NSA-Aufklärung: Sonderermittler prüft vom BND ausspionierte Ziele
Der ehemalige Bundesverwaltungsrichter Kurt Graulich hat nun damit begonnen, die Liste mit den NSA-Suchbegriffen zu überprüfen, die der Bundesnachrichtendienst (BND) in die eigenen Überwachungssysteme eingespeist hatte – und die sowohl deutsche als auch europäische Unternehmen und Politiker betroffen haben.
Der als Sonderermittler eingesetzte Graulich wird allerdings nur eine Liste mit Suchbegriffen – also Selektoren wie Telefonnummern, Email- und IP-Adressen – vorgelegt bekommen, die der BND im Jahr 2013 aussortiert hat. Zuvor waren diese aber zum Teil über Jahre hinweg aktiv geschaltet, sodass der BND – vermutlich unbeabsichtigt – europäische Verbündete für die NSA überwacht hat. Im Kern geht es bei dieser Untersuchung nun um die Frage, auf welche Ziele es die NSA tatsächlich abgesehen hat. Denn bislang ist nur vage bekannt, dass der BND im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes sowohl europäische Politiker als auch die Ministerien europäischer Staaten, EU-Institutionen sowie einige deutsche Unternehmen ausspioniert haben soll.
Einen Einblick in die vollständige Liste mit den Millionen Suchbegriffen, die die NSA im Laufe der Jahre an den BND übermittelt hat, erhält Graulich allerdings nicht. Letztlich kann er also nur die Selektoren prüfen, die der BND ohnehin schon aussortiert hat. Ob noch weitere fragwürdige oder illegale Spionage-Ziele übermittelt wurden, lässt sich so jedoch nicht herausfinden.
Pikant ist zudem: Für die Prüfung der Selektoren-Liste erhält Graulich ein Büro im BND-Standort in Berlin. Und wird bei der Analyse von einigen Mitarbeitern des Geheimdienstes unterstützt, die den Sonderermittler über die technischen Details von den NSA-Selektoren aufklären sollen. Daher ist Graulich darauf angewiesen, dass der BND ihn ausreichend informiert und die Unterlagen vollständig vorlegt. Er selbst habe darauf keinen Einfluss, wie er bereits in einem ARD-Interview Anfang Juli eingeräumt hat. „Ich bin ja nicht als Detektiv beauftragt, daher gehören diese Dinge nicht zu meiner Kompetenz. Ich werde das analysieren, was man mir vorlegt“, so der Sonderermittler. Ob es darüber hinaus noch Dinge von Interesse gebe, müssten hingegen andere klären.
Ein weiteres Problem bei dem Sonderermittler: Er soll dem NSA-Ausschuss und den parlamentarischen Kontrollgremien zwar Bericht erstatten, allerdings muss er dabei vage bleiben. Eine konkrete Analyse darf er nicht abliefern. Bei diesem Vorgehen handelt es sich um einen Kompromiss der Bundesregierung, um potentiellen Ärger mit dem amerikanischen Verbündeten aus dem Weg zu gehen. Denn die US-Dienste lehnen es ab, dass die parlamentarischen Kontrollgremien die Liste mit den NSA-Suchbegriffen selbst kontrollieren können. Falls diese doch die vollständige Liste erhalten sollten, wird mit einer Einschränkung der Geheimdienst-Kooperationen gedroht.
Die Opposition hält solche Befürchtungen für vorgeschoben. Insbesondere nach den WikiLeaks-Enthüllungen der letzten Wochen wollen Grüne und Linke nun eine schärfere Aufklärung durchsetzen. Dementsprechend haben die Parteien auch bereits angekündigt, beim Bundesverfassungsgericht eine Klage einzureichen, um die Herausgabe der Liste mit den NSA-Spionagezielen zu erzwingen.