebt die Vorwürfe auf ein neues Level. Denn im Falle einer Verurteilung droht den Netzpolitik.org-Betreibern eine mehrjährige Freiheitsstrafe. Konkret heißt es in dem entsprechenden Gesetz:

Wer ein Staatsgeheimnis [..] einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt oder […] sonst an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

§ 94 Strafgesetzbuch

Laut Informationen von Spiegel Online will die Generalbundesanwaltschaft zunächst aber nur prüfen, ob im Rahmen der Artikel tatsächlich „Staatsgeheimnisse“ verraten wurden. Mit dieser Aufgabe soll bereits ein Gutachter beauftragt worden sein. Sofern dieser zu dem Schluss kommt, dass die Vorwürfe haltlos sind, könne das Verfahren demnach rasch wieder eingestellt werden.

Angriff auf die Pressefreiheit

Nichtsdestotrotz bewertet man das Verfahren bei Netzpolitik.org als einen Angriff auf die Pressefreiheit, den es in dieser Form seit der Spiegel-Affäre im Jahr 1962 nicht mehr gegeben habe. Das Vorgehen der Generalbundesanwaltschaft sowie des Verfassungsschutzes wird dabei als Einschüchterungsversuch bewertet, der sich sowohl gegen die Journalisten als auch gegen die Quellen richtet.

Dass ein offizielles Verfahren droht, hat sich bereits vor einigen Wochen angedeutet. Damals berichtete unter anderem der Deutschlandfunk, dass zumindest gegen den Whistleblower wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen ermittelt werden soll. Die Netzpolitik.org-Betreiber sollten laut dem damaligen Kenntnisstand hingegen nur als Zeugen befragt werden. Mit der aktuellen Entwicklung habe dieses Verfahren aber eine neue Stufe erreicht. „Dass der Generalbundesanwalt gegen unsere anonymen Quellen ermittelt, war schon ein Skandal, dass sich die Ermittlungen gegen uns selbst richten, ist ein Angriff auf die Pressefreiheit“, so der betroffene Netzpolitik.org-Autor Andre Meister gegenüber Spiegel Online.

Kritik muss sich nun auch die Generalbundesanwaltschaft gefallen lassen – vor allem, weil Generalbundesanwalt Harald Range zuletzt angekündigt hatte, trotz neuer Enthüllungen kein offizielles Verfahren wegen der NSA-Spionage einzuleiten. Daher kritisiert nun etwa der IT-Fachanwalt Thomas Stadler in einem Blog-Beitrag, dass die Behörde bei der Aufklärung des NSA- und BND-Skandals eine „klägliche Figur“ abgegeben habe. „Während man die Angehörigen der Dienste, die das Recht brechen, unbehelligt lässt, werden Journalisten und Blogger ins Visier genommen“, so Stadler.