Cyberith Virtualizer: Bewegungssteuerung für VR-Headsets ausprobiert
Was vor knapp einem Jahr als Kickstarter-Projekt begann, nähert sich langsam seinem Marktstart: Beim österreichischen Startup Cyberith arbeiten die Entwickler an einer Bewegungssteuerung für VR-Systeme, die noch mehr Immersion im virtuellen Raum bieten soll. Ein Ersteindruck von der Gamescom 2015.
Für die Steuerung im virtuellen Raum gibt es unterschiedlichste Ansätze: Diese reichen von Ganzkörpersteuerungen über Handtracking hin zu Controller-basierten Eigenentwicklungen aus dem Hause Oculus VR sowie HTC/Valve. Das Besondere an Cyberiths Lösung liegt jedoch im Prinzip der 3-Punkte-Entkoppelung.
Während das VR-Headset über Kopfbewegungen für die Blickrichtung zuständig ist, kann sich der VR-Nutzer unabhängig davon in eine andere Richtung bewegen. Optische Sensoren in der Bodenplatte erfassen dabei die Schrittgeschwindigkeit und Richtung, während die Ring-Konstruktion mit Sensoren zur Erfassung der Oberkörperorientierung ausgestattet ist.
Auf der Gamescom in Köln wurde die Besonderheit des Cyberith-Systems anhand der Acan's-Call-Demo (Teaser-Video (YouTube)) präsentiert: Das eigens für den Virtualizer entwickelte Spiel soll sowohl Spielern als auch Entwicklern als Einführung in den Virtualizer dienen und wird zur Veröffentlichung des omnidirektionalen Laufbands jedem Gerät beiliegen.
Die nur wenige Minuten lange Demo-Sequenz führt den Spieler über einen Trampelpfad im Regenwald zum Eingang eines Maya-Tempels und vermittelt ein grobes Gefühl für das Handling des Geräts. Bevor sich jedoch im Virtualizer bewegt werden kann, muss der VR-Nutzer sich einen Samt-ähnlichen „Überschuh“ beziehungsweise „Socken“ anziehen, der die Reibung zwischen der Bodenplatte und der Auftrittsfläche minimiert.
Während die möglichst reibungsfreie Bewegung auf der Bodenplatte Grundvoraussetzung für die VR-Steuerung ist, ist sie zugleich auch einer der Gründe, wieso der Unterkörper des VR-Nutzers in einer Art Klettergurt im Ring des Virtualizers eingespannt wird: Die neuartige Bewegungssteuerung erfordert eine Eingewöhnungsphase, um sich zielsicher darin fortzubewegen. Bei Anfängern kann sich zudem die Höhe des Rings arretieren lassen, um eventuelles Ausrutschen oder Stürzen abzufangen. Fortgeschrittene Nutzer können über den höhenverstellbaren Ring zudem springen, sich ducken, in die Knie gehen oder auch komplett hinsetzen, wobei das Gurtsystem als Sitzfläche dient.
Die Verarbeitung des Virtualizers macht einen soliden Eindruck: Über drei Säulen wird der „Free Motion“-Ring mit dem darin festgeschnallten VR-Nutzer zentral auf der Bodenplatte gehalten, sodass die Füße höchstens beim Knien die Bodenplatte verlassen können. Ein über die drei Pfeiler herausragender Arm dient als Kabelführung für VR-Headset und Kopfhörer. Ein Verfangen in herumhängenden Kabeln wird damit unmöglich.
Dennoch wirkte das Laufen in der virtuellen Umgebung zunächst etwas befremdlich: Bedingt dadurch, dass man sich nicht von der Stelle bewegt und einer der Füße im Bewegungsablauf immer davongleitet, muss zunächst der Reflex unterdrückt werden, sich unterbewusst wieder aufrichten zu wollen und mittels kurzer Korrekturschritte ein Stürzen zu verhindern. Das Weggleiten des Fußes, auf dem gerade weniger Gewicht liegt, lässt sich dabei mit Schritten auf einer Eisplatte oder einer frisch polierten Bowlingbahn vergleichen. Der nur wenige Minuten kurze Demo-Abschnitt hat insofern nicht ausgereicht, um ein sicheres Gefühl für Renn- oder Sprungbewegungen zu bekommen. Für die fortgeschrittene Nutzung des Virtualizers ist demnach mehr Übung notwendig als es die Messe-Situation zuließ.
Und dennoch lässt sich nur erahnen, wie stark VR-Erlebnisse von einer solchen Bewegungssteuerung profitieren könnten, sobald die Eingewöhnungsphase überwunden wurde. Einer der Faktoren, die zu Simulator Sickness führen können, sind die widersprüchlichen Signale zwischen dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr und den visuellen Reizen, die das Auge über das Head-Mounted-Display wahrnimmt. Da sich der VR-Nutzer nun zeitgleich mit seinem virtuellen Avatar bewegt, könnte dies je nach Anwendungsfall die Symptome der Simulatorkrankheit verringern oder gar komplett beseitigen.
Eine Eins-zu-Eins-Übertragung der Beinbewegungen auf den virtuellen Körper sollten Spieler jedoch nicht erwarten. Bedingt durch die Konstruktion des Virtualizers wird zwar Schritttempo und -richtung erfasst, für eine analoge Übertragung der Fußbewegungen (oder beispielsweise Tritte in Richtung eines Gegners) wären jedoch weitere Sensoren nötig, die direkt am Bein beziehungsweise Fuß des Nutzers angebracht werden.
Ob sich das Steuerungskonzept durchsetzt, wird letztendlich nicht nur von den potentiellen Kunden entschieden, sondern auch der Akzeptanz in der Entwicklergemeinde. Einige nicht näher genannte Entwicklerstudios sollen laut Cyberith bereits Zugriff auf das Virtualizer SDK erhalten haben. Für den Großteil der Entwickler soll jedoch ein öffentliches SDK im Laufe der nächsten Monate angeboten werden, das neben Anwendungsbeispielen unter anderem Plugins für Unity und die Unreal Engine zur nativen Integration in bestehende Projekte bereitstellt.
Aktuell unterstützt der Virtualizer die Oculus Rift VR-Brille über eine USB-Verbindung zum Computer sowie Samsungs Gear VR mittels Bluetooth. Auf Nachfrage von ComputerBase teilte das Unternehmen mit, dass man auch die Unterstützung von Steam-VR-Systemen anpeile, aber zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Schnittstelle für das dazugehörige SDK anbieten könne.
Die Bewegungssteuerung befindet sich aktuell in der Vorbestellungsphase und soll bis Ende dieses Jahres an Kunden ausgeliefert werden. Der Cyberith Virtualizer schlägt dabei mit einem Preis von 1.499 Euro zu Buche, die „HT“-Variante mit integriertem Force-Feedback in der Bodenplatte hingegen mit 1.799 Euro. Das „The Arm“ genannte Element zur Kabelführung ist nicht Teil des Lieferumfangs und kann separat zum Preis von 89 Euro erworben werden.
Cyberith Virtualizer & Virtualizer HT | |
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Säulen-Höhe | 104 cm |
Durchmesser Bodenplatte | 100 cm |
Abstand zwischen Säule und Mitte der Bodenplatte | 80 cm |
Durchmesser innerer Ring | 39,8 cm |
Kreisumfang innerer Ring | 125 cm |
Maximaler Hüftumfang (Nutzer) | 125 cm |
Maximales Gewicht (Nutzer) | 120 kg |
Gewicht (Virtualizer) | 50 kg |
Verpackungsmaße | 130 cm × 110 cm × 16 cm |
USB-Anschlüsse | 1 USB-Kabel |
Bluetooth-Standard | 4.0 / BLE |
Messgenauigkeit innerer Ring (Ausrichtung in Winkel) | 2,8 ° |
Messgenauigkeit der Säulen (Höhe) | 15 mm |
Messgenauigkeit Schrittgeschwindigkeit | 1:1-Tracking |
Unterstützte Betriebssysteme | Windows Vista / 7 / 8.1 / 10 |