Until Dawn im Test: Der nächste Schritt des Film-Spiels bringt echte Freiheit
Vorwort
„Interaktive Filme“ haben sich seit einigen Jahren als neue Form der Unterhaltung etabliert: Die perfekte Inszenierung einer Hollywood-Produktion trifft bei dieser Gattung die Interaktivität eines Videospiels. Mit Until Dawn erhält die noch junge Gattung des „Spiel-Films“ auf der PlayStation 4 den ersten Vertreter im Horror-Genre, der dem Spieler echte Entscheidungen und unzählige unterschiedliche Handlungsverläufe an die Hand zu geben verspricht. Der Schritt weg von der nur suggerierten Freiheit, die Telltale (u.a. The Walking Dead, The Wolf Among Us) so gekonnt in Szene setzt, gibt tatsächlich neue Impulse: Die Gattung beginnt, die Möglichkeiten eines Computers auszuschöpfen.
Anmerkung: Auf Wunsch von Sony ist das Bildmaterial in diesem Test ausschließlich offiziellen Quellen entnommen worden.
Spoiler-Warnung: Da ein Spieletest im Allgemeinen und eine inhaltliche Analyse im Besonderen nicht immer gänzlich ohne die Wiedergabe einzelner wichtiger Handlungselemente der Geschichte möglich ist, bitten wir all jene, die vorab nichts über die Handlung des Spiels erfahren möchten, nur das Fazit zu lesen. Wir bemühen uns jedoch stets, die Wiedergabe auf absolut notwendige Erzählelemente zu beschränken.
Die Rückkehr echter Freiheit
Naturgemäß lebt Until Dawn aufgrund seines linearen Ablaufs von der Handlung und Qualität der „Schauspieler“. Acht Teenager in einer winterlichen Berghütte, eine finstere Gestalt mit einem Messer schemenhaft draußen vor dem Fenster und nervige Zickenkriege drinnen vor dem Kamin rufen in der ersten halben Stunde zunächst wenig Enthusiasmus hervor. Die ersten Toten im Prolog werden folglich aufgrund der nun reduzierten Anzahl an Plagegeistern als eine zumindest partielle Erlösung empfunden – auch wenn das Ziel des Spiels eigentlich lautet, die Jugendlichen lebend durch eine Nacht des Schreckens zu leiten.
Zum Glück entpuppt sich die Grundkonstellation als ein geschickt eingesetztes Stilmittel: Die Entwickler bringen stereotype Figuren und immer wieder stereotype Situationen, die stark aus Klassikern des Genres zitieren, auf den Tisch, geben den Elementen aber einen neuen Drall und dem Spieler Handlungsmöglichkeiten. Der Teenie-Horror gehört alsbald der Vergangenheit an, die Stereotype erweisen sich als Grundbedingung für das Funktionieren des Konzepts. Wie sich die Charaktere und Szenarien entwickeln, ob Konflikte eskalieren, liegt tatsächlich in der Hand des Spielers, der abwechselnd die Fäden jedes Teenagers zieht.
Der suggerierten Wahlfreiheit der Telltale-Spiele, den zahlreichen Rettungsmechanismen eines Heavy Rain und der Unfehlbarkeit eines Beyond: Two Souls setzt Until Dawn echte Entscheidungen und vielfältige Möglichkeiten zum Scheitern entgegen. Welche Möglichkeiten sich in Situationen ergeben und welche Varianten überhaupt auftreten, ist ein Resultat der eigenen Handlungen, die Auswirkungen auf subtilere Dinge wie Körpersprache in Gesprächen haben können oder unmittelbar im blutreich in Szene gesetzten Tod eines Protagonisten münden.