Until Dawn im Test: Der nächste Schritt des Film-Spiels bringt echte Freiheit

 3/3
Max Doll
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Kleine Brüche trüben die Inszenierung

Erst die letzten, auflösenden Kapitel des Spiels fallen im Vergleich etwas ab, wenn die anfangs noch stringente Erzählung nicht alle Lücken stimmig zu schließen weiß. Wesentlich beeinträchtigen kann das aber weder den Spaß beim Spielen auf dem Weg zu diesem Punkt noch das Gefühl der Zufriedenheit am Ende. Nicht zuletzt bleibt Until Dawn dem Horror-Genre in diesem Punkt treu. „Ist da Jemand?“ muss auch hier unvermeidlich wie unverzagt in Richtung des gefährlichen Knurrens gerufen werden. Dass eine doppelläufige Schrotflinte etwa zehn Patronen fasst und gewisse Entscheidungen gegen Ende in Anbetracht des gesammelten Wissens hochgradig unlogisch anmuten, zeigt, dass Until Dawn nicht kugelsicher zu agieren vermag, dass die Inszenierung gewissermaßen dem Inhalt vorgezogen wurde. Das Genre bleibt so immer noch ein wenig zu sehr in der Imitation des Kinos verhaftet, anstatt mit den Möglichkeiten des Mediums Videospiel vollständig darüber hinausgehen zu wollen.

Zeit zur Entspannung bleibt nur selten
Zeit zur Entspannung bleibt nur selten (Bild: Sony)

Für ein Next-Gen-Spiel dieses Genres wäre in diesem Punkt durchaus mehr Liebe zum Detail wünschenswert. Nur im Muscle-Shirt durch Schnee in aller Seelenruhe durch Minustemperaturen zu stapfen, sorgt für darstellerische Misstöne und hochgezogene Augenbrauen. Ohnehin sind die Protagonisten, sofern der Spieler direkt steuert, selbst bei Gefahr nur zu maximal zügigem Gang in der Lage. Die Bewegungsgeschwindigkeit situativ anzupassen hat Supermassive Games offenbar nicht in Betracht gezogen – die erzwungene Langsamkeit setzt auch einen bewussten Gegenpunkt zu den atemlosen QTE-Sequenzen. Mithin zieht sich das bisweilen langatmige Erkunden der frei begehbaren Areale unnötig in die Länge: Wie im Genre üblich ein Gebiet abzulaufen und nach blinkenden Interaktionspunkten zu spähen, wird mühseliger als nötig, zumal sich die Figuren in diesem Bereichen bisweilen hakelig steuern lassen. Hinter dem von Telltale gesetzten „Goldstandard“ bleibt die Darbietung an solchen Ecken zurück.

Grafisch gilt dies ebenfalls, auch wenn hier Ready At Dawn mit The Order 1886 den Maßstab stellt. Sanft wippende Kleidung, vollkommen natürliche Interaktionen mit der Umwelt, saubere Animationen, all das gelingt Ready At Dawn eine Klasse besser. Dass die Entwicklung von Until Dawn ursprünglich für die PlayStation 3 begonnen wurde, kann das Spiel schwerlich verbergen. Störend fällt ab und an auch die Bildwiederholrate auf, die nicht immer konstant bei 30 FPS verbleibt.

Fazit

Wer sich von Videospielen vor allem grenzenlose virtuelle Freiheit und hemmungslose Interaktivität erwartet, wird auch mit Until Dawn nicht glücklich: Im Kern besteht das Spiel wie seine Gattungsbrüder aus Reaktionstests, Quick Time Events und spielergesteuerten Explorationsphasen mit der Suche nach leuchtenden Interaktionspunkten. Wie für die Handlung gilt für die Mechaniken: Man muss sich darauf einlassen können, um damit Spaß zu haben.

Trotz permanent abverlangter Entscheidungen lebt der Titel von seiner geführten Inszenierung. Mit einer packend inszenierten Geschichte und einem quasi individuellen Handlungsverlauf, der Entscheidungen und deren Konsequenzen im Großen wie im Kleinen in den Mittelpunkt rückt, hat Supermassive jedoch eine vielversprechende Entwicklungsrichtung des Genres aufgezeigt: Until Dawn suggeriert keine Freiheit, es gewährt sie. Erst die Erbarmungslosigkeit der unzähligen Arten zu versagen gibt dem Setting den nötigen Ernst und sorgt für glaubwürdige Spannung – und das über die gesamte Spieldauer von rund acht bis zehn Stunden hinweg.

Diese Spannung gepaart mit dem geschickten Fördern natürlicher Neugierde lassen über die kleineren Schwächen, den hakeligen Explorationsteil, die kleinen Logikfehler und die gegen Ende abbauende Handlung hinwegsehen. Am Ende steht trotz der kleineren Macken ein unterhaltsamer Titel und eine Empfehlung. Wer dem Genre nicht prinzipiell ablehnend gegenübersteht, sollte Until Dawn eine Chance geben. Der Titel zeigt in logischer Fortsetzung, was die Verbindung von filmischen Mitteln und (videospiel-)technischen Möglichkeiten zu leisten in der Lage sein kann.

Kopier- & Jugendschutz

„Until Dawn“ ist exklusiv für die PlayStation 4 erhältlich. Das Spiel hat von der USK eine Freigabe ab 18 Jahren erhalten.

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