Video-Codec: Cisco arbeitet an lizenzfreiem Codec Thor
Der Netzwerkausstatter Cisco arbeitet an einem Video-Codec namens Thor, der frei von Patentansprüchen sein soll. Thors Hammer soll sinnbildlich den patentbehafteten Codec H.265 zerschlagen. Erst kürzlich war neben der MPEG-LA ein zweiter Patentpool ruchbar geworden, der kräftig an der Kostenschraube drehen will.
Dieser zweite Patentpool, HEVC Advance, will unabhängig von der MPEG LA weitere Lizenzgebühren verlangen, die teilweise 16 Mal so hoch sind wie die bisher von der MPEG LA erhobenen Gebühren. Für kostenlos verteilte Software soll es keine Befreiung von der Zahlung geben, zudem sieht der neue Patentpool keine Kostendeckelung nach oben, wie bei H.264 vor. Das könnte auch Cisco teuer zu stehen kommen, denn von Ciscos Software WebEx und Cisco Spark existieren auch kostenfreie Versionen.
Als Ciscos technischer Direktor der Sparte Collaboration Business hat Jonathan Rosenberg das neue Projekt im Firmenblog vorgestellt. Wie es scheint, arbeitet Cisco schon länger im Stillen an diesem Codec, der bereits im Mai als Entwurf an die Netvc-Arbeitsgruppe eingereicht und im Juli in Prag bei einem Treffen der IETF angenommen wurde. Jetzt steht der Quellcode, der einer MIT-Lizenz unterliegt, auch auf GitHub zur freien Verfügung.
Cisco hat sich bei der Auswahl der Entwickler für Thor nicht lumpen lassen und die Video-Codec-Experten Gisle Bjøntegaard und Arild Fuldseth an die Aufgabe gesetzt. Bjøntegaard, der maßgeblich die Entwicklung von H.264 gesteuert hat, wurde 2010 zum Cisco-Fellow, als dessen Arbeitgeber Tandberg Telecom von Cisco aufgekauft wurde. Fuldseth arbeitet ebenfalls seit mehr als 25 Jahren an Codecs. Einige Rechtsanwälte wurden ebenfalls eingestellt, um die Entwicklung des Codecs zu begleiten und darauf zu achten, dass den Fußangeln der Patentinhaber aus dem Weg gegangen wird.
Rosenberg geht davon aus, dass man noch Jahre von einem Codec entfernt ist. Zudem will Cisco nicht gegen weitere Projekte arbeiten, die ebenfalls an freien Codecs arbeiten, wie etwa das von Mozilla und der Xiph-Foundation vorangetriebene Daala und Googles VP9. Im Gegenteil sollen, wie aus einer Präsentaion des IETF-Treffens in Prag im Juli (PDF) hervorgeht, Daala und Thor ihre besten Entwicklungsstränge zusammenlegen. Google hat VP9 noch nicht zur Standardisierung angemeldet, was Rosenberg zu einem kleinen Seitenhieb veranlasste, indem er VP9 als proprietär bezeichnet. Die Xiph-Foundation hat Ciscos Schritt in die Öffentlichkeit in der Person von Christopher »Monty« Montgomery bereits begrüßt.
Bereits vor rund zwei Jahren hatte Cisco OpenH.264 für Projekte kostenlos angeboten und aus der Firmenkasse für die Vergütung mit der MPEG-LA gesorgt. Unter anderem machte Mozilla im Browser Firefox von dem Angebot Gebrauch, nachdem sich VP8 als nicht durchsetzungsfähig erwiesen hatte.