Landesverrat-Ermittlungen: Generalbundesanwalt Range wird rausgeschmissen
Infolge der Landesverrat-Ermittlungen gegen Netzpolitik.org muss Generalbundesanwalt Harald Range nun sein Amt aufgeben. Der Grund ist allerdings nicht das Ermittlungsverfahren an sich, sondern der in der Öffentlichkeit ausgetragene Streit mit Justizminister Heiko Maas – der im Prinzip der Dienstherr von Range ist.
Nachdem Maas am Freitag auf Distanz zur Bundesanwaltschaft gegangen ist, weil diese das Ermittlungsverfahren gegen die Journalisten von Netzpolitik.org eröffnet hatte, folgte am Dienstagvormittag der Rundumschlag von Range. „Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz“, äußerte sich der Generalbundesanwalt in einer Presseerklärung.
Ein zentraler Punkt bei dem Streit ist ein Gutachten, das die Bundesanwaltschaft nach der Anzeige des Verfassungsschutzes bereits am 19. Juni in Auftrag gegeben hatte. Ein externer Sachverständiger sollte klären, ob es sich bei den von Netzpolitik.org veröffentlichten Verfassungsschutz-Dokumenten tatsächlich um Staatsgeheimnisse gehandelt hat, die eine Anklage wegen Landesverrat rechtfertigen. Am Montag lag nun eine „vorläufige Bewertung“ vor, in der der Sachverständige zu dem Ergebnis kam: Die veröffentlichten Verfassungsschutz-Dokumente seien Staatsgeheimnisse. Demnach wäre die „Rechtsauffassung der Bundesanwaltschaft und des Bundesamtes für Verfassungsschutz insoweit vorläufig bestätigt“ worden, erklärte Range am Dienstagvormittag. Und dieses Ergebnis habe Range dann „unverzüglich“ dem Justizministerium mitgeteilt.
Öffentlich ausgetragener Schlagabtausch
Strittig ist nun aber, wie die Reaktion des Justizministeriums ausgefallen ist. Denn laut Range wurde ihm „die Weisung erteilt, das Gutachten sofort zu stoppen und den Gutachterauftrag zurückzuziehen“. Dieser Weisung habe er Folge geleistet. Die Lesart lautet also: Das Justizministerium wurde über das Ergebnis informiert und habe dann entschieden, dass Gutachten zu stoppen.
Diesen Vorwurf will Justizminister Maas allerdings nicht auf sich sitzen lassen. Denn laut der Darstellung des Justizministeriums wurde bereits am Freitag mit Range vereinbart, dass das Gutachten zurückgezogen wird – und „zwar ohne Kenntnis des möglichen Inhalts des Gutachtens“, wie es in einer Stellungnahme des Justizministeriums heißt. Daher wären die „Äußerungen und das von Generalbundesanwalt Range heute gewählte Vorgehen […] nicht nachvollziehbar und vermitteln der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck“. Die Konsequenz: Range muss gehen. Im kommenden Jahr wäre er ohnehin altersbedingt aus dem Amt geschieden, nun wird er vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Denn das Vertrauen von Maas in die Amtsführung des Generalbundesanwalts sei „nachhaltig gestört“.
Die Frage nach der Unabhängigkeit von Range
Wird mit dieser Entscheidung nun die Unabhängigkeit der Justiz untergraben? Die Antwort von Rechtsexperten lautet tendenziell: Nein. Denn im Vergleich zu Richtern ist die Bundesanwaltschaft nicht unabhängig, sondern untersteht letztlich dem Justizministerium. Damit unterliege „Range als Staatsgewalt nun mal Weisungen“, erklärt der Staatsrechtler Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer im Gespräch mit Spiegel Online. Ranges Kritik an Justizminister Maas hält er daher für nicht gerechtfertigt. „Der Generalbundesanwalt hat keine Position, die ihn vor einer solchen Weisung schützt“, so Wieland.
Ähnlich äußert sich auch der Anwalt Udo Vetter in einem Blog-Beitrag: „Die Bundesanwälte gehören anders als Richter nicht zur Rechtsprechung. Sie sind Teil der Exekutive und damit durchaus weisungsgebunden.“ Und da Ranges Chef „nun mal der Politiker Maas“ sei, habe er sich zu fügen, „sofern dieser ihm Weisungen“ gebe.
Opposition erhöht den Druck auf involvierte Minister
Nichtsdestotrotz steht Maas nun öffentlich in der Kritik. Denn ursprünglich hatte der Justizminister die Position vertreten, dass er dem Generalbundesanwalt keine Weisungen erteilen wolle. Und aus diesem Grund auch nicht hart genug eingriffen, als er bereits frühzeitig von den sich anbahnenden Ermittlungen gegen die Netzpolitik.org-Journalisten erfahren hat. Dementsprechend wird Maas nun vor allem aus den Reihen von CDU und CSU kritisiert. Patrick Sensburg, CDU-Abgeordneter und Vorsitzender des NSA-Ausschusses, sagte etwa: „Aufgabe des Justizministers ist es, sich vor seine Beamten zu stellen, ihnen andernfalls frühzeitig intern Weisungen zu erteilen, aber sie nicht nach Wochen über die Presse zu schelten.“ In diesem Sinne sei die Amtsführung von Maas „verbesserungswürdig“.
Derweil wollen Linke und Grüne klären, inwiefern weitere Mitglieder der Bundesregierung in die Affäre verstrickt sind. Denn sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch Innenminister Thomas de Maizière haben sich zwar öffentlich hinter Maas gestellt und Zweifel an den Ermittlungen gegen Netzpolitik.org geäußert. Doch zumindest die Rolle von de Maizière ist umstritten. Im Kern geht es dabei um die Frage: Warum hat der Innenminister weder die Anzeige noch das Gutachten gestoppt, mit denen Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft überhaupt erst angeleiert hatte.
Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte dazu lediglich: De Maizière kannte beide Texte nicht. Diese wären lediglich einem Staatssekretär vorgelegt worden. Um die Vorfälle aufzuklären, wollen die Grünen nun im Rahmen einer Anfrage 30 Fragen an die Bundesregierung stellen und fordern zudem eine Sondersitzung des Rechtsausschusses im Bundestag.
Trotz all der politischen Querelen läuft aber nach wie vor das Landesverrat-Verfahren gegen die Journalisten Markus Beckedahl und Andre Meister von Netzpolitik. Diese fordern – ebenso wie eine breite Schar an Unterstützern –, dass die Ermittlungen nun schnellstmöglich eingestellt werden – und nicht bloß ruhen, wie Range zuletzt verkündetet hatte. Zudem wollen die Anklagten nun auch juristisch gegen die Ermittlungen vorgehen. Mittlerweile haben die Anwälte der Journalisten Akteneinsicht bei der Bundesanwaltschaft beantragt, heißt es in einer Meldung auf Netzpolitik.org.