NSA-Enthüllungen: US-Provider AT&T ist ein bereitwilliger Helfer der NSA
Der US-amerikanische Provider-Riese AT&T hat bereitwillig mit der NSA kooperiert, um den Internet- und Telefon-Datenverkehr in den USA zu überwachen. Das berichten die New York Times und ProPublica unter Berufung auf Dokumente, die aus dem Fundus von Edward Snowden stammen.
Selbst wenn die NSA die Daten von zahlreichen Providern und Internetdiensten abgreift, ist die Zusammenarbeit mit AT&T offenbar etwas Besonderes. Diese wird als einzigartig und sehr produktiv beschrieben. So heißt es in einem Dokument, dass der Provider „äußerst kooperativ“ („highly collaborative“) sei, während in einem anderen von einer außergewöhnlichen Hilfsbereitschaft („extreme willingness to help“) gesprochen wird. Daher lautet das Credo für NSA-Mitarbeiter, die direkten Kontakt mit AT&T haben: „Das ist eine Partnerschaft, keine geschäftliche Beziehung.“ Und dementsprechend sollen sich die Geheimdienst-Mitarbeiter auch verhalten.
AT&T arbeitet bereits seit Jahrzehnten sehr eng mit der NSA zusammen, die nun veröffentlichten Dokumente behandeln aber vor allem den Zeitraum von 2003 bis 2013. Demnach erhielt die NSA in dieser Zeit den Zugang zu Milliarden von Internet- und Telefondaten, die durch die Netze von AT&T fließen. Innerhalb der USA soll die Überwachungstechnologie an 17 Internetknotenpunkte des Providers installiert worden sein – das ist deutlich mehr als bei konkurrierenden Providern, wie etwa Verizon.
Massive Ausweitung der Datensammlung nach dem 11. September 2001
Der Zugriff erfolgte mit diversen Methoden und unter unterschiedlichen Rechtslagen. Infolge der Anschläge vom 11. September 2001 startete die Bush-Administration mit dem Patriot Act bereits im Oktober ein Programm, um Telefon- und Internetdaten auch innerhalb der USA zu sammeln – und das ohne richterlichen Beschluss. AT&T soll damals der erste Provider gewesen sein, der den Regierungsbehörden „innerhalb von Tagen“ die Daten von E-Mails oder Telefonanrufen bereitgestellt hat. Andere Provider konnten hingegen nicht vor dem Februar 2002 nachziehen.
„Live-Präsenz im globalen Netz.“ NSA-Dokumente
Zudem zählt AT&T auch auf technischer Ebene zu den Vorreitern. Den Dokumenten zufolge nutzte der Provider im September 2003 als erster ein Verfahren, dass der NSA eine „Live-Präsenz im globalen Netz“ ermöglichte. In einem der ersten Monate wurden mit dem Programm rund 400 Milliarden Internet-Metadaten gesammelt. Zudem erhielt der Geheimdienst mehr als eine Million E‑Mails pro Tag, die mittels einer Schlüsselwort-Analyse erfasst wurden. Die Dimension der Datensammlung wurde auch in den Folgejahren beibehalten. Laut den Dokumenten hat AT&T im Jahr 2011 pro Tag etwa 1,1 Milliarden Telefondaten an die NSA übermittelt.
Die NSA hat durch die Kooperation einen weiteren Vorteil: Der Geheimdienst erhält nicht nur Zugang zum Datenverkehr von AT&T, sondern auch zum Peering-Traffic – also dem Datenverkehr, den AT&T für andere Internetanbieter durch seine Netze leitet. Damit biete sich ein „einzigartiger Zugang zu anderen Telkos und ISPs“, wie es in einem der Dokumente aus dem Jahr 2013 heißt. Das ist günstig für die NSA, weil sich auf diese Weise der ausländische Datenverkehr in großem Umfang auswerten lässt. Denn eine große Menge der globalen Internet-Kommunikation läuft durch Kabel, die US-Anbietern gehören. Laut Dokumenten aus dem Jahr 2013 übermittelte AT&T pro Tag rund 60 Millionen E-Mails von Ausländern („foreign-to-foreign“). Mittlerweile kann die NSA zwar über Verizon auf den globalen Datenverkehr zugreifen, doch das entsprechende Programm wurde erst im März 2013 gestartet – bis dahin hatte der Geheimdienst von AT&T über Jahre hinweg „riesige Datenmengen“ erhalten.
Erneut wird mit den aktuellen Enthüllungen deutlich: Die NSA muss keine Internet-Leitungen im Ausland anzapfen, um etwa die Internet-Kommunikation aus Deutschland auswerten zu können.
AT&T hilft beim Überwachen der Vereinten Nationen
Neben der Überwachung des Datenverkehrs umfasst die Kooperation auch gezieltere Missionen. So soll AT&T technische Hilfe geleistet haben, damit die NSA die Internet-Kommunikation vom Hauptquartier der Vereinten Nationen (UNO) vollständig erfassen kann – die in New York ansässige Organisation ist einer der Kunden von AT&T. Für diese Abhörmaßnahmen soll allerdings ein geheimer Gerichtsbeschluss existieren.
Namentlich wird AT&T in den Dokumenten übrigens nie direkt genannt, stattdessen ist von dem Fairview-Programm die Rede. Doch bereits zuvor veröffentlichte Dokumente haben gezeigt, dass die NSA im Rahmen von Fairview auf den Datenverkehr von AT&T zugreift. Ähnliches gilt für das Programm Stormbrew, das Verizon sowie dem ehemaligen Provider MCI zugeordnet wird – dieser wurde 2006 von Verizon aufgekauft. Wie groß die Unterschiede sind, zeigen allerdings schon die Budgets der beiden Programme. Denn die Provider erhalten eine Entschädigung für die Kosten, die bei den Überwachungsmaßnahmen entstehen. Demnach zahlte die NSA im Jahr 2011 knapp 189 Millionen US-Dollar für das Fairview-Programm – mehr als doppelt so viel wie für Stormbrew, das auf Rang zwei in der Liste steht.
Da die Dokumente nur bis zum Jahr 2013 reichen, lässt sich nicht sagen, inwieweit die Programme heute noch aktiv sind. Die NSA wollte auf Anfrage der New York Times keinen Kommentar abgeben. Ebenso erklärte ein AT&T-Sprecher: „Wir kommentieren keine Anfragen, die die nationale Sicherheit betreffen.“ Grundsätzlich gebe das Unternehmen aber keine Informationen an Behörden, sofern kein entsprechender Beschluss vorliege. Eine Ausnahme bestehe lediglich, wenn etwa das Leben einer Person in Gefahr und Zeit der entscheidende Faktor sei.